HEILUNG - Drif
Mehr über Heilung
- Genre:
- Ritual / Folktronica / Experimental Theater
- ∅-Note:
- 6.00
- Label:
- Season Of Mist
- Release:
- 19.08.2022
- Asja
- Anoana
- Tenet
- Urbani
- Keltentrauer
- Nesso
- Buslas Bann
- Nikkal
- Marduk
Wiederholte Enttäuschung.
Auf den dänischen Musiker Christopher Juul und die norwegische Sängerin Maria Franz wurde ich bereits aufgrund ihres Wirkens bei VALRAVN und EUZEN aufmerksam. Die schönen Kompositionen des Keyboarders und die außergewöhnliche Stimme Marias gepaart mit ihrem Charisma schenkten sowohl mir als auch meiner Tochter unvergessliche Momente, seien es mitreißende Livekonzerte, Tanzen im Mondschein oder Mitsingen im Auto. Leider konnten weder ich noch mein Sprössling unsere Begeisterung auf das 2014 entstandene Projekt HEILUNG übertragen, an welchem desweiteren der deutsche Tätowierer Kai-Uwe Faust beteiligt ist und das weltweit Beachtung findet, obgleich ich der Stilrichtung grundsätzlich zugetan bin.
Bereits bei dem Debütalbum "Ofnir" aus 2015 beschlich mich das Gefühl, dass die beiden erstgenannten Künstler nicht wie bei den Vorgängerprojekten glänzen, sondern ihre Begabungen eher minimalistisch genutzt werden. So verschwindet Marias Charisma regelmäßig hinter einer Maske und ihre Stimme kommt vergleichsweise selten voll zum Einsatz. Selbst ihre Bewegungen wirken enorm reduziert, was ich beim Midgardsblot 2019 bezeugen durfte. Man mag dagegen halten, dass dies in der Aufführung der HEILUNG-Konzerte als Theater begründet sein mag, jedoch bevorzuge ich bei Livekonzerten eine natürliche Ausstrahlung der auftretenden Künstler kombiniert mit einem freien Fluss der Kreativität und Emotionen. Wenn mir der Sinn nach Theater steht, kann ich dieser Laune bei Bühnen wie in Schauspielerhäusern frönen, bei denen das Publikum es gewöhnt ist, die Aufführung grundsätzlich schweigsam zu genießen.
Das Nachfolgeralbum "Futha" aus 2019 konnte dieses Gefühl des Kleinhaltens der Talente nicht abschütteln. Das Livealbum "Lifa" vom Castlefest 2017 anzuhören, dazu konnte ich mich bis heute nicht durchringen. Ein finnischer Freund überredete mich nun also diesen Sommer, der Formation aufgrund des neuen einstündigen Albums "Drif" eine weitere Chance zu geben. Maria Franz würde mittlerweile viel mehr Platz im Projekt eingeräumt, wodurch sie mehr zum Scheinen käme. Da HEILUNG erneut im Line-up des vorgenannten Festivals enthalten war und ich aufgrund anderer Bands vor Ort war, versuchte ich erneut, das Konzert so unvoreingenommen wie möglich zu betrachten.
Leider wurde ich bereits nach wenigen Minuten von des Deutschen Art, zu vokalisieren, denn Singen mag ich es in diesem Fall nicht nennen, wie schon bei früheren Versuchen stark abgeschreckt. Für abwechslungsreichen Kehlgesang gibt es weitaus bessere Alternativen wie Enkhjargal Dandarvaanchig, auch kurz Epi genannt, den ich kurz zuvor in Leipzig erleben durfte. Selbst beim diesjährigen Midgardsblot waren diverse bessere Musiker, die diese Gesangskunst beherrschen, vertreten. Maria blieb weiterhin verhüllt und hatte meines Erachtens auch nicht mehr Raum zum Strahlen erhalten. Wenn sie singt, sind das natürlich schon exquisite Momente, doch bedauerlicherweise immer viel zu kurz und zu oft verdrängt von den unverträglichen Artikulationen der beiden Männer.
Demzufolge kann ich die Lieder 'Asja', 'Anoana', 'Nesso' und 'Nikkal' noch am ehesten empfehlen, weil Maria da am meisten zu vernehmen ist. Der achteinhalbminütige Monolog 'Keltentrauer' ohne musikalische Begleitung in der Mitte durchbricht das Album auf unpassende Weise und wird sicherlich häufig übersprungen. "Drif" beschäftigt sich übrigens im Gegensatz zu den beiden vorherigen Werken, welche dem prähistorischen Nordeuropa gewidmet waren, mit anderen rudimentären Zivilisationen außerhalb Europas. Kai-Uwe Faust führt dazu aus: "Mit dem Singen dieser ursprünglichen Lieder möchten wir diesen Kulturen Tribut zollen, uns wieder mit den Anfängen verbinden und uns daran erinnern, dass wir alle, von Ost bis West, von Vergangenheit bis Gegenwart, durch den Austausch von Ideen und gegenseitige Inspiration verbunden sind." Ein hehres Ziel, zu welchem die Saat hoffentlich aufgeht. Der außereuropäische Anteil im Klangbild stößt zumindest bei mir auf offene Ohren.
Sich das Album "Drif" daheim in Ruhe anzuhören, half aber auch nur wenig, die bisher gewonnenen Eindrücke zu verflüchtigen. Bleibt mir wohl nur zu hoffen, dass es tatsächlich irgendwann auch eine neue Veröffentlichung von EUZEN geben wird, wie vor geraumer Zeit von der Norwegerin in der Truppe verlautbart wurde. Allen HEILUNG-Liebhabern, die bald ein Konzert der Europatour besuchen werden, sei ans Herz gelegt, rechtzeitig zu erscheinen, denn mit EIVØR hat HEILUNG eine sichere Bank in Sachen Livemusik an Bord, die länderübergreifend das Publikum immer wieder auf's Neue begeistert, ebenso wie die innovative, energetische LILI REFRAIN, welche verdientermaßen zunehmend mehr Aufmerksamkeit geschenkt bekommt.
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Susanne Schaarschmidt