GERRY NESTLER - Mama's Child
Mehr über Gerry Nestler
- Genre:
- Progressive / Jazz Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 12.09.2018
- Koko My Love
- Rain On The Window
- Soul True
- Genevieve
- Mercy
- Little Marie
- Melinda Darling
- Glass Bottom Boat
- Mama's Child
- Dorma
Der Kopf hinter CIVIL DEFIANCE und PHILM ist wieder da!
Ich denke, Gerry Nestler muss ich den Prog-Heads unter unseren Lesern nicht näher vorstellen. Der gute Mann hat mit seiner Band CIVIL DEFIANCE in den 90ern für Furore gesorgt und war sogar als Suport der ebenso legendären Psychotic Waltz in unseren Breiten unterwegs. Nach der frühzeitigen Auflösung von CIVIL DEFIANCE hat er in etlichen Bands und Projekten sein Unwesen getrieben, bevor es mit PHILM erneut richtig abging. Hier hatte er in seinem langjährigen Freund Dave Lombardo einen "Prominenten" mit an Bord und wer die Band auf ihrer kurzen Stipvisite in Deutschland anno 2015 erlebt hat, wird verstehen, weshalb ich PHILM so großartig finde. Nun geht Gerry auf seinem neuen Album, auf dem der PHILM/WAR-Bassist Pancho Tomaselli erneut als Wegbegleiter zu hören ist, komplett andere Wege. Wer sich an 'Under The Volcano' von CIVIL DEFIANCE erinnert, weiß, dass Gerry auch ein Meister der leisen Töne sein kann. Die leisen Töne auf "Mama's Child' sind aber anders, ganz anders und so rate ich jedem, der sich für ein bisschen offen in seinem Musikgeschmack hält, hier dringend hineinzuhören.
Während Gerry seine Songs sonst zumeist auf der Gitarre gespielt hat, drehen sich die Nummern im Jahr 2018 alle um sein Piano-Spiel. Wenn ich nun noch ergänze, dass neben Drummer Max MacVeety mit Evan Francis ein Saxophonist zum festen Stamm der Band gehört, der obendrein auch noch Klarinette und Flöte spielt, wird der geneigte Freund von verzerrten Stromgitarren sicherlich schon raus sein. Wer aber auf den Kompositions-Stil von Nestler steht, dem wird es eventuell wie mir gehen und er wird nach einer kurzen Eingewöhnungsphase sehr viel Freude an "Mama's Child" haben. Denn obwohl der Ansatz hier eher im Jazz zu suchen sein wird, hört man doch unverkennbar den Nestler-Stil in allen Titeln. Das liegt nicht ausschließlich an seinem gewohnt gefühlvollen Gesang, der mich schon bei den ersten Umdrehungen komplett am Haken hat. Es liegt auch daran, wie er seine Gefühle in Noten umwandelt. Es entsteht eine heimelige Wohlfühloase, die manchmal durch eine feine Oberflächenspannung in der Rhythmik unterbrochen wird. Diese Spannung kennen wir schon von PHILM, wo Lombardo mit schnellen Beckenschlägen dafür gesorgt hat. Hier ist es ähnlich, nur dass die Musik darüber komplett anders ist.
Man darf sich vom unbeschwert dahin swingenden Opener 'Koko My Love' nicht in die Irre führen lassen: "Mama's Child" hat sehr schräge Momente und wird vor allem Freunde der alten Nestler-Musik auf eine schwere Probe stellen. Schon 'Soul True' kommt mit schweren Beats und ungewohntem Gebläse um die Ecke und auch der getragene Titelsong ist hinterhältig. Die Duelle zwischen Gitarre und Bläser haben mit Rockmusik gar nichts mehr zu tun. Trotzdem empfinde ich das alles als sehr rund.
Ganz anders dann eine Nummer wie 'Genevieve', die gefühlvoll im 20er-Jahre Stil aus den Boxen klimpert und sich sofort in mein Herz frisst. Ein Gefühl, welches vom kurzen 'Little Marie' noch einmal dick unterstrichen wird. Satchmo, Baby! Dass ausgerechnet zwischen diesen beiden Herzerwärmern mit 'Mercy' ein extrem schwerer Brocken platziert ist, kann nur Nestler's Gespür für Emotionen zuzuschreiben sein. Diese Nummer ist angenehm überrollend in ihrer Rhythmik und erschlagend in ihrer Instrumentierung. Ganz großartig!
Ohne jetzt auf alle Nummern im Detail einzugehen, verweise ich abschließend auf mein Albumhighlight namens 'Rain On The Window'. Eine herzerwärmende Piano-Ballade mit spannenden Feinheiten. Ein Song für das Jahrestreppchen!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae