GOJIRA - The Way Of All Flesh
Mehr über Gojira
- Genre:
- Modern Death Metal
- Label:
- Listenable Records / Soulfood
- Release:
- 10.10.2008
- Oroborus
- Toxic Garbage Island
- A Sight To Behold
- Yama's Messengers
- The Silver Cord
- All The Tears
- Adoration For None
- The Art Of Dying
- Esoteric Surgery
- Vacuity
- Wolf Down The Earth
- The Way Of All Flesh
Die Franzosen besteigen den Olymp - und sagen artig "Salut!" zu Zeus
Ah, die neue Scheibe von GOJIRA ist da. Extrem-Metaller aufgepasst! Die Franzosen schaffen es nun schon seit etwa zehn Jahren, gängige Grenzen und Klischees des härteren Metals mit erstaunlicher Präzision, Vehemenz und einer großartigen Technik niederzureißen. Und für alle, die grundsätzlich Angst vor nicht nachvollziehbaren Genre-Sprüngen und Stilbrüchen ihrer Lieblingsband haben: GOJIRA sind in ihrer musikalischen Tugend nicht anders, sondern besser geworden.
"The Way Of All Flesh" macht es sich zur Aufgabe, den unabänderlichen Kreis des Lebens und Sterbens nachzuzeichnen. Und, bei Gott, Themen gibt es heutzutage bei weitem genug: Das langsame Sterben unseres Planeten, die unverbesserliche Gesellschaft, Klimaveränderung etc. pp. Die Uhr, die den Countdown zur Apokalypse herunter zählt, findet sich so auch auf der CD wieder ('The Art Of Dying'). Und diese morbide Stimmung hält sich auf dem gesamten Album. Egal, ob es da ein wenig besinnlicher oder sogar ruhiger zugeht, oder die große Flut in Stakkato-Rhythmen und verteufelt abgedrehten Gitarren umgesetzt wird: Dass GOJIRA gewissermaßen die Wundertüte des französischen Metals sind, muss man nach sieben Studio-Alben und einer Tour mit IN FLAMES wohl kaum mehr jemandem mitteilen. Sobald man also die Tüte aufreißt und einmal frech hineingreift, holt man nach und nach innovative Songideen und fetzige Rhythmen in fast nicht enden wollender Zahl heraus. Erstaunlich genug, dass die Franzosen um das geschwisterliche Kreativ-Duo Joe und Mario Duplantier ein gutes, progressives Riffing ums andere aus dem Ärmel schütteln können – und das nach knapp zwölf Jahren kontinuierlicher Arbeit.
Richtig toll an "The Way Of All Flesh" ist allerdings das seit längerem praktizierte und nun konsequent weitergeführte Stilmittel der Dynamik. GOJIRA schaffen es durch gezielt eingesetzte ruhige Versatzstücke ihre emotionalen Ausbrüche gekonnt in Szene zu setzen. Dadurch wird der Hörer quasi an die Hand genommen und durch den Irrgarten vermeintlicher musikalischer Unzugänglichkeiten geführt. Denn verteufelt gewitzt und teilweise irre sperrig ist der französischer Todesblei-Sound allemal. Allerdings ist das doch der Reiz dieser Band. Und wenn man sich diesem eigenwilligen Songwriting einmal geöffnet hat, bleibt nur noch Staunen ob dieser grandiosen Komplexität, die niemals unschlüssig, zufällig oder unmotiviert klingt. Denn das Spektrum musikalischer Exkursionen scheint unerschöpflich. Seien es Elemente aus dem Rock, dem Thrash, dem Black oder auch dem Heavy Metal. All diese werden in den großen Topf extremer Musik geworfen, natürlich nicht ohne eine ordentliche Portion modernen Death Metals.
Die Suche nach Veränderungen zu den bisherigen Veröffentlichungen von GOJIRA führt zwangsläufig zu der erhöhten Brutalität der Franzosen. Eine Ecke bösartiger und gehässiger präsentiert sich der Gesamtklang. Zum Teil wird auch mehr Wert auf groovende Death-Metal-Rhythmen gelegt, die vor allem in der Live-Umsetzung ihr übriges zu einer erfüllten Show geben werden. Abseits dieser massiven Gewalt bleibt aber nachwievor Platz für besinnliche Zwischenstücke: Ebenso wie das wunderschöne 'Unicorn' von "From Mars To Sirius", das zu einer nahezu-Ballade in GOJIRA-Sound überführt, findet sich mit 'The Silver Cord' auch auf "The Way OF All Flesh" ein mystischer und geheimnisvoller Song, der ganz speziell und eigenartig als Fugenelement zwischen den anderen klanglichen Ausbrüchen der Platte funktioniert. Gesondert erwähnenswert ist der spannende Longtrack 'The Art Of Dying'; dieser Song ist eine unheimlich eindrucksvolle Gefühlseruption, unheimlich verzweifelt und in seinen neun Minuten derart packend, dass er für mich das Highlight des Albums darstellt.
Falls das bis jetzt noch nicht rübergekommen ist: Dieses Album ist nicht nur das beste Album von GOJIRA, sondern eine tolle und eigentlich zwingende Veröffentlichung im Extrem-Sektor des Jahres 2008. Die Eigenschaft, mit einer derartigen Prägnanz solch komplexe Songs schreiben zu können, ist immer wieder erstaunlich. Doch gerade wegen dieser Komplexität schaffen es die Franzosen spielerisch, tolle Melodien mit fettem Groove zu kombinieren und den Hörer auf einer ganz ungewohnten Art zu packen, so dass der Mix zu wirklich keinem Zeitpunkt langweilig wird. Dass man damit durchweg modern agiert, mag Puristen stören, doch erst die 2000er ermöglichen diesen Sound und gänzlich verschließen sollte man sich vor den Perlen der gegenwärtigen Szene mit Modernitätsanspruch sowieso nicht. Ergänzt an dieser Stelle sei noch der Hinweis, dass die Produktion ordentlich druckvoll und glasklar aus den Boxen schallt. Das ist aber auch obligatorisch für eine derart technische Musik.
Fazit: Falls noch Platz unter dem Chrom-Weihnachtsbaum ist: Kaufen! Falls dort aus unerfindlichen Gründen kein Platz mehr sein sollte: Platz schaffen! Dieses Kunstwerk gehört definitiv in die Sammlung eines jeden Avantgarde-Extrem-Metal-Fans und Reue ob der investierten Zeit und Mittel wird dabei sicher nicht aufkommen.
Anspieltipps: The Art Of Dying (!!!), Oroborus, Adoration For One (Mit Randy Blythe von LAMB OF GOD als Gastsänger)
- Redakteur:
- Julian Rohrer