HYPNO5E - Sheol
Mehr über Hypno5e
- Genre:
- Prorgressive Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Pelagic Records
- Release:
- 24.02.2023
- Sheol Part I - Late Sorrow
- Sheol Part II - Lands Of Haze
- Bone Dust
- Tauca Part I - Another
- Lava From The Sky
- The Dreamer And His Dream
- Slow Steams Of Darkness Part I - Sacred Woods
- Slow Steams Of Darkness Part II - Solar Mist
Spielen endgültig in ihrer eigenen Liga. Meisterwerk!
Es ist immer etwas Besonderes, wenn eine der persönlichen Lieblingsbands ein neues Album veröffentlicht. Wenn diese Band aber dann noch HYPNO5E ist, darf die Zeit still stehen, nein, muss sie sogar. Denn nur so kann man die Musik dieser Franzosen verstehen: wenn alles andere mal Pause hat. Auch "Sheol" ist ein Album, das Zeit braucht und ist definitiv keine Beschäftigung für nebenbei. Erst im intensiven Hören entdeckt man schier unglaubliche musikalische Welten: laute und aggressive, leise und verträumte - und dies teils so abrupt und ohne Vorwarnung, dass man des Öfteren beim Hören überrascht wird. Das ist für Vertraute der Franzosen erstmal nichts Neues, doch "Sheol" zeigt HYPNO5E in Höchstform und das mit einer bereits tadellosen Diskografie im Hintergrund.
Aber eins nach dem anderen, erstmal zu den trockenen Fakten: HYPNO5E kommt aus Montpellier (Südfrankreich) und veröffentlicht mit "Sheol" Album Nr. 5 (wenn man das unter anderem Namen veröffentlichte Akustik-Album "Alba - Les Ombres Errantes" mitzählt, ist es sogar das sechste Album). Ein Blick ins Lineup verrät, dass es etwas Bewegung gab: Am Bass zupft nun Charles Villanueva und am Schlagzeug arbeitet sich Pierre Rettien ab. Sein unglaublich facettenreiches Schlagzeugspiel ist es, dass dem Album verhilft, in völlig neue Sphären vorzudringen. Es sind nicht nur die Explosionen hinter den Kesseln, die begeistern, sondern vor allem auch die exqusite Begleitung in ruhigen Parts sowie die grundsätzliche Fähigkeit, das Schlagzeug zur Musik gekonnt zu orchestrieren.
"Sheol" ist laut Bandkopf Emmanuel Jessua als direkte Weiterführung zum letzten Album "A (Distant) Dark Source" (2019) zu verstehen, was dem Kenner bereits ein Blick auf die Tracklist verrät. Aber auch musikalisch ist es insofern eine Fortsetzung des Albums, als die Klangästhetik ähnlich ist, ebenso blieb die bedrohlich-mystische Grundstimmung erhalten. Grundsätzlich ist es aber keine Voraussetzung, dass man das den Vorgänger kennt, "Sheol" kann ohne Schwierigkeiten als separates Album verstanden werden.
Bereits im Vorfeld konnte mich HYPNO5E mit dem Track 'Sheol Part II - Lands Of Haze' und dem dazu gehörigen Video überraschen, da es auf einem (offenbar nicht nur für mich) besonderen Berg gedreht wurde: dem Mont Ventoux in der französischen Provence. Wie hier Natur und Musik in Symbiose gehen, ist einfach grandios. Und musikalisch bietet der Song alles, was man an HYPNO5E zu schätzen weiß: Schwere, vetrackte Breakdowns und Shouts wechseln sich mit Klargesang und Akustikgitarren ab, große Soundwände mit massiven, gerne auch dissonanten Riffs türmen sich auf und werden schlagartig wieder von verträumten Tönen zerbrochen; ein stetiges Auf und Ab der Dynamik und der Emotionen - unter anderem dafür weiß ich die Band sehr zu schätzen.
Die Musik von HYPNO5E funktioniert nicht nach den bekannten Regeln, den typischen Strophe-Refrain-Strophe-Mittelteil-Refrain-Reigen bekommt man in den größtenteils überlangen Songs nicht zu hören; die Musik bewegt sich ständig fort und offenbart stets neue Entwicklungen. Was unterm Strich für ungeübte Ohren vielleicht willkürlich klingen mag, zeigt sich bei genauerer Betrachtung als genaues Gegenteil und HYPNO5E als Meister der musikalischen Verschmelzung von Gegensätzen durch einzigartiges Songwriting, das sich irgendwo zwischen Post-, Progressive-Metal und Avantgarde einpendelt.
Ein weiterer wichtiger atmosphärischer Faktor sind die immer wieder sehr bewusst eingestreuten Sprachsamples auf Englisch und Französisch von den Dichtern César Vallejo, Jean Cocteau und Anne Sexton, die aus ihren Werken zitieren. Dabei ist es fast nebensächlich, was gesprochen wird - alleine die Stimmen und die Art des Vortragens schaffen unglaublich viel Tiefe. Wunderbar ist auch, dass die Musik erstmals von einem Streichertrio begleitet wird und einen Song wie 'Bone Dust' absolut veredelt. Diese Nummer ist zusammen mit dem Kernstück, dem fast 13-minütigem Opus 'The Dreamer And His Dream', bereits den Kauf des Albums wert.
Ich möchte gar nicht weiter noch detaillierter auf einzelne Songs eingehen, den Zauber sollte jede und jeder selbst erfahren. Klar ist aber, dass HYPNO5E auf "Sheol" sicherlich das stärkste Material des bisherigen Schaffens versammelt hat und die Band sich selbst endgültig in eine vollkommene eigene Liga erhebt.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Jakob Ehmke