HAWKWIND - Hall Of The Mountain Grill
Mehr über Hawkwind
- Genre:
- Psychedelic Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- EMI
- The Psychedelic Warlords (Disappear In Smoke)
- Wind Of Change
- D-Rider
- Web Weaver
- You'd Better Believe It
- Hall Of The Mountain Grill
- Lost Johnny
- Goat Willow
- Paradox
- You'd Better Believe It (Single-Version)
- The Psychedelic Warlords (Single-Version)
- Paradox (Single-Version)
- It's So Easy
Ich sitze gerade vor meinem PC und frage mich angesichts meines jugendlichen Alters von dreißig Jahren, ob es denn wohl angemessen ist, wenn gerade ich ein Review zu einer Scheibe tippe, die bereits ein Jahr vor meiner Geburt erschienen ist. Aber irgendwie muss ich ja meine Euphorie mit euch teilen, und da ich ohnehin den Eindruck habe, dass HAWKWIND in der Metalszene leider nicht den Ruf und Stellenwert haben, der ihnen eigentlich gebührt, mache ich mich mal an die undankbare Aufgabe und versuche, euch einen der größten Klassiker der mittlerweile langsam aber sicher aufs vierzigste Bandjubiläum zusteuernden Legende des Space Rocks näher zu bringen. HAWKWIND sind nämlich weit mehr als nur die ehemalige Band von Lemmy oder eine obskure Inspirationsquelle für Proggies wie Arjen Lucassen und diverse abgefahrene Doomköpfe. Die britische Band ist meiner bescheidenen Meinung nach eine der wichtigsten und einflussreichsten Rockbands der Sechziger und Siebziger und muss sich insoweit hinter nichts und niemandem verstecken. Völlig gleich, ob es BLACK SABBATH, DEEP PURPLE, LED ZEPPELIN, RUSH, URIAH HEEP, PINK FLOYD oder JUDAS PRIEST sind, HAWKWIND haben sich nach 38 Jahren und ebenso vielen offiziellen Alben ihren Platz unter diesen Rock-Ikonen redlich verdient.
Doch nun zu "Hall Of The Mountain Grill": Schon der bizarre Titel und das Science-Fiction-Artwork legen nahe, dass wir es hier mit ziemlich abgefahrenen Sounds zu tun haben, und dass sich die Herren eher mal gar nicht um die Konventionen der Rockmusik scheren. So begrüßt uns bereits als Intro zum Überklassiker 'Psychedelic Warlords (Disappear In Smoke)' ein wabernder Space-Synth, bevor Dave Brocks rockiges Gitarrenspiel und Lemmys schon damals einzigartiger Basssound einsetzen. Die Instrumentalpassagen mit den Synths von Simon House und Del Dettmar sowie Nik Turners Saxophon sind mit das Psychedelischste und Abgefahrenste, was die Rockmusik bis dato hervorgebracht hat, und wenn drei absolut charismatische Sänger wie Dave Brock, Lemmy Kilmister und Nik Turner sich das Mikro reichen, dann dürfte klar sein, dass hier kein Mangel an Abwechslungsreichtum und Wiedererkennungswert herrscht. Beim völlig genialen Instrumental 'Wind Of Change' führen uns Triple-Synth-Attacke inklusive Mellotron, Simon Kings abgedrehtes Drumming und Simon Houses Geigenspiel auf eine Odyssee durchs Weltall. Diese Stimmung greift D-Rider absolut gekonnt auf. Der Gesang von Nik Turner ist hier total entrückt, der Refrain mit Flanger-Effekten zugepackt, dazu kommt Nik mit schrägen Sounds auf Saxophon und Oboe an. Dabei bringen HAWKWIND das Kunststück fertig, trotz aller Abgedrehtheit für die damalige Zeit richtig heavy und intensiv zu wirken. Sie verlieren trotz ihrer ausladenden und teilweise fast überladenen Arrangements nie das Essenzielle eines Songs aus den Augen, auch wenn jene Komposition auf den ersten Blick mehr wie ein bizarrer Trip wirken mag als wie ein Lied im herkömmlichen Sinne. Erstaunlich ist vor allem, was für Sounds die Musiker aus ihren analogen Synths locken. Zum Teil klingen die Geräte wie ein vierter Sänger, sie schreien, sie klagen, sie wabern, sie wallen und sie klingen niemals kitschig. Eine schöne Mischung aus Synths, zwölfsaitiger Akustikgitarre, E-Gitarre, Piano und sanftem Gesang bietet uns 'Web Weaver', bevor uns im Intro zum nächsten Hit 'You'd Better Believe It' frühe Droning-Experimente begegnen. Der Song selbst zeigt uns im Riffing und in Lemmys kurzen Gesangsbeiträgen, wo der MOTÖRHEAD-Sound seine Wurzeln hat, und die minutenlangen Improvisationen im Mittelstück sind eh nicht von dieser Welt.
Das instrumentale Titelstück geht kompositorisch und instrumental voll auf die Kappe von Simon House. Es beginnt mit klassischem Klavierspiel, bevor wabernde Synths und sehnsuchtsvolle Geigenparts die Angelegenheit in perfekte Begleitmusik für Science-Fiction-Filme aus dem Hause Kubrick verwandeln. Es folgt mit 'Lost Johnny' die Urversion eines Stückes, das Lemmy später für MOTÖRHEADs Debüt zweitverwertet hat. Lemmy singt hier komplett selbst und spielt neben dem Bass auch Rhythmus- und Leadgitarre, so dass es kaum verwundert, dass die Parallelen zu seiner späteren Band hier am offensichtlichsten sind. Man stelle sich dazu nur noch einige kräftige Flanger-Effekte, schräge Synths und ein paar Sax-Melodien vor, welche die Motörköpfe später wegrationalisiert haben. Als Einleitung zum großen Finale fungiert Del Dettmars sehr bizarres Synth-Ambient-Experiment 'Goat Willow', zu dem sich gegen Ende noch Cembalo-Klänge und eine Flötenmelodie von Nik Turner gesellen. Eine perfekte Einleitung für den regulären Rausschmeißer 'Paradox', der für HAWKWIND-Verhältnisse recht straight abrockt, dabei aber natürlich auch wieder richtig nach intergalaktischen Trips klingt. Die mir vorliegende CD-Wiederveröffentlichung aus dem Hause EMI enthält dann noch vier Bonustracks, darunter das völlig geniale und richtig heavy rockende 'It's So Easy', das nicht auf dem Album vertreten ist, sowie alternative Single-Versionen der Albumtracks 'Psychedelic Warlords', 'Paradox' und 'You'd Better Believe It'.
Nehmt euch einen Kopfhörer und lasst euch von HAWKWIND auf ihren Trip mitnehmen, ich bin mir sicher, dass ihr es nicht bereuen werdet, denn auf "Hall Of The Mountain Grill" vereinen die Herrschaften all das, was meiner Meinung nach einen zeitlosen Klassiker der Rockmusik ausmacht. Die Band ist innovativ und progressiv, einzigartig und fesselnd, heavy und kompromisslos. Ihre Kompositionen sind eingängig und doch ausufernd, sie sind emotional und haben unglaublich viel Tiefgang. Kurz: Diese Scheibe ist eigentlich ein Muss für jeden geschichtsbewussten Rockfan und ermöglicht es dem Hörer, unendlich tief in unbekannte Soundwelten abzutauchen. Ob ihr von dem Trip noch mal runterkommt, ist allerdings fraglich ... ;-)
Anspieltipps: Psychedelic Warlords, D-Rider, You'd Better Believe It, Lost Johnny, It's So Easy
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle