GRAVE DIGGER - Das Hörbuch
Mehr über Grave Digger
- Genre:
- Biographie / Hörbuch
- Label:
- Flying Dolphin / Hannibal Verlag / Soulfood
- Release:
- 28.10.2005
- Wie alles begann
- Erste Exzesse
- Endlich!
- Das vorläufige Ende
- Es schläft der Metal-Gott
- Gib niemals auf
- Kings and Queens
- Es kommt, wie es kommt
- Die neue Ära
So. Nach dem guten alten Dieter Bohlen hat nun auch Deutschlands zweitpopulärster Musiker sein Hörbuch am Start: Chris Boltendahl, seines Zeichens Gründungsmitglied, Hauptsongwriter und Sänger des teutonischen Heavy-Metal-Urgesteines GRAVE DIGGER. Gut, das mit Bohlen war jetzt ein Kalauer und eigentlich überflüssig, aber irgendwie muss ich meine erste Hörbuch-Besprechung ja einleiten.
Vorliegendes Hörbuch hält sich eng an der Vorlage "Grave Digger - Die definitive Biographie", welche vor drei Jahren in gedruckter Form erschienen ist und sich in der Metalszene durchaus ansehnlicher Beliebtheit erfreut. Es erzählt die mittlerweile 25-jährige Geschichte einer Band und eines Frontmannes, die von Anfang an nur eines sein wollten: Metal-Götter! Dass die Musiker in jungen Jahren nicht nur von diesem Status träumten, sondern felsenfest davon überzeugt waren, ihn schon inne zu haben, prägt weite Strecken der ersten zwei Drittel dieser Dreifach-CD: Von den ersten Proben und Demoaufnahmen über das Vorspielen neuer Bandkameraden bis zu den ersten Vertragsverhandlungen. Später, als Chris Boltendahl schließlich Alkohol und sonstigen Drogen abgeschworen hat, werden ihm viele Hintergründe klarer, die Arbeitsweise erwachsener und professioneller. Außerdem wird sich der Protagonist bewusst, was früher alles schief gelaufen ist, und vor allem: Warum es schief gelaufen ist. Die Autoren erzählen die Geschichte dieser einflussreichen deutschen Metalband sehr detailgetreu und auch recht selbstkritisch und mitunter schonungslos.
Gesprochen wird der Text von Chris Boltendahl selbst und von seinem Co-Autor Holger Koch. Letzterer übernimmt den Großteil der chronologischen Erzählung, während Chris immer wieder einige Passagen direkt aus seiner Perspektive darstellt, was der Handlung ein wenig mehr Farbe verleiht. Daneben darf ab der dritten CD auch Keyboarder Hans-Peter Katzenburg schildern, wie er als höflicher und zurückhaltender Pianist seine ersten Tage, Monate und Jahre mit dieser pöbelnden und saufenden Metallerhorde erlebte und schließlich doch zum vollwertigen Teil der Band wurde. Schade, dass nicht auch die drei anderen aktuellen Grabschaufler - Jens Becker, Manni Schmidt und Stefan Arnold - zu Wort kommen, doch man kann nicht alles haben.
Dass ehemalige Bandmitglieder nicht beteiligt wurden, und sich wohl auch nicht hätten beteiligen wollen, ist nach der teilweise doch sehr deftigen Abrechnung, die Chris Boltendahl hier vornimmt, nicht verwunderlich. So kommt Uwe Lulis nicht immer gut weg und Tomi Göttlich wird gar besonders heftig an den Pranger gestellt. Ob das alles so, wie es Chris erzählt, wahr ist, kann ich natürlich nicht beurteilen, doch selbst wenn man unterstellt, dass der Sänger nichts als die reine Wahrheit spricht, muss er sich fragen lassen, ob es wirklich notwendig ist, einen langjährigen Weggefährten derart bloßzustellen. Damit will ich nicht Partei für eine Seite ergreifen, sondern nur anmerken, dass ich das öffentliche Waschen schmutziger Wäsche generell etwas unerbaulich finde.
Aber sei's drum, Chris geht schließlich mit sich selbst und der Band an sich auch nicht gerade zimperlich um und gesteht freimütig ein, dass die Band in einer Mischung aus permanentem Vollsuff, sonstigen Rauschzuständen und gnadenloser, an Größenwahn grenzender Selbstüberschätzung über weite Strecken ihrer Karriere fast jeglichen Kontakt zur geschäftlichen Realität des Business verloren hat. Mehrmals ließen sich die Herren Metalgötter von Labelchefs und Managern über den Tisch ziehen, verpassten aus Naivität und übersteigertem Ehrgeiz große Chancen auf einen breiteren Durchbruch, verhielten sich Freunden, Familienangehörigen und Mitmusikern gegenüber arrogant und unloyal, versuchten mit kommerziellen Anwandlungen den großen Durchbruch zu schaffen, ließen sich dabei aber gnadenlos verbiegen etc. ...
Man merkt Chris an, dass er zwar auf die musikalischen Errungenschaften von GRAVE DIGGER zu fast allen Zeiten, sowie auf seine Ausdauer und Beharrlichkeit, den Namen weiter zu tragen, sehr stolz ist. Dabei verheimlicht er aber nicht, dass er selbst und seine Bandkollegen über die Jahre auch unheimlich viel Bockmist gebaut haben.
Für richtige GRAVE DIGGER-Fans, die sich über die Musik hinaus für die Geschichte ihrer Lieblingsband und für die Menschen dahinter interessieren, ist diese Biographie sicher eine schon allein aufgrund des Informationsgehalts lohnende, darüber hinaus aber auch recht spannende und definitiv sehr unterhaltsame Anschaffung. Auch für Menschen, die nicht die absoluten Überfans der Grabschaufler sind, hat das Werk seinen Reiz, da es doch interessante Einblicke in die Metalszene gibt, die aus erster Hand erzählt gnadenlos mit vielen verklärten Idealen und Trugbildern aufräumen. Insgesamt empfehlenswert, auch wenn das Hörbuch leider genau wie das Druckwerk mit dem Kapitel zu "The Grave Digger", also im Jahre 2002 endet. Wäre vielleicht ganz nett gewesen, wenn Chris & Co. Kapitel zu der seither vergangenen Zeit und zu den Alben "Rheingold" und "The Last Supper" ergänzt hätten. Mir hat die mehrfache Einfuhr des über dreistündigen Hörbuches jedenfalls wieder Appetit auf die Scheiben von GRAVE DIGGER gemacht, die ich in den nächsten Wochen wohl wieder etwas öfter auflegen werde als üblich.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle