HACKETT, STEVE - Foxtrot at Fifty + Hackett Highlights: Live in Brighton
Mehr über Hackett, Steve
- Genre:
- 70s Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Inside Out
- Release:
- 23.08.2023
- Ace Of Wands
- Devils Cathedral
- Spectral Mornings
- Every Day
- A Tower Struck Down
- Bass Solo
- Camino Royale
- Shadow Of the Hierophant
- Watcher of the Skies
- Time Table
- Get Em Out By Friday
- Can Utility and Coastliners
- Horizons
- Suppers Ready
- Firth of Fifth
- Los Endos
Das runde Jubiläum eines Klassikers und ein Rückblick auf das Solo-Schaffen.
STEVE HACKETT, Jahrgang 1950 und ab 1971 für insgesamt sechs Studio-Alben der Gitarrist von GENESIS, veröffentlicht bereits seit 1977 Solo-Alben, das erste sogar noch, als er noch Teil der Band war. Seit seinem Ausstieg später im Jahr 1977 ist HACKETT in Sachen Solo-Karriere jedoch deutlich weniger erfolgreich als die Band und auch als fast alle ehemaligen GENESIS-Kollegen, die seither musikalisch, sowohl als Solokünstler als auch als Band, wesentlich kommerziellere Pfade beschritten haben. Im Solo-Schaffen von STEVE HACKETT gibt es Alben, die den 70er Progressive Rock von GENESIS weiterspinnen, auf anderen experimentiert er mit Weltmusik, versucht sich an ruhiger akustischer Instrumentalmusik, spielt Blues, Jazz, Rock, New Artrock - und manchmal auch all das zusammen.
Seit Mitte der Neunziger hat STEVE Frieden mit seinem musikalischen Vermächtnis geschlossen und präsentiert Songs aus seiner GENESIS-Phase auf "Genesis Revisited" in neuen Studioversionen. Das Album verkauft sich sehr gut und STEVE HACKETT führt die Songs auch live wieder erfolgreich auf. Allein von dieser Tour gibt es zwei Live-Alben und eine DVD. Die Rückbesinnung auf seine GENESIS-Jahre pusht auch den Erfolg seiner Alben mit eigenem Material, die er weiterhin in regelmäßigen Abständen veröffentlicht. Live gibt es nun neben Solo-Stücken immer mal mehr, mal weniger Songs der Ex-Band zu hören; ebenso Konzertreisen und dazugehörige Livealben, auf denen einer der Klassiker komplett aufgeführt wird.
Was uns zu vorliegendem Live-Album bringt. Wie der Name schon sagt, gibt es hier das von vielen als eines der besten klassischen Progressive-Rock-Alben angesehene 1972er-GENESIS-Werk "Foxtrot" 2022 zum fünfzigsten Jubiläum in voller Länge - "Foxtrot At Fifty" eben.
Bevor der runde Geburtstag gefeiert wird, gibt es auf der ersten CD, bzw. der ersten Hälfte des Konzertes aus der ehrwürdigen Küstenstadt Brighton, einen Querschnitt durch "Hacketts Highlights". 'Ace Of Wands', der Opener seines Solo-Debüts "Voyage Of The Acolyte", eröffnet den STEVE HACKETT-Teil des Konzerts und der Abschlusstrack eben jenes Albums, 'Shadow of the Hirophant', beendet diesen. Dazwischen befinden sich stilistisch unterschiedliche Lieder, wie das fast schon unverschämt poppige 'Every Day', auf welches das schräge, jazzrockige 'A Tower Struck Down' folgt. Ebenso enthalten ist ein kurzes Bass-Solo und ein Stück seines letzten Studio Albums von 2021. Und wenn man 'Camino Royal' hört, weiß man, wo jüngere Prog-Bands, wie THE TANGENT oder THE FLOWER KINGS, ihre Inspirationen herhaben, Prog-Jazz-Pop-Rock galore!
Man darf allerdings keine Allergie gegen Blechbläser haben, denn das Saxophon nimmt hier schon eine Menge Raum ein. All das klingt trotz der stilistischen Unterschiede wie aus einem Guss, ist kompetent mit viel Seele gespielt und der Sound ist natürlich absolut erstklassig.
