IQ - Dark Matter
Mehr über IQ
- Genre:
- Prog Rock
- Label:
- Giant Electric Pea
- Release:
- 21.06.2004
- Sacred Sound
- Red Dust Shadow
- You never will
- Born Brilliant
- Harvest Of Souls
IQ gehören zu jenen Gruppen, die den Geist des englischen Neo-Prog-Rocks am deutlichsten verkörpern. Zusammen mit MARILLION, ARENA, PENDRAGON und PALLAS bilden sie das Urgestein dieser theatralisch-bombastischen Rockvariante. Bereits mit dem Debütalbum "Tales From The Lush Attic" aus dem Jahre 1983 konnten sie einen Prog-Klassiker einspielen, der vom Nachfolger "The Wake" noch übertroffen wurde. Nachdem Sänger Peter Nicholls die Band verlassen hatte, tendierten IQ zu einer mehr kommerziell und poppig orientierten Musik, bis schließlich 1989 das große Aus kam. Anfang der Neunziger gründeten sich IQ neu, wobei auch Peter Nicholls wieder mit von der Partie war. Mit "Ever" gab es nun den dritten Prog-Meilenstein. Das vierte Highlight brachten sie 1997 in Form des Konzept-Doppelalbum "Subterranea" heraus. Das folgende "The Seventh House" konnte an diesen Erfolg nur bedingt anknüpfen. Mit "Dark Matter" liegt nun nach vier Jahren Wartezeit ein neues Studioalbum vor.
Ich kenne IQ bislang noch zu oberflächlich, um "Dark Matter" in ihrem Gesamtschaffen wirklich angemessen verorten zu können. Im Grunde ist diese CD also für mich mein persönliches IQ-Debüt. Aber diese Unvoreingenommenheit kann ja manchmal ganz gut sein, da häufig die Vorgängerscheiben den Blick auf das neue Material verstellen. Allerdings werde ich mir die älteren Sachen jetzt schleunigst besorgen. Denn ich liebe diese Scheibe. IQ machen hier mystischen, verträumten Prog Rock, der einen Schimmer von altenglischer Romantik in sich trägt. Die klangreine und differenzierte Produktion unterstützt den Hörgenuss auf ganz wunderbare Weise und erinnert manchmal an das Soundgewand gewisser neuerer Klassik-Veröffentlichungen. Durch diese Transparenz kommt insbesondere das geniale Tastenspiel von Martin Orford richtig zur Geltung.
Auf der CD sind fünf Stücke bei einer Spiellänge von zweiundfünfzig Minuten zu finden. Da erwartet man natürlich einige Tracks mit Überlänge und tatsächlich: Der knapp zwölfminütige Opener 'Sacred Sound' und das musikalische Monument 'Harvest Of Souls' mit seinen fünfundzwanzig Minuten rahmen drei Songs mittlerer Länge ein.
Außer bei 'Red Dust Shadow' bleibt die gesamte Spielzeit der CD lang eine feine synthetische Orgel präsent, die den Stücken einen Hauch von Tiefgang verleiht. Mal eher sakral, mal locker-beschwingt, trägt sie häufig die Rhythmik der Musik. Mystische Klangschwaden schweben auch sonst im Sound, die durch die Verwendung von Mellotron und Moog-Synthesizern hervorgerufen werden. Die atmosphärische Gitarrenarbeit von Michael Holmes tut ihr übriges, um eine Aura des Geheimnisvollen aufzubauen. Dabei sind IQ nie wirklich düster, dafür aber elegisch und melancholisch. Ihre Melancholie wirkt selten gedrückt, denn heitere Momente in der Melodieführung durchbrechen immer wieder die dunkleren Stimmungen und hellen sie auf. Das Album wirkt konzeptionell - die Stücke scheinen sich gegenseitig zu ergänzen.
'Sacred Sound' bringt die erwähnte Orgel zum Einsatz, die auf diesem Track das ruhig vorranschreitende Tempo bestimmt. In einem genialen Part des Stücks erhebt sie sich zu einer mächtigen im Raum stehenden Kirchenorgel, um danach wieder die Rhythmik aufzunehmen. Peter Nicholls leicht nasale, gefühlvolle Stimme passt gut zur erzählerischen Grundhaltung der Musik. Das Geschichten-Erzählen stellt ja eines der wesentlichsten Elemente des Prog Rock dar. Die Gesangsmelodien sind leise, unaufdringlich, fräsen sich jedoch langsam und unaufhaltsam im Ohr fest. Schimmernde synthetische Töne und schwelgende Gitarrenweisen erklingen über ungewöhnlichen Taktarten, die ziemlich konsequent die 4/4-Schiene verlassen.
Balladesk geht es mit 'Red Dust Shadow' weiter. Eine Akustikgitarre begleitet den melancholischen introvertierten Gesang, bevor rockige, sanft ausholende Riffs und der dunkle Mantel des Basses sich tief unter die Haut schieben. Die schöne, verträumte Melodie kitzelt angenehm die musikalischen "Geschmacksnerven" des Hörers. 'You never will' arbeitet mit blubbernden Basslinien und ist trotz des etwas schrägen Taktes sehr eingängig gestaltet. Es orgelt wieder so richtig schön und ein Mittelteil mit lauten Keyboards und einem schönen Gitarrensolo setzt einen weiteren Akzent. Der Refrain kommt sogar mitsingtauglich daher. Damit stellt 'You never will' wohl so etwas wie die "Single" des Albums dar. 'Born Brilliant' dagegen lebt von mystischen Synthichören und der fast groovigen Rhythmik. Die Töne der Gitarre ziehen wie kleine Sternschnuppen durch das übrige Klangbild, während Peter Nicholls die Strophen sehr unterschiedlich intoniert. Auf einen Refrain verzichten IQ bei 'Born Brilliant'. Sie verwenden zwar manchmal das bekannte Strophe/Refrain-Schema, aber eher verhalten. Außer bei 'You never will' erscheint dieses Schema eben nicht als das Bestimmende der Songs und nicht als das, wodurch diese hauptsächlich wirken sollen.
In verschiedene Parts unterteilt, erklingt nun der Longtrack 'Harvest Of Souls'. Er beginnt besinnlich-nachdenklich, um dann etwas fröhlicher zu werden – allerdings mit einem sarkastischen amerikakritischen Text. Danach geht dann der (Prog-)Rock ab – mal vertrackt nervös und jazzig angehaucht, dann wieder mit einschmeichelnden Gesangslinien und tollen Orgelmelodien im Siebziger-Groove. Hinundwieder setzen IQ jetzt auch ein synthetisches Piano ein. Allerlei Soundeffekte sorgen zusätzlich für Stimmung. Der dramatische Klangkoloss vergeht wie im Fluge und macht süchtig nach mehr.
Optisch ist die CD sehr ansprechend gestaltet. Die albtraumhaften Graphiken und Collagen deuten auf einen düsteren Hintergrund zu diesem Werk, aber die Musik deckt ein weites Gefühlsspektrum ab. Ohne Frage gehört das neue Album von IQ in jede Prog-Sammlung. Der detailverliebte klangreine Rock von "Dark Matter" lässt auf weitere Großtaten des englischen Urgesteins hoffen. IQ scheinen noch nicht "zu alt für ihre Siege" zu sein.
Anspieltipps: Sacred Sound, Harvest Of Souls
- Redakteur:
- Jörg Scholz