GOETHES ERBEN - Nichts bleibt wie es war
Mehr über Goethes Erben
- Genre:
- Gothic
- Label:
- Zeitbombe / Strangeways / Indigo
- Release:
- 29.10.2001
- Der Eissturm
- Vermisster Traum
- Ganz still
- Paradoxe Stille
- Glasgarten
- Nichts bleibt wie es war
- Himmelgrau
- Ganz sanft
- Rotleuchtende einst weiße Engel
- Fleischschuld
- Zimmer 34 Teil 1
- Zimmer 34 Teil 2
- Nur ein Narr
- Was war bleibt
- Schreiheit
- Mensch sein
"Nichts bleibt wie es war" - Der Titel des neuen Werkes von GOETHES ERBEN bleibt sich selbst mit diesem Konzeptalbum treu. Oswald Henke und Mindy Kumbalek bleiben weiterhin sehr experimentierfreudig und variationsreich, die Stücke auf der CD selbst sind äußerst vielschichtig, verschiedenartig und abwechlsungsreich in Text und Musik - und diese Musik sträubt sich gegen jede klare Genre-Zuordnung. Von stillen Momenten und märchenhaften Augenblicken über gut tanzbare düstere Rhythmen bis hin zu erschreckenden Bildkonstrukten und schrägen Partien ist alles vertreten; die Instrumentierung reicht von Akustik - besonders die Sologeige ist ein wahrer Hochgenuss - über Elektro bis hin zu E-Gitarrenklängen. Insgesamt ist der elektronische Anteil des Albums höher als bei vorhergehenden Werken, erfreulich ist die Verschiedenartigkeit des gesanglichen Einsatzes von Henke - mal erzählend vorgetragen, mal rhythmischer Sprechgesang, mal melodiös gesungen. Sehr erfreulich - aufgrund der Komplexität aber auch durchaus notwendig - finde ich, dass das Album im sehr gelungenen Booklet eingangs schrittweise erläutert wird, wobei die Titel dem Hörer noch immer viel Freiraum für eigene Interpretationen und Assoziationen belassen.
Das Werk ist in drei Akte geteilt, betitelt mit "Zeit nachzudenken", "Zornige Utopien" und "Resümee". Begonnen wird dabei im ersten Akt mit einem tanzbaren, hypnotischen Stück namens 'Der Eissturm', begleitet von ERBEN-typischem Stakkato-Sprechgesang; hernach wendet man sich mit dem Glanzstück 'Vermisster Traum' ruhigeren Momenten zu, wird nachdenklich, zaubert wunderschöne Melodiebögen, die in 'Glasgarten' - der Single-Auskopplung, die Henke mit niemand anderem als Peter Heppner im Duett stimmlich verdedelt - einen vorläufigen Höhepunkt finden. Dieses Stück hat es mir wegen der Melodie und der zauber- und märchenhaft gezeichneten Bilder des Textes ganz besonders angetan. Hier werden eindringliche, hypnotische Klangwelten erschaffen, die von einer brillanten Produktion zeugen.
Sehr gesellschaftskritisch wird es dann mit dem zweiten Akt, begonnen von 'Nichts bleibt wie es wahr' - eine Atombombe wird auf ihrem Fall und während ihrer Zerstörungswelle begleitet. Textlich ebenso heftig und ohne jede Scheu vor unangenehmen Äußerungen geht es mit 'Himmelgrau' weiter, Gesang wie Musik bleiben aggressiv und anklagend. Überhaupt ist wieder positiv anzumerken, dass Gesangsvariation wie auch musikalische Untermalung auf exzellente Weise dem textlichen Inhalt angepasst werden. In diesem Akt scheinen es den ERBEN besonders die Themen biblischer Mythen und besonders der Engel angetan zu haben, so auch in 'Ganz sanft' - das ganz so sanft nicht vorgetragen wird - und 'Rotleuchtende einst weiße Engel'. Wirklich herb wird es mit den Titeln 'Fleischschuld' und 'Zimmer 34'- nichts für seichte Gemüter. Zum Inhalt will ich mich hier nicht äußern - DAS muss jeder auf sich selbst wirken lassen. In diesem zweiten Akt wird gnadenlos abgerechnet bis zur Grenze des Zumutbaren, unter dem Blickwinkel erschreckender Utopien, die aber die Frage aufwerfen, wie utopisch diese Darstellungen wirklich sein mögen.
Im dritten Akt geht es dann wieder zurück zu stilleren Momenten bei den nachdenklichen Stücken 'Nur ein Narr' und 'Was war bleibt'. Mit den letzten beiden Titeln findet dieses Album seinen dynamischen und angemessenen Ausklang. Ein Album, das für mich das bislang vielschichtigste, abwechslungsreichste, ausgewogenste und schlichtweg beste von GOETHES ERBEN ist. Leise, verträumt, märchenhaft, laut, erschreckend, ermahnend, aufrüttelnd, kompromisslos, anklagend und immer emotional und ehrlich. Hoher Suchtfaktor ist für denjenigen garantiert, der sich mit dieser in der Tat gewöhnungsbedürftigen Kunstdarstellung anfreunden kann.
Anspieltipps: Glasgarten, Vermisster Traum, Mensch sein, Fleischschuld und der ganze Rest
- Redakteur:
- Andreas Jur