Die letzten Töne von '...Hirophant' verklingen... und dann, nach der Hälfte des Konzerts, geht die Geburtstagsparty los! "Foxtrot" in its entirely. Die einleitenden Mellotron-Sounds des Album-Openers 'Watcher In The Sky' ziehen einen sofort in den Bann, bevor nach zwei Minuten Schlagzeug und Bass einsetzen und das Lied Fahrt aufnimmt. Die Stimme von Sänger Nad Sylvan liegt genau in der Schnittmenge von PETER GABRIEL und PHIL COLLINS. Was als Allererstes auffällt, ist, dass der Bass nicht mehr so in den Vordergrund "hüpft", wie er das auf den 50 Jahre alten Originalaufnahmen tut, und die Gitarre etwas mehr Raum einnimmt und rockiger klingt als damals. Sonst hält sich die Performance eng an das Original. Die Song-Reihenfolge des Albums wird beibehalten, so dass man nun mit 'Time Table' in die Zeit der Ritter und Sagen zurückkatapultiert wird – erzählt aus der Perspektive eines Eichentischs. Mit 'Get 'Em Out By Friday' wagt man sich textlich, nach Aliens und dem Mittelalter, an ein dystopisches Mietdrama, die Musik schwankt zwischen ruhig und rockig und untermalt den Text auf wundervolle Weise. Eine zu Unrecht vergessene Perle im GENESIS-Songbook, was im Übrigen auch für 'Can Utilities And The Coastliners' gilt. Beide Stücke verdienen es, neu entdeckt zu werden! 'Horizons' ist dann eine akustische Fingerübung HACKETTs und schließt den Song-orientierten Teil des Albums ab, beziehungsweise leitet über in das Opus Magnum...
Meine Damen und Herren, es ist angerichtet: 'Supper's Ready'! Über dieses Stück sind Aufsätze geschrieben und hunderte Forenseiten gefüllt worden. Diesen, im Original knappe 23 Minuten langen, in sieben Abschnitte unterteilten Klassiker des Progressive Rocks kann man nicht beschreiben, man muss ihn hören, fühlen, erleben. Zu versuchen, die Musik in Worte zu fassen, wäre ebenso sehr zum Scheitern verurteilt, wie der Versuch, zu Architektur zu tanzen. Gleiches gilt für den Text. Eine Geistererscheinung? Auseinandersetzung mit dem Elternhaus? Eine Schlacht? Religion und Gott? Bitte sehr, ist alles drin. Live hängt STEVE HACKETT an das Ende des letzten Teils 'As Sure As Eggs Is Eggs (Aching Men's Feet)' noch ein ausuferndes, starkes Gitarrensolo an und beschließt damit die Aufführung des Meisterwerks.
Zwei Zugaben aus Band-Tagen folgen. Einer der wohl bekanntesten prä-80er GENESIS-Songs 'Firth of Fifth', der hier mit einigen jazzigen Noten verziert und einem Schlagzeugsolo verlängert wird, geht fast nahtlos in das Instrumental 'Los Endos' über. Und damit klingt ein Konzertmitschnitt voller Nostalgie aus. Obwohl Mr. HACKETT dem Material hier und da einige neue Facetten abgewinnt und es soundtechnisch in die Moderne bringt, geht er zu 100% respektvoll mit dem Erbe seiner eigenen Legende um. Und wer, wenn nicht er, der diese Werke mit geschaffen hat, darf als Gralshüter der alten GENESIS die Vergangenheit in die Gegenwart transportieren?
Im Vergleich zum Original ist der Sound der Instrumente, egal ob wir über Bass, Gitarre oder das Keyboard reden, natürlich an den 2022er Zeitgeist angepasst, der leicht spinnerte "old English charme" des Originals ist jedoch weiterhin spürbar, aber das Klangbild ist, zumindest für heutige Hörgewohnheiten, deutlich stimmiger.
Ich habe "Foxtrot" und die alten GENESIS vor über 30 Jahren kennengelernt, die Alben seit gut 15 Jahren nicht mehr wirklich gehört. Das Wiederhören hat sich angefühlt, als hätte man nach zig Jahren zufällig einen alten Freund wieder getroffen. Und, ja, man hat sich etwas verändert, aber trotzdem sofort wiedererkannt und gleich wieder eine alte Verbundenheit gespürt. Der Klang des Albums ist überragend, jedes Instrument ist jederzeit klar herauszuhören, das Material klingt trotz aller Perfektion lebendig und es macht auch ohne den Nostalgie-Faktor einfach Spaß, der Band und dem Ausnahmegitarristen HACKETT zuzuhören. Ein Album zum Genießen! Mir liegt nur die Audioversion vor, das physikalische Album enthält ebenfalls einen visuellen Mitschnitt des Auftritts, so dass man dem mittlerweile 73-jährigen Gitarristen aus dem heimischen Wohnzimmer genau auf die Finger schauen kann. Zwar kann man sich die Frage stellen, ob man nun von STEVE HACKETT ein weiteres (Live)Album mit dem Schwerpunkt auf seiner Zeit bei GENESIS braucht, da sich davon ja schon einige in seiner Diskografie befinden - aber das muss jeder selbst entscheiden. Abgesehen davon, dass es einige Überschneidungen mit vorherigen Live-Alben gibt, ist dieses Album ohne Wenn und Aber 9 Punkte wert.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Maik Englich