I PREVAIL - Violent Nature
Mehr über I Prevail
- Genre:
- Metalcore
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Fearless Records
- Release:
- 19.09.2025
- Synthetic Soul
- NWO
- Pray
- Annihilate Me
- Violent Nature
- Rain
- Into Hell
- Crimson & Clover
- God
- Stay Away
Ein unrundes Ding mit mehreren starken Highlights.
"Violent Nature" präsentiert sich als kraftvolle Zäsur und gleichzeitig als inkonsequenter, aber mutiger Schritt in der Entwicklung von I PREVAIL. Der Band-Background ist inzwischen gut bekannt: 2013 in Michigan gegründet, hat I PREVAIL sich über EPs, starke Singles und Alben wie "Lifelines" (2016), "Trauma" (2019) und "True Power" (2022) eine treue Fangemeinde erarbeitet, unter anderem dank einer Mischung aus Metalcore, Post-Hardcore und Hymnik.
Ein wichtiger Einschnitt im Hintergrund ist die Trennung vom bisherigen Clean-Sänger Brian Burkheiser, der die Band 2025 verlassen hat. Seitdem übernimmt Eric Vanlerberghe als alleiniger Leadsänger sowohl die klaren Vocals als auch das harsche Shouting. Diese Änderung prägt "Violent Nature" maßgeblich – musikalisch, emotional und atmosphärisch.
Bereits mit den Singles zeigte die Band, dass sie sich nicht scheut, härtere und dunklere Klänge einzuschlagen.
Besonders der Titeltrack ist wahrscheinlich einer der brutalsten Songs, den I PREVAIL bisher veröffentlicht hat. Dabei fängt das Album eigentlich maximal entspannt an, denn 'Synthetic Soul' nimmt sich die nötige Zeit, einen düsteren Groove aufzubauen. Auch wenn in der zweiten Hälfte des Songs Härte und Tempo merklich zunehmen, wird alles im melodischen Gesang wieder eingefangen – die erste Bewährungsprobe hat Vanlerberghe bestanden.
Die nachfolgenden 'NWO' und 'Pray' sind dann solide I PREVAIL.Songs, allerdings ohne wirklich herausstechende Merkmale, wobei zumindest Pray ausreichend Abwechslung im Tempo bietet. 'Annihilate Me' fängt sanft und mit Mitsingcharme an, wie man das bereits aus der Vergangenheit aus I PREVAILs stärksten Momenten kennt. Ich werde dennoch das Gefühl nicht los, dass man sich noch nicht traut, die Handbremse komplett zu lösen. Komplett ohne Bremse bricht dann umso überraschender 'Violent Nature' durch die Wand und bringt dabei deutliche Death Metal Elemente mit sich. Sollte der Song ein Hinweis darauf sein, wohin sich die Band entwickeln will, dann bin ich definitiv mit an Bord! Bereits bei 'Rain' wird allerdings wieder ein Gang zurückgeschaltet, auch wenn sich der Song mit dem bisher mitsingwürdigsten Refrain rehabilitiert.
Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass das komplette Album sich zwischen zwei Welten bewegt, sich aber unsicher ist, zu welcher es gehören will. Es gibt Songs, die sich mit aggressiven Riffs, harten Breakdowns und wütenden Vocals regelrecht ins Ohr bohren. Hier wird eine rohe Kraft eindrucksvoll offenbart. Vanlerberghe scheint in dieser Rolle befreiter zu singen und seine Stimme vielseitiger einzusetzen – sowohl in den cleanen Parts als auch beim Shouting. Diese Songs verleihen dem Album eine Verletzlichkeit und Intensität, die man spürt.
Allerdings ist diese Härte nicht durchgehend auf einem gleich hohen Level. Es gibt gibt reichlich melodischere Momenten und ruhigere Passagen, die teilweise sogar richtig sanft wirken. Während ich grundsätzlich eine paar Ruheinseln im Gitarrengewitter sehr zu schätzen weiß, hat es bei "Violent Nature" für meinen Geschmack einfach zu viele davon, so dass über das komplette Album hinweg halt kein eindeutiges Feeling reinkommt. Es wirkt fast so, als ob die Jungs sich durchaus gerne ins wildere Gewässer vorwagen würden, doch von der eigenen Bandhistorie gehemmt werden. Hierdurch wirken die Songs, die dem bisherigen I PREVAIL Muster folgen, allerdings eher so, als ob das die Fleißaufgabe gewesen wäre, während man sich in der neuentdeckten Härte freier austoben durfte.
Beispielhaft hierfür ist die Abfolge von 'Into Hell', 'Crimson Clover' und 'God'. 'Into Hell' ist ein klassisches I PREVAIL-Lied, mit reichlich Abwechslung, jedoch ohne dabei wirklich auszubrechen. 'Crimson Clover' ist dann ein reines Akustikstück, in dem Vanlerberghe alleine von einer Gitarre begleitet wird. Hier muss man dann leider eingestehen, dass seine Stimme dafür (noch) nicht reicht, das Lied somit komplett flach bleibt und das mit Abstand schwächste auf dem Album ist. Direkt danach wird bei 'God' wieder die komplette Aggression herausgeschrien und das Gaspedal durchgedrückt. Wenn man mir erzählen würde, dass ich da gerade drei Songs von drei verschiedenen Bands gehört hätte, hätte ich das wahrscheinlich erstmal nicht hinterfragt. Ein zusammenhöriges Albumgefühl kommt dabei aber leider nicht auf. 'Stay Away' komplettiert die zehn Songs dann, bleibt dabei aber auch größtenteils auffällig unauffällig.
Aufgrund all dieser Unebenheiten kann "Violent Nature" insgesamt leider nicht vollends überzeugen. Es gelingt I PREVAIL teilweise mit strammen Zug und Emotion so zu arbeiten, dass sich einzelne Songs wie ein echtes Statement anfühlen. Das nervige Hin und Her zwischen Stilrichtungen verwässert aber das Abtasten neuer Grenzen. Einige Tracks werden gewiss ihren Weg in persönliche Playlisten finden, ob wegen ihrer Hymnenhaftigkeit, ihrer Wucht oder ihrer mitreißenden Dynamik – andere sind vergessen, noch bevor sie ganz durchgelaufen sind.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Chris Schantzen