GNOD - Mirror
Mehr über Gnod
- Genre:
- Krautrock / Psychedelic / Experimental
- ∅-Note:
- 5.00
- Label:
- Rocket Recordings / Cargo Recordings
- Release:
- 21.03.2016
- The Mirror
- Learn To Forgive
- Sodom & Gomorrah
Musik? Kunst? Krach.
Kunst kann alles, Kunst darf alles, nur sollte niemand dabei Schaden nehmen – oder so ähnlich. Okay. Ist dieser Rahmen erst einmal gesetzt, stellt sich bei der Besprechung und Beurteilung von Kunst oft die Frage, ob es objektive Kriterien gibt, anhand derer eine neutrale, vergleichende Einordnung erfolgen kann. Unsere Antwort als Musikjournalisten lautet: Ja, die gibt es, und bei aller Subjektivität in der Beurteilung gibt es Merkmale, welche als Vergleichskriterien herangezogen werden können.
Aus diesem Grund erhält "Mirror", das dritte Klangverbrechen der britischen Krautrocker GNOD, nach langem Zögern auch eine Bewertung von mir. Kollegen anderer Magazine überbieten sich geradezu in überschwänglichen Lobhudeleien an das Kollektiv aus Salford - so feiert unter anderem der Guardian GNOD als "beste Band des Planeten". Womöglich ist das Album bei mir auch einfach an den Falschen geraten. Obwohl ich der experimentellen, psychedelischen Klangwelt von GNOD ja durchaus faszinierende Seiten abzugewinnen vermag. Nur in der Gesamtbetrachtung nervt mich "Mirror" in erster Linie kolossal.
Der gefeierte Vorgänger "Infinity Machines" bot immerhin noch einige Freiflächen, mehr sphärische Nebelwelten, in die man eintauchen, die man durchschwimmen, aufsaugen konnte. Auf "Mirror" dominiert gemäß Aussage der Band die Wut. Da kommen an einigen Stellen Anleihen von HELMETscher Anarchie zum Vorschein, und experimentelle Krautwurzeln, wie sie beispielsweise von der Alternative-Metal-Institution DEFTONES einverleibt wurden. Da finden sich in den drei ausufernden, ziellosen Kompositionen auf "Mirror" deutliche post-metallische Einschläge. Nur dominieren tatsächlich über lange Passagen blanker Lärm, Dissonanz und irres Gestammel – das fasziniert nicht, das nervt und ermüdet schlicht und ergreifend.
Der Titeltrack 'The Mirror' beginnt relativ verhalten, eine simple Bass- und Schlagzeuglinie durchzieht den Song, im Hintergrund ertönen Gesprächsfetzen von (wahrscheinlich) Paddy Shine; kurze Gitarreneinwürfe tauchen auf und wieder ab – bis auf ein, zwei kurzzeitige Steigerungen in der Dynamik, die ebenso schnell wieder abebben, passiert fünf Minuten lang im Prinzip gar nichts. Am Ende dann eine Eruption, ein disharmonischer Ausbruch der Wut, mit sägenden, nervenzerfetzenden Gitarrenriffs - ein akustischer Albtraum, der einem die Haare zu Berge stehen lässt. Mit 'Learn To Forgive' geht es so weiter, wie der Opener geendet hat: Dissonanz? Katzenjammer? Spätestens beim zweiten Song avanciert "Mirror" zur Zumutung. Wer hier dran bleibt, hat Nerven aus Stahl, oder schlicht einen Kunstgeschmack, der meine Vorstellungskraft gänzlich übersteigt. Das hier ist in erster Linie akustischer Torture Porn. 'Learn To Forgive' bietet nichts, woran man sich als Hörer halten könnte; der Song besteht aus dem schmerzhaftesten Lärm, den Gitarre, Bass, Schlagzeug und das menschliche Stimmorgan erzeugen können. 18 Minuten dauert schließlich 'Sodom & Gomorrah', und der Song klingt tatsächlich wie das Echo eines grauenhaften Weltuntergangsszenarios: Die trägen Schläge der Rhythmusfraktion bilden den Hintergrund einer Albtraumwelt aus gestammelten Schreien und unheimlich heulenden Sirenenklängen. Nach einer schier endlosen Viertelstunde verlieren sich die Instrumente endgültig im dröhnenden, lärmigen Chaos, und die akustische Vergewaltigung aus dem Hause GNOD findet ihr unversöhnliches Ende.
Die Musiker von GNOD sind Vollblutkünstler, die genau wissen was sie tun. Das merkt man diesem Klang gewordenen Albtraumpanorama eines modernen Kunstwerkes durchweg an – denn genau darum handelt es sich bei "The Mirror". Horrorfans, übermotivierte Feuilletonisten und experimentierfreudige Kunstliebhaber können diese verstörende Scheibe von mir aus gerne abfeiern. Mit Musik hat dieses Machwerk jedoch so gut wie nichts gemein.
- Note:
- 5.00
- Redakteur:
- Timon Krause