HELL - Human Remains
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2011
Mehr über Hell
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Nuclear Blast (Warner)
- Release:
- 13.05.2011
- Overture Themes From Deathsquad
- On Earth As It Is In Hell
- Plague And Fyre
- The Oppressors
- Blasphemy And The Master
- Let Battle Commence
- The Devil's Deadly Weapon
- The Quest
- Macbeth
- Save Us From Those Who Would Save Us
- No Martyr's Cage
Höllischer Kult
Ich weiß es noch wie heute, dass ich aufgrund eines Artikels über eine schlichte Single Mitte der Achtziger auf diese Band aufmerksam geworden bin. Das Problem war allerdings schon damals, dass dieses besagte Scheiblettchen bereits zum Erscheinungszeitpunkt kaum aufzutreiben war. Die Band mit dem klug gewählten Namen HELL verschwand dann relativ schnell von der Bildfläche, nachdem ihr Label Mausoleum kurz vor Veröffentlichung ihres Debütalbums die Segel streichen musste. Sänger und Antriebsfeder der Band, David Halliday, nahm sich tragischerweise 1987 das Leben und außer eben dieser Single und einigen Demoaufnahen hinterließ diese wegweisende Band keinerlei Material für die Nachwelt.
Das fast fertig gestellte Album schlummert zwei lange Dekaden in irgendwelchen Archiven, bis sich im Jahr 2008 Gitarrist Kev Bower mit den Originalmitgliedern Tim Bower (dr.) und Tony Speakman (bs.) dazu entschließt, das Album zu vervollständigen. Die drei finden zuerst in Martin Walkyier und Andy Sneap zwei prominente Mitstreiter, die schon seit ihren Tagen in SABBAT vom legendären Einfluss der Band HELL auf ihre Musik reden. Und in diesem Fall ist das nicht nur warmes Gelaber, denn David Haliday hat Andy Sneap in frühen Tagen Gitarrenunterricht gegeben. Ein Zirkel scheint sich zu schließen. Allerdings verlässt Martin die Band bald wieder, um von Kevs Bruder David im Jahr 2010 ersetzt zu werden. Der gute Mann ist Schauspieler und passt mit seiner theatralischen Mimik ganz ausgezeichnet zum düsteren Okkult-Image der Band.
Was ist nun dran an so einer vermeintlichen Kult-Band, bei der obendrein auch noch Andy Sneap nicht nur Gitarre spielt, sondern auch noch an den Reglern gedreht hat?
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Das Klangbild, welches Onkel Andy hier gezimmert hat, ist schön altmodisch modern. Alles klingt transparent und warm, ohne dabei in zu kauzig zu wirken. Man fragt sich, ob andere seiner Arbeiten auch so hätten klingen können, wenn die jeweiligen Künstler es gewollt hätten? Müßig, darüber länger nach zu denken.
Da können wir uns nun also entspannt nach hinten lehnen, die Faust schon mal auf Vorrat ballen, ein Pentagramm in den Teppich ritzen, der Miezemuschi des Nachbarn ein bisschen Blut abzapfen und 66:66 Minuten lang "Human Remains" fröhnen. Da ich einmal annehme, dass die meisten gar nicht wissen, was sie hier musikalisch erwartet, fange ich einfach bei Stunde Null an: HELL kombinieren Einflüsse aus … äh … schon falsch, denn, wenn man auf das Alter der Kompositionen schaut, ist es eigentlich anders herum. Denn meine erste Assoziation war eine Mischung aus MERCYFUL FATE und SABBAT. Daraus kann man schon mal ganz eindeutig zwei Dinge ablesen: Die Chose klingt sehr europäisch, hat ihre Wurzeln natürlich in solchen Größen wie JUDAS PRIEST und wir haben es mit anspruchsvoll-exzentrischen Kompositionen zu tun. Man kann bei den größtenteils recht langen Nummer sowohl gut das Haupt wackeln lassen, aber auch die Reise unterm Kopfhörer in dunkle Welten antreten und sich dabei ein bisschen verlieren. Das heißt: Die Songs zünden schnell, nutzen aber aufgrund ihre abwechslungsreichen Strukturen nicht schnell ab. Sehr fein.
Für schnelle Reinhörer empfehle ich neben dem fulminanten Opener 'On Earth As It Is In Hell' das rasante 'Let Battle Commence' als Einstieg. Zwei astreine Kopfschüttler mit Tiefgang. Bei intensiverer Belauschung fällt der zehn Minuten lange DEMON-Verbeuger 'The Devils Deadly Weapon' positiv in Ohrenschein. Ein Song, der die ganze HELL-Idee wunderbar umreißt, da er, wie auch andere Nummern, an die Vertonung einer Shakespeare-Inszenierung mit Jack-The –Ripper-Kulisse erinnert. Die dezent eingesetzten Tasteninstrumente bei dieser Nummer unterstützen diese Atmosphäre ganz ausgezeichnet. Und genau das zeichnet das gesamt Album aus: Atmosphäre. Erwartet keine halsbrecherischen Rhythmus-Kapriolen, nur, weil ich die dänischen Königskinder oben als Parallele angeführt habe. Die Briten gehen gradliniger vor, arbeiten mit tollen Backing-Vocal-Arrangements, die eine Eingängigkeit vorgaukeln, die vielleicht gar nicht vorhanden ist. Klasse.
Dass ausgerechnet die neue Version des Singlekrachers von damals – 'Save Us From Those Who Will Save Us' – auch heute mein Favorit ist, kann daran liegen, dass ich diese Nummer hundertfach angehört habe und noch immer nicht satt davon bin. Auf jeden Fall belegt es die Aussage, dass das Quintett nichts falsch gemacht hat und dass man "Human Remains" hoffentlich als späten Neustart und nicht als totgeborenen Grabgesang einer unnötigen Reunion betrachten darf. Ganz egal, wer da für welches Label produziert und wie überzogen CRADLE-OF-FILTH-ig das Video anmutet. I like it.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Holger Andrae