GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR - 'Allelujah! Don't Bend. Ascend.
Mehr über Godspeed You! Black Emperor
- Genre:
- Goodspeed You! Black Emperor/ Postnoise/ Doom Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Constellation Records/ Cargo
- Release:
- 19.10.2012
- Mladic
- Their Helicopters' Sing
- We Drift Like Worried Fire
- Strung Like Lights At Thee Printemps Erable
Eins, zwei, drei, vier, Eckstein - keiner wird versteckt sein!
Diese Band ist nicht zu fassen. Im doppelten Sinne sogar ist die mysteriöse Musikergruppe nicht oder kaum fassbar. Erstens: was für eine Musik entwerfen diese GOODSPEED YOU! BLACK EMPEROR - kurz GY!BE - eigentlich, welche Genreschublade sollen wir dafür öffnen? Und zweitens: wer steckt hinter den Stücken, die die Zwanzig-Minuten Marke gern und spielend überschreiten? Die Promo-Info nennt zwar acht Namen von acht Musikern, nennt dabei drei elektrische Gitarren, zwei Bässe, zwei Drummer, einen fest integrierten Filmemacher und eine lange Reihe an Nebeninstrumenten, aber der Hörer und Leser kann sich sicher sein, dass auch diese Musikerreihung in der Bandgeschichte nur fragmentarisch ist. Eher sollte GY!BE als ein sehr lockerer kanadischer Künstlerzusammenschluss verstanden werden, welcher das letzte Album "Yanqui U.X.O." vor knapp 10 Jahren der verwirrten Welt vor die verknorpelten Füße spuckte.
Kommen wir damit nämlich gleich zum nächsten Einordnungsproblem. Denn trotz der geradezu inflationären Nennung der Band als Referenz in so vielen vielen Bandgeschichten, werden sie trotzdem nie auch nur in Ansätzen erreicht werden können. So eigenartig Kraft raubend, gespenstisch bedrohlich und für sich selbst stehend fungiert das radikale Kollektiv, dass die Unerreichbarkeit dieser teuflisch konsequenten Musik Nachahmer und Bewunderer nur frustrieren kann. Gleichzeitig sind sie das Zugpferd des nordamerikanischen Vorzeigelabels Constellation, welches sich um die Verkaufszahlen eines GY!BE-Albums die geringsten Sorgen zu machen braucht. Wie ein Sturm verbreitete sich die Nachricht von einem neuen Lebenszeichen, von der Existenz neuer Stücke durch die Medienwelt, die Konzerttour 2012 war schnellstens ausverkauft und hier wie dort hinterließ dieser leibhaftige Tsunami getrümmerte Gedanken und erschöpfte Konsumenten. Mir geht’s gerade genauso, jetzt,als ich gerade Zeuge bin, wie das sadistische Wesen des Menschenschlächters General Mladic vertont wird.
Das Gefühl, welches einen hier beim Hören massivster Breitwandgitarren und einer entfesselten Schlagzeuginfanterie beschleicht und ganz klein werden lassen kann, kann nur Ehrfurcht heißen. Der Entwurf der Kanadier ist so monumental auf- und ineinander geschichtet, dass die Luft wegzubleiben droht. Außer ein paar wenigen Fetzen menschlicher Sprache, die uns aus medialen Konserven erreichen, bleibt das gesamte Album vollkommen unkommentiert. Es ist sowieso äußerst kraft-und nervenaufreibend, zu den vier Stücken überhaupt fassbare Kommentare zu erfinden. Denn schon läßt das vor sich hinsiedende 'Their Helicopters Sing' einen ängstlich aus dem Fenster in den Himmel stieren. Ein dunkelblauer Ambientnebel, wie von der Atmosphäre selbst entworfen. Anklagend und drohend auch die beginnenden Klänge des 'We Drift Like Worried Fire', in dem die sich drehenden Gitarrensägen und gurgelnden Violinenzupfer ganz und gar vereinnahmen und heftige Gefühlswallungen auslösen können. Ab Minute Acht brennt auch hier der Himmel und mittendrin kann kaum jemand ein Gefühl dafür entwickeln, wo sich das noch hinentwickeln soll. Gerade dem Inferno entkommen und durchgeatmet, wartet da bereits die nächste Unerbittlichkeit auf Dich, die sich im Endeffekt zu einer Generalüberholung gängiger Postrock-Klischees entfaltet. Schon aufgrund dieses furiosen Zwischenfinales ist es eigentlich ein Glück, dass das abschließende 'Strung Like Lights At Thee Printemps Erable' Raum zum Luftholen anbietet. Wobei mann und frau sich auch hier - ohne es zu merken - in einem drohenden Drone-Szenario wiederfinden kann.
Was hinterlassen uns diese rigorosen GOODSPEED YOU! BLACK EMPEROR, das frage ich mich immer wieder, wenn ich mich mal deren Konsum zutraue? Nichts weniger als einen kalten Blick in unsere menschlichen Abgründe. Die verwesten Vogelreste, die das menschliche Handeln auf dem heißen Wüstenasphalt da im Cover von "'Allelujah! Don't Bend. Ascend" festgefahren hat, die lassen trotz ihrer Friedfertigkeit erahnen, wozu wir fähig sind. Und die Musik zu dieser bitteren Erkenntnis bieten uns GY!BE! Das erste Mal seit zehn Jahren wieder in Ihrem Gewissen!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben