HALFORD - Winter Songs
Mehr über Halford
- Genre:
- Heavy Metal
- Label:
- Metal God Records / Warner
- Release:
- 20.11.2009
- Get Into The Spirit
- We Three Kings
- Oh Come, O Come Emanuel
- Winter Song
- What Child Is This?
- Christmas For Everyone
- I Don't Care
- Light Of The World
- Oh Holy Night
- Come All Ye Faithful
Der Metal-God huldigt dem Kollegen an höherer Stelle mit einer Kollektion weihnachtlicher Klänge.
Die christliche Welt feiert bald Weihnachten, wie es der Brauch ist, und ein großer Teil der metallischen Welt steht teils angewidert, teils einfach gestresst daneben und hofft, dass der bis zum Anschlag kommerzialisierte Spuk bald vorbei ist. Ein anderer Teil der Metalwelt spielt mit und hört der Engel Chöre beim Jubilieren zu, und nach T.S.O., MANOWAR und TWISTED SISTER, ist es heuer der Metalgott höchstselbst, der eine CD zu Ehren der Geburt des Sohnes seines noch bekannteren Kollegen eingespielt hat. Diese Scheibe hört auf den Namen "Winter Songs" und enthält in etwa zu gleichen Teilen eigene Stücke und Fremdkompositionen traditioneller Weihnachtslieder und anderer, thematisch passender Stücke.
Der Opener 'Get Into The Spirit' ist dabei gleich mal ein echter Hinhorcher, handelt es sich doch um einen echten, dynamischen Metalsong mit ein paar fetten Riffs, schöner Leadgitarre und auch dem einen oder anderen Scream. All das führt dazu, dass das Stück auch auf den bisherigen regulären Studioalben Rob Halfords eine sehr gute Figur abgegeben hätte. Wirklich ein tolles Stück! Mit 'We Three Kings' (John Henry Hopkins Jr.) und 'Oh Come O Come Emanuel' (John Mason Neale) folgen zwei sehr religiös ausgerichtete traditionelle Weihnachtslieder aus dem 19. Jahrhundert, die auf jeden Fall ihren Charme haben. Ersteres ist sehr flott, dynamisch und harmonisch, während zweiteres ernster und würdiger klingt und vermutlich seine Wurzeln in der Gregorianik des 8. Jahrhunderts und einem franziskanischen Motiv aus dem Frankreich des 15. Jahrhunderts hat.
Mit 'Winter Song' folgt dann erstaunlicherweise das Cover eines erst ein Jahr alten Stückes aus der Feder der amerikanischen Sängerin und Pianistin Sara Bareilles, das sich sehr balladesk und aus meiner Sicht etwas spannungsarm gibt. Nett zum nebenbei hören, aber nicht mehr. Danach wird wieder die Zeitmaschine angeworfen und wir landen im englischen Bristol inmitten des 19. Jahrhunderts, als William Chatterton Dix den Hymnus 'What Child Is This?' verfasste, der zur Melodie des Traditionals 'Greensleeves' aus dem 16. Jahrhundert gesungen wird. Hier ist zwar die Schwelle zum Kitsch schon bedrohlich nahe, aber irgendwie macht ein Lied mit dieser tollen, klassischen Melodie einfach immer Spaß. Wenn dann allerdings die Weihnachtsglocken erklingen und Herr Halford doch tatsächlich eine unsagbar kitschige und unsagbar flache weihnachtliche Volkstümelei wie 'Christmas For Everyone' anstimmt, dann ist wirklich alles zu spät. Zum Glück ist der gruselige Spuk nach drei Minuten vorbei und es folgt mit der weiteren Eigenkomposition 'I Don't Care' wieder etwas, das irgendwo zwischen ALICE COOPER und alten DEEP PURPLE rockt und sich augenzwinkernd damit befasst, dass der Haussegen schon mal schief hängen kann, wenn man am Heilig Abend zu spät zu Hause beim Schätzle aufschlägt und selbiges, wenn's ganz dumm läuft, dann bereits mit Joe durchgebrannt ist.
Gerade noch mal die Kurve gekriegt, schmettert uns der Meister dann mit 'Light Of The World' eine waschechte Ballade entgegen, die weder schlecht noch spannend, weder zu kitschig aber auch nicht wirklich emotional ergreifend ist. Zum Schluss gibt es dann noch zwei Fremdkompositionen aus der Urgroßväter-Zeit; zum einen das 'Oh Holy Night' (1847) des französischen Komponisten Adolphe Adam, zu dem der Unitarier John Sullivan Dwight 1855 einen englischen Text verfasste. Den Abschluss bildet das triumphale 'O Come All Ye Faithful' ('Adeste Fidelis', komponiert im Jahre 1743 von John Francis Wade), das man trotz allen Pomps und aller Glorie gar nicht wirklich schlecht finden kann.
So bleibt zusammenfassend ein erwartungsgemäß zwiespältiger Eindruck. Natürlich singt Rob Halford großartig und auch die Produktion wurde von Roy Z zwar dem Anlass entsprechend ein wenig weich gezeichnet, ist aber doch ordentlich metallisch in Szene gesetzt. Wer indes grundsätzlich der Meinung ist, dass Metal und Weihnachtslieder unvereinbar sind, der wird natürlich schreiend Reißaus nehmen, wie auch bei T.S.O. und Konsorten. Wer hingegen die Koproduktion zwischen Jon Oliva und Paul O'Neill schätzt, der bekommt hier eine ähnliche Stimmung mit etwas weniger Bombast geliefert, was für Rocker mit einem Rest von Weihnachtsromantik vielleicht gar nicht schlecht ist. Wenn Rob Halford allerdings höchstselbst zu "Winter Songs" sagt, er habe schon immer mal ein Album mit Weihnachtsliedern machen wollen, dann fragt man sich, warum er vierzig Jahre damit gewartet hat. Ich sitze irgendwo zwischen den Fronten: Zwar schlägt mich die Weihnachts-Romantik nicht umgehend in die Flucht, aber einen allzu großen emotionalen Bezug hierzu kann ich weder selbst entwickeln, noch nehme ich ihn der Band wirklich ab. Es hat sich inzwischen wohl rumgesprochen, dass sich sowas inzwischen auch in Metal-affinen Kreisen ganz ordentlich verkauft. Ob die vielen Totenköpfe im Booklet den einen oder anderen Lametta-Freund erschrecken werden, bleibt abzuwarten. Wer seinen Metal kitschfrei und ohne fluffigen Weihnachtsschmonz haben will, der lässt besser die Finger weg.
Anspieltipps: Get Into The Spirit, I Don't Care, Come All Ye Faithful
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle