GRIFT - Dolt Land
Mehr über Grift
- Genre:
- Forest Folk / Neo Folk
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Nordvis Produktion
- Release:
- 22.09.2023
- Silverne Stig (Silver Pathway)
- Nattens Pilgrim (Pilgrim Of The Night)
- På Vingar Slumrande (On Wings In Slumber)
- Evas Backe (Eva's Hill)
- En Hemskog (A Home Forest)
- Gyllene Sal (Golden Hall)
Wohltuende, folkige Erkundung der Natur.
Das von Erik Gärdefors in 2011 ins Leben gerufene Projekt, das sich zwischen Atmospheric Black Metal und Forest Folk bewegt, hat bis heute neben zwei Splits und dem Livealbum "Aftonklang - Live at Emanuel Vigeland Mausoleum", bereits vier EPs und vier Studioalben veröffentlicht. Das vierte, hier zur Rezension vorliegende "Dolt Land" schlägt dabei weniger in die Art seines Metal-ausgerichteten Vorgängers "Budet" aus dem Jahre 2020, sondern mehr in die Richtung der letzten beiden akustischeren "Vilsna Andars ..."-EPs aus 2018 und 2022 sowie des Livealbums von 2019. Die für das neue Album verwendeten Instrumente wie akustische Gitarre, Melodica, Glockenspiel, analoger Synthesizer und Percussion wurden dabei allesamt von dem schwedischen Musiker selbst eingespielt und auch die Naturgeräusche wurden von ihm persönlich gesampelt.
Der Albumtitel ist mit "verstecktes Land" zu übersetzen. Der Künstler führt dazu näher aus, das Album "basiert auf meinen Erfahrungen in der Natur. Mit dieser Platte möchte ich darauf aufmerksam machen, was an verborgenen Orten ständig blüht und verwelkt – was aber auf Rücksichtnahme und Respekt angewiesen ist. Vergessen wir also für einen Moment uns selbst und staunen wir über den Schatz, der im Verborgenen hell erstrahlt." Konkret zollt er mit "Dolt Land" dem Berg Kinnekulle und seiner Natur, seinen Legenden sowie Traditionen Tribut, der GRIFT von Anfang an inspirierte.
Bei einer Gesamtlänge von knapp 38 Minuten wartet das Werk mit sechs Tracks auf, von denen kein Einziger enttäuscht. Überraschenderweise wird gleich zu Beginn der längste und einer der schönsten Albumtitel angeboten. Mit Eulenrufen eröffnet 'Silverne Stig (Silver Pathway)' ambient das Album und greift auch gleich das Naturthema auf. Man bekommt den Eindruck, der Musiker sitzt mit einer Mundharmonika im Wald. Der daraufhin einsetzende Gesang in zwei Schichten sowie das angenehme Spiel auf der akustischen Gitarre tragen einen regelrecht mit hinfort. Mit Auftreten eines Taktes nach knapp drei Minuten erscheint das Stück noch voller im Sound. Durch den veränderten Gesang, der einem angedeuteten heiseren Shouting ähnelt, ist etwas Black-Metal-Einschlag erkennbar. Der sehr gelungen fabrizierte Track beinhaltet in der hinteren Hälfte auch eine Pause, in der erneut die Eulen vom Beginn zu vernehmen sind, doch dieses Mal begleitet von einer Art Orgeltönen, welche dem Ganzen das Gefühl des Besuchs einer der Natur gewidmeten Kirche verleihen. 'Nattens Pilgrim (Pilgrim Of The Night)' als "Hymne an das fragile Leben, dass vor unseren Türen pulsiert" empfängt ebenfalls mit Vogelgezwitscher, nun im Umfeld eines Bach- oder Flusslaufes verortet. Die Melodica, die hier und da vor den Gitarren- und gedämpften Trommelklang tritt, verleiht dem Lied einen Neofolk-Anstrich. Auch das Geklingel und die Spoken Words in etwa zwei Minuten vor Ende tragen dazu bei.
Die Klangkulisse in 'På Vingar Slumrande (On Wings In Slumber)' entführt im Anschluss in einen am Meer gelegenen Wald, wahrnehmbar anhand des Klopfens eines Spechtes und sanft ans Ufer rollender Wellen. Hierzu mengt sich eine feine Gitarrenmelodie. Nach kurzem Flüstern kommt das volle Klangbild zum Tragen. Von den zuvor erwähnten Details abgesehen gleicht der Song musikalisch und im Aufbau seinem Vorgänger, wobei der Break im Direktvergleich hier ein wenig schwächer scheint. Für Abwechslung innerhalb des Albums sorgt der reduzierte Titel 'Evas Backe (Eva's Hill)', der trotz minimaler Form kein bisschen langweilig oder gleichförmig wirkt. Eine Seilwinde knarzt und quietscht derart beruhigend, dass sich Gitarre und Melodica schon längst eingeschlichen haben, wenn man die beiden Instrumente bewusst wahrnimmt. Die Gitarre übernimmt dann aber durch vielfältiges Spiel den Gesangspart in dem Instrumentaltrack, in dem lediglich ein paar Worte gesprochen werden. In dem verträumten Lied, das den Zuhörer wegen der Seilwinde sowie Meeresgeräuschen auf einen Segeltörn mitzunehmen vermag, kann man herrlich seine Gedanken treiben lassen.
Der nachfolgende Song hat wieder deutlich Bezug zum Neofolk. Zum einen manifestiert sich dieser im Einsatz der akustischen Gitarre und dem verhaltenen Orgelsound, zum anderen im Gesang, der nur gegen Zeilenende etwas in den Black-Metal-Bereich eingeordnet werden kann. Hierdurch wird eine äußerst stimmige Atmosphäre geschaffen. Nach drei Minuten kommt es noch zu einem Melodiewechsel und auch das bezaubernde Zwischenspiel mit Naturgeräuschen punktet. Das Stück lädt in jeder Jahreszeit dazu ein, auf einer Wanderung seinem Hirn freien Lauf zu lassen. Der Finaltrack startet auch sehr langsam und ruhig mit vereinzelten Gitarrentönen und natürlichen Klängen. Erneut im Neofolk-Sektor angesiedelt, kommt der Song flotter und beschwingter daher, insbesondere wegen der Melodica. Dennoch bleibt er daneben im Ausdruck melancholisch. Das Ende bildet mit dem Intro des Openers einen prima Rahmen, wodurch man dazu verleitet wird, dem Album sogleich noch eine Runde im Player und sich selbst eine Wiederholung des Hörgenusses zu gönnen. Die Detailverliebtheit des Künstlers in natürliche Backgroundsounds verfeinert jeden einzelnen Albumtitel. Manchen mag die Verwendung von Hall auf der Stimme des Sängers zu häufig vorkommen, doch ich halte dies für vernachlässigbar. Dies käme Jammern auf hohem Niveau nahe, zumal ich die Nutzung stellenweise sogar als sehr passend empfinde.
Insgesamt sehe ich das Werk als erfolgreiche Weiterentwicklung von GRIFT. Aufgrund des Charakters von "Dolt Land" ist es zwar kein Album, das dafür sorgt, dass man mitsingt, -tanzt oder -zuckt, doch wegen der hohen Qualität des Albums halte ich neun Punkte durchaus für gerechtfertigt. Zumal ich mich beim letztjährigen L'Homme Sauvage sowie beim diesjährigen Roadburn Festival davon überzeugen konnte, dass Erik Gärdefors es auch ganz allein live auf der Bühne schafft, mit seiner Musik eine vergleichbare Stimmung wie auf dem Album zu erzeugen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Susanne Schaarschmidt