HELLOWEEN - 7 Sinners
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2010
Mehr über Helloween
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- SPV Records
- Release:
- 29.10.2010
- Where The Sinners Go
- Are You Metal?
- Who Is Mr. Madman?
- Raise The Noise
- World Of Fantasy
- Long Live The King
- The Smile Of The Sun
- You Stupid Mankind
- If A Mountain Could Talk
- The Sage, The Fool, The Sinner
- My Sacrifice
- Not Yet Today
- Far In The Future
Aus unbewaffneten, transmetallischen Gefilden zurück mit entwaffnend hartem und frischem Heavy Metal!
Da legt eine altgediente Band einmal in fünfundzwanzig Jahren die Waffen nieder, um zum Jubiläum ein Dutzend ihrer Klassiker in völlig unmetallischem Gewande neu zu interpretieren, und es dauert keine fünf Minuten, bis Nörgler und Spötter vom Untergang des metallischen Abendlandes faseln und der Band Verrat, kreativen Bankrott und den endgültigen Niedergang attestieren. Nimmt man die Nörgler etwas näher unter die Lupe, dann merkt man, dass es sich weitestgehend um Leute handelt, welche die Band noch nie mochten oder zumindest eh schon seit fünfzehn Jahren abgeschrieben haben. Wäre ich ein Bandmitglied, hätte mich das Gezeter vermutlich herzlich amüsiert, denn ich hätte ja gewusst, dass die Band mit ihrem kommenden Studioalbum all die Kritiker eines Besseren belehren würde.
Was HELLOWEEN 2010 ausmacht, das zeigt euch nunmehr "7 Sinners", und zwar nicht unbewaffnet, sondern mit entwaffnender Härte und unbändiger Energie. Das dreizehnte, reguläre Album der musikalischen Kürbiszüchter kommt unbeschwert, frisch und gut gelaunt aus den Boxen, und dabei klingt es dennoch heavy und metallisch bis zum Anschlag. Auf diese Weise knüpft es perfekt an das meines Erachtens beste Album der Deris-Ära, nämlich "Better Than Raw" an. Es erreicht dessen Härte und dessen Durchschlagskraft, mit schneidenden Riffs, verspielten Leadgitarren und Dani Löbles wuchtigem Schlagzeug, das laut Bandangaben komplett ohne Klick-Tracks eingespielt worden ist. So wird auch die die Schwere von "The Dark Ride" eingefangen, allerdings ohne dessen dunkle Atmosphäre weiter zu spinnen. "7 Sinners" ist lockerer und - um das in Kreisen metallischer Wahrhaftigkeit so viel gescholtene Attribut zu erwähnen - fröhlicher als der dunkle Ritt, aber keinesfalls flacher oder langweiliger.
Ganz gleich, ob es der schwere Groover 'Where The Sinners Go' zu Beginn ist, oder die als Single ausgekoppelte, harte Speed-Granate "Are You Metal?", die so gar nicht zu früheren Hitsingles der Band passen will - die Gitarren braten heftig und klingen dennoch natürlich und lebendig produziert. Ob das an der von Bandseite beschworenen, ungewöhnlichen Grundstimmung auf Kammerton 432 liegt, das kann ich mit meinem beschränkten Wissen über Musiktheorie und Akustik nur schwer beurteilen. Ich merke aber, dass "7 Sinners" auf jeden Fall eine tolle und nicht ganz alltägliche Produktion abbekommen hat, die weder dem weichgezeichneten und mit Zuckerguss überzogenen Euro-Melodic-Ideal entspricht, noch dem teils kalten und technoiden Sound manch moderner Power-Metal-Produktion. Wenn schon tiefer gestimmt, dann doch bitte so, oder nicht? Jedenfalls ist die 'Perfect Gentleman'-Forsetzung 'Who Is Mr. Madman?' ein positiv rockender Banger mit dynamischem und wuchtigem Sound, der unmittelbar in die Beine geht und dessen Refrain einfach nicht mehr aus dem Ohr will.
Nach diesem grandiosen Auftakt lassen auch das rock'n'rollige 'Raise The Noise' und der neuerliche Melodic-Speed-Anschlag von 'World Of Fantasy' aufhorchen, wobei letzteres den urtypischen HELLOWEEN-Stil perfekt in die Neuzeit transportiert. Vertrackter, rifflastiger und komplexer präsentieren sich Stücke wie 'Long Live The King', das MAIDEN-Chöre mit beinharten Thrash-Riffs verbindet und so durchaus eine neue Facette zum HELLOWEEN-Spektrum hinzufügt. Erst beim siebten Stück - der goldenen Mitte des Albums - mit dem halbballadesken 'The Smile Of The Sun', gibt es ein wenig Zeit zum Durchatmen. Doch auch hier geht es ruckzuck wieder heavy und auf die rhythmischen Riffs fixiert weiter, wenn das von Andi Deris in den Versen bewusst fies gesungene 'You Stupid Mankind' auch mit einigen orchestralen Einschüben den Weg für das ausladend arrangierte und recht fröhliche Melodic-Speed-Epos 'If A Mountain Could Talk' bereitet.
Das letzte Drittel der Scheibe eröffnet 'The Sage, The Fool, The Sinner' ähnlich melodisch, allerdings ein wenig rockiger und mit einem eigenwilligen Rhythmus, der fast ein bisschen funky anmutet. 'My Sacrifice' trägt mir in Sachen elegischer Anmut ein wenig zu dick auf, wobei das vielschichtige Finale mit dem atmosphärischen 'Far In The Future' diesen winzigen Durchhänger wieder wett macht. So bleibt ein gelungenes Album, das einmal mehr beweist, dass HELLOWEEN in dieser Form eine Band ist, die sich noch lange nicht damit zufrieden gibt, sich selbst zu kopieren und einer begrenzten Klientel das ersehnte Retro-Feeling zu servieren. Hier gibt es noch immer originelle Experimente, augenzwinkernden Humor und frischen Sound. So steht für mich weiterhin fest, dass HELLOWEEN die spannendste Band unter den alten deutschen Helden der Achtziger ist.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle