HELLSONGS - These Are Evil Times
Mehr über Hellsongs
- Genre:
- Akustik Pop / Folk-Rock / Indie
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Lovely Records
- Release:
- 30.08.2013
- Iron Man
- A Silence So Loud
- Engel
- Cold
- Animal Army
- Eyemaster
- Equality
- Oh, Rosseau!
- Stand Up And Shout
- Music Took My Life
Heiter bis wolkig: Raffinierte Metal-Cover (und mehr)
Etikettenschwindel! - könnte man zumindest meinen wenn man die Beschreibung "Lounge Metal" liest und anschließend "These Are Evil Times", das neueste Album des Original-Lounge-Metal-Begründers HELLSONGS zu hören bekommt. Von "Metal" ist auf dieser kunterbunten Scheibe mal so rein gar nichts zu hören. Doch Obacht, bloß nicht voreilig den Eject-Knopf drücken! Wer genauer hinhört, wird verblüfft feststellen, dass sich hinter den Folk-/Popsongs der Schweden tatsächlich diverse knallharte Metalklassiker verstecken, welche in Göteborg aber zur Unkenntlichkeit entkernt, kandiert und neu ausgebacken wurden. Das Ergebnis ist besagter Lounge Metal, die radikale Neuinterpretation einiger der bekanntesten Gassenhauer der vergangenen drei Metal-Jahrzehnte.
Insidern muss man die Vorgehensweise von HELLSONGS natürlich nicht weiter erläutern, doch auch die Fans des abermals umformierten Duos werden überrascht sein: Auf "These Are Evil Times" teilen sich die Coverversionen fifty-fifty den Platz mit den ersten selbstkomponierten Songs der Skandinavier. Stilistisch mischen sich diese ganz selbstverständlich unter die neu interpretierten Klassiker, und somit ergibt sich ein homogenes Gesamtbild, ein gemütliches, teils fröhlich-unbefangenes, teils ruhig-ernsthaftes Akustik-Popalbum.
Gerade bei Coverversionen führt kein Weg daran vorbei, die einzelnen Stücke genauer unter die Lupe zu nehmen, wobei die nordeuropäischen Kreativköpfe den Erwartungen gerecht werden und bei der fundamentalen Neuausrichtung der Originale die mittlerweile gewohnt hohe Qualität abliefern: Von den Songs bleiben oftmals nicht mehr als die Texte und einzelne Melodiefragmente übrig – und bilden gerade dadurch oft erstaunlich einleuchtende Gegenpole zu ihren Vorlagen. Es grenzt schon an Genialität, wie DIOs Evergreen 'Stand Up And Shout' zu einer folkloristischen Lagerfeuerballade transformiert wird, oder wie sich 'Iron Man' von BLACK SABBATH urplötzlich in ein schmissiges Ska-/Folk-Rock-Gewand gekleidet wiederfindet. Und selbst die ultrabrutalen Nachbarn der Göteborger, namentlich ENTOMBED und AT THE GATES, lassen gewaltig Federn: Aus dem wüsten 'Cold' wird eine mittelalterlich anmutende Akustikballade, in der My Engströms Stimme das melodische Riff der Vorlage aufgreift, und 'Eyemaster' reift heran zu einem von zarten Pianoklängen getragenen Klagelied – ja, es funktioniert, denn warum soll der blasphemisch-überhebliche Protagonist nach seinem euphorischen Kreuzzug durchs Leben nicht altersgereift ernüchtert über seine leichtsinnigen Jugendsünden grübeln? HELLSONGS steht also weiterhin für scheinbar grenzenlos kreative Wiedervorlagen betagter Metal-Evergreens – nur mit RAMMSTEINs 'Engel' greift die Band zur Abwechslung einmal vollkommen daneben: Ist schon das Original alles andere als eine typische NDH-Hymne des größten deutschen Metal-Exports, schlägt auch das Cover in eine unangenehm schräge Kerbe, als folkloristischer Kirmes-Pop mit Hammondorgeln und deutschen Lyrics mit stark skandinavischem Akzent. Irgendwie ist 'Engel' auch viel zu nah dran an seiner Vorlage, und kann gegenüber der RAMMSTEIN-Single daher nicht wirklich punkten. Ein Ausrutscher, der der Band verziehen sei.
Die fünf Eigenkompositionen toben sich auf vergleichbarem Terrain aus wie die Coverversionen, und machen auf alle Fälle Laune, mal verträumt beschwingt ('A Silence So Loud'), mal nachdenklich-tiefschürfend, wie beim introvertierten Ambient-Chanson 'Animal Army'. Das naiv poppige 'Equality' fällt etwas anstrengend aus, während 'Oh Rosseau' mit seinem ruhigen 60er-Folk Rock ganz gekonnt den Prä-Woodstock-Vertretern wie PETER PAUL AND MARY huldigt und deren hoffnungs- und friedvolle Klangwelten aufleben lässt. Mit 'Music Took My Life' beschließt ein wunderschönes, ehrlich-intimes Lied dieses kreative Feuerwerk, in dem die Wirkung und die essenzielle Bedeutung von Musik für die Künstler von HELLSONGS besungen werden. Ganz ehrlich: Wer bei Zeilen wie "Sitting on my room, rewinding the cassettes by hand..." nicht einen sofortigen Nostalgie-Flash erleidet und beim Refrain "Music took my life, and gave it colours I’ve never seen before; being both my drug, and my medicine, lifted me up high..." nicht mit Ganzkörpergänsehaut ergriffen in den Sessel sinkt und andächtig mitflüstert, wird Musik ohnehin nur als vorbeiplätscherndes Hintergrundrauschen wahrnehmen – alle anderen würden diese Zeilen sofort unterschreiben, einrahmen und übers Bett hängen.
"These Are Evil Times" ist also alles andere als ein reines, augenzwinkerndes Coveralbum. Die Schweden von HELLSONGS huldigen einerseits mit ihrem teils tiefgründigen Folklore-Pop den Metal-Größen dieses Planeten, bieten uns aber vor allem ein stimmungsvolles Lounge-Paket, wie geschaffen für die späten Stunden einer denkwürdigen Feier, wenn die verbliebenen Gäste gemütlich beisammen sitzen, tiefgründigen Gedanken nachgehen oder in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen. Popmusik für Jedermann, die aber erst Musikkenner und –genießer wirklich zu schätzen wissen werden.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause