IAMTHEMORNING - Belighted
Mehr über Iamthemorning
- Genre:
- Art Pop, Progressive Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Kscope/Snapper
- Release:
- 15.09.2014
- Intermission IX
- The Howler
- To Human Misery
- Intermission X
- Romance
- The Simple Story
- Intermission XI
- 5/4
- Crowded Corridors
- Gerda
- Os Lunatum
- Intermission XII
- K. O. S.
- Reprise Of Light / No Light
- Intermission XIII
"Belighted" ist ein neues Wort der Superlative und reserviert für ein russisches Traumduo.
Es ist alles wahr, was ich über IAMTHEMORNING an Superlativen gelesen habe. Man schreibt, dass dieses russische Duo es musikalisch und qualitativ mit TORI AMOS zu ihren besten Zeiten in den Neunzigern aufnehmen kann. Die schönsten Worte finde ich im ECLIPSED: "Dieses junge selbstbewusste, innovative und hochversierte Ensemble bietet das Spannendste, Bezauberndste, Bewegendste und Verwegenste von KATE BUSH und TORI AMOS, vereint in einem Genre sprengenden, klassisch inspirierten, tiefgängigen Artpop."
Ganz ehrlich, effizienter könnte ich gar nicht auf neue Musik angefixt werden. Doch der tatsächliche Weg in den Player ist ein langer und steiniger und führt vorbei an so viel großartiger Musik, die auch gehört werden will. Und so vergehen gut anderthalb Jahre bis zum Erstkontakt mit dem nun bereits zweiten Album von IAMTHEMORNING: "Belighted".
Belighted? Hach, schon dieses Wortspiel beim Album-Namen gefällt mir. Es gibt "delighted", das bedeutet "entzückt" und "benighted", was "umnachtet" heisst. Ist "belighted" dann das Gegenteil? Horchen wir doch mal rein!
Wie schon auf dem Vorgänger "~" und der darauf folgenden EP "Miscellany" werden die eigentlichen Songs von sogenannten Intermissionen zusammengehalten. In der Medizin ist dies ein zeitweiliges Zurücktreten von Krankheitssymptomen. Hier sind diese Kurzstücke wohl eher als emotionale Verschnaufpausen gedacht, denn jedes der zehn Hauptstücke hat es massiv in sich. Wer jetzt Musik im Stile von TORI AMOS und KATE BUSH erwartet, wird von 'The Howler' allerdings erstmal böse versetzt. Das Stück hat eine deutliche PORCUPINE TREE-Schlagseite, vor allem durch die sehr auffällige, tolle Bass- und Schlagzeug-Arbeit. Kein Wunder, auf der Scheibe spielt Gavin Harrison, dessen Spiel ich liebe und der vielleicht einer der einfühlsamsten Drummer der heutigen Zeit ist. Die eingestreuten Spoken-Word-Samples erhöhen die gefühlte Komplexität der Musik.
Doch erst der wunderschöne Gesang von Marjana Semkina, die ich mit offenen Armen in die Galerie meiner meist geliebten Sangeskünstlerinnen aufnehme, gibt der Musik ihren Kontext und nimmt den Hörer an die Hand. Oder greift ihm ins Herz. Nach diesem perfekten Start ist bei 'To Human Misery' dann auch das erste Mal Ganzkörper-Zittern angesagt. IAMTHEMORNING hat tatsächlich den Tiefgang, die Traurigkeit und die Ehrlichkeit der jungen TORI AMOS. Das gefühlvolle Streicher-Quartett untermalt dies noch zusätzlich, während die feine Rhythmus-Sektion wieder groovige Akzente setzt. Das ist schon eine phänomenale Art, ruhige Musik zu spielen. Höchste Zeit also, den zweiten Hauptverantwortlichen hierfür zu nennen: Arrangeur, Komponist und Pianist Gleb Kolyadin. Das dreiminütige 'Romance' enthält alles, was Musik enthalten kann, kammermusikalische Anklänge, klassische Arrangements (Romantik, würde ich jetzt mal schätzen), herrliche Spannungsbögen und Melodien mit langer Haltbarkeitsdauer, hier dann auch eher an KATE BUSH ("Aerial"!) als an TORI AMOS erinnernd. Darauf folgt 'The Simple Story' mit einer zum Sterben schönen Cello-Melodie und einmal mehr Marjana, Marjana, Marjana!
Soll ich jetzt Song für Song durch die ganze Scheibe gehen? Meine Worte würden sich wiederholen, die Musik