HAWKWIND - Onward
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2012
Mehr über Hawkwind
- Genre:
- Psychedelic Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Plastic Head
- Release:
- 30.04.2012
- Seasons
- The Hills Have Ears
- Mind Cut
- System Check
- Death Trap
- Southern Cross
- The Prophecy
- Electric Tears
- The Drive By
- Computer Cowards
- Howling Moon
- Right To Decide
- Aero Space Age
- The Flowering Of The Rose
- Trans Air Trucking
- Deep Vents
- Green Finned Demons
- The Mystery Track
Die Space-Rock-Urväter zeigen sich im 43. Jahr nach der Gründung unbeirrbar und umstritten wie eh und je.
Nach sage und schreibe 43 Jahren im Geschäft legt die Space-Rock-Legende um Gründungsmitglied, Sänger, Gitarrist und Mastermind Dave Brock ihr mittlerweile circa fünfundzwanzigstes Studioalbum vor, das auf den Namen "Onward" hört. Gab es in den Jahren 1997-2009 eine kleine kreative Durststrecke mit nur einem neuen Studioalbum, so will man den Briten auch glauben, dass es weiter geht, denn mit dem zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends hat die Maschine wieder Fahrt aufgenommen und scheint zu einem flotten Veröffentlichungsrhythmus zurück gekehrt.
War die 2010er-Scheibe neben einigen tollen Songs auch mit sehr viel rein elektronisch fiependen Krimskrams versehen, stellt sich indes die Frage, ob sich das 2012 geändert hat, sprich, ob die kompositorische Kreativität wirklich dem Veröffentlichungsrhythmus standhalten kann, oder ob sich wie schon in den 80ern und 90ern starke Qualitätsunterschiede im Material bemerkbar machen. Der Auftakt sorgt beim Skeptiker unter den Fans erst einmal für Entwarnung, haben uns Dave und seine Mannen doch gleich zu Anfang drei richtige Songs auf die Scheibe gepackt. Wie gewohnt mischen sich flächige Gitarrenriffs mit Synth-Sounds nach Art des Captain-Future-Soundtracks, dazu Dave Brocks markante, entschwebende Stimme und etliche sehr coole Hooks, die von Flanger- und Synth-Sounds ins Nirvana gebeamt werden. In dieser Weise präsentieren sich die beiden ineinander übergehenden Songs 'Seasons' und 'The Hills Have Ears', während sich an dritter Stelle mit 'Mind Cut' ein veritabler Akustikrocker befindet, wie man ihn von HAWKWIND auch nicht alle Tage oder Jahre hört. Irgendwie schlägt die Band hier mit einer massiven 60er-Schlagseite sogar den Bogen zu ihrem 1970er Debütalbum.
Dass Roboterstimmen, Sphärenklänge und Hörspiel-Elemente aus der Sci-Fi-Abteilung bei HAWKWIND nicht fehlen dürfen, bekommt der Hörer dann im Mittelteil des Albums je nach Präferenz schmerzhaft zu spüren oder behutsam erklärt, während das Remake des 1979er-"PXR5"-Klassikers 'Death Trap' gelungen eine Anknüpfung an die zweite große Bandphase liefert. Auch wenn das natürlich nicht der Kreativität letzter Schluss ist, so ist es doch inzwischen eine lieb gewonnene Tradition im Hause HAWKWIND, die immer wieder für gute Laune sorgt. Im weiteren Verlauf gehen dann sphärische, manchmal etwas zu lange und unstrukturierte Instrumentale wie 'Southern Cross', entspannte Triprocker wie 'The Prophecy', wirre und anstrengende Klang-Collage wie 'The Drive By' und allerlei mehr experimentelles Gedudel, Gewaber und Geschwebe Hand in Hand, sodass - wie meistens - selbst der erklärte HAWKWIND-Fan immer wieder aussteigt, dann aber auch regelmäßig wieder zurück geführt wird in die einzigartige Soundwelt der Band.
Denn was immer wieder klar wird, ist, dass diese Band, wenn sie wirklich rocken will, auch heute noch fast ausnahmslos coole und charismatische Rocksongs in die Meute fließen lässt, was eben auch ein kleines Horror-Atmosphären-Experiment wie 'Computer Cowards', ein Good-Time-Punker wie 'Right To Decide' oder eine dunkle, wavige Hymne wie 'Aero Space Age' belegen. Das großartige Finale mit dem epischen 'Green Finned Demons', das in dieser Weise auch durchaus auf "Warrior On The Edge Of Time" neben 'Assault & Battery' eine gute Figur gemacht hätte, und dem dramatischen Achtminüter und intensiv gesprochenen bzw. gesungenen Schlusspunkt 'The Mystery Track', stellen dann wohl auch die letzten Zweifler im Lager der HAWKWIND-Jünger zufrieden und machen "Onward" zu einem richtig starken Album in der Diskographie der Band - ja, vielleicht sogar zum besten Scheibchen der Band seit dem 1995er-Meisterwerk "Alien IV".
Damit all das Vorstehende für euch gelten kann, solltet ihr aber in der Tat entweder passionierter HAWKWIND-Fan sein, oder aber ein sehr offenes Ohr für verdrogte, wabernde, spacige, abgedrehte, bisweilen ziellos schwebende Klänge haben, die immer wieder in rockige, straighte Sphären zurückkehren, nur um sich wieder in den Weiten des Alls zu verlieren. Wer diese Tendenz in sich nicht spürt, der kann von HAWKWIND - wie sonst, so auch auf diesem Album - auch leicht sehr schnell genervt sein. Das muss ich anerkennen, und so ist, was für mich ein echtes Highlight ist, für manch anderen vielleicht eine schlimme Tortur.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle