HEIRS - Fowl
Mehr über Heirs
- Genre:
- Noise/ Post Rock/ Industrial/ Ambient
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Denovali Records / Cargo Records
- Release:
- 15.10.2010
- Dust
- Fowl
- Burrow
- Tyrant
- Men
- Mother
- Drain
Offensichtlich eine Offenbarung.
Sollte sich jemand bei der Musik der Australier von HEIRS auf irgendeine Weise bedrängt fühlen, so werden aufmerksame weitere Nach-Hörer das durchaus körperlich nachempfinden können. Denn so schleichend klaustrophobisch hier die Töne der sieben Beiträge regelrecht angekrochen kommen, so unweigerlich zieht das Album einen in seinen morbiden und nebeligen Bann. Hat das Kollektiv der vier Seltsamlinge sich im Umpapier des zweiten Studioalbums um eine rotbärtige entwürdigte Männerfigur postiert, und starren sie so gemeinsam als Abgerückte inszeniert aus der jeweilig postierten Installation aus Teerfedern, Storchennest, Schlachterhandschuhen, so rechnet der Hörer nicht umsonst mit avantgardistischer Musik. Denn da gibt es Parallelelen: 'Fowl', das knapp zenhminütige Tielstück, watscht einem lässig fünf Minuten lang die hinhörende Gesichtshälfte, um uns dann unter hämischen Noise auch noch aus dem Beitrag zu rollen. Sauer? Das traust Du Dich gar nicht! Glaub mir!
'Burrow' beginnt zwar mit der scheinbaren Naivität einer einfachen Melodie, welche sich später jedoch in dem geradlinigen Stück wie eine Spur fast verliert. Übrig bleibt ein ausblähendes Urindustrievieh, welches schnaubt, kränkelt, bettelt und am Ende dann doch von überkommender Lautstärke erdrückt wird. Auch in den nächstfolgenden 'Men' und 'Tyrant' melancholieren die Mystiker monoton maschinell. Rauschend, Trance-Töne klopfend stirbt das tapfere Schlagzeug fast einen alleinig großmäulig inszenierten Tod, bevor da andere, rettende Töne der weiteren Mitglieder auch hier eine abschliessende Orgie auf dick gerührtem Industrialbrei zelebrieren.
Auch wenn sich das martialisch anliest, ist dieses Album eine weitere hervorragend gelungene Offenbarung eines kollektiv-melancholischen Seelenlebens, das die gebeutelten Australier auch schon auf mehreren ausgedehnten Touren nach aussen zu tragen wussten. Ein korrekt überholt rasierter Gitarrenhahn, eine grelle, überschminkte Bassistin mit dem Blick für das Kleine, Unwesentliche, ein schmallippiger, blasser Zweitgitarrist mit hohlen schlafdefizitären Augen, die abwesend vor sich hinstarren und ein Drummer und Programmierer, der in der stetigen Präsenz des HEIR'schen Mixes seinen Lebensinhalt gefunden zu haben scheint.
So demnach steht dort eine Linie finstrer und noch dazu stummer Musiker vor einem, die durch die Diskrepanz von Intensität und Stillstehen schier zur Verzweiflung treiben. Ist es in der Vorgängerplatte vor zweieinhalb Jahren noch mehr auf die Steigerungen in den Stücken der Fluchthelfer angekommen, so selbstverständlich finden sich auf "Fowl" keineswegs komprimiertere, un-zornigere Geschichten - das Gesamterlebnis zählt. Und bis auf ein positives strahlendes Motiv in 'Mother' sucht mann und frau einen naiven Lebenssprüh genauso vergeblich wie eine erklärende Vokalstimme. Der massive, lawinenartige Absturz der vorher penibel fest gezurrten Bergwände aus Lautmalereien wirkt fast in jedem der Fälle wie eine Befreiung.
Den HEIRS also ist der Moment wichtig, der gemeinsam immer wieder wach gerufene, der kollektiv erreichte, der mitfesselnde, allein lassende. Das wird überdeutlich - dies zu transportieren, ist hohe Kunst, nun wieder ganz weit weg von der Avantgarde. Sehr zeitgemäß, sehr zeifressend. Ein tolles und wahnhaftes Erlebnis, dieses "Fowl".
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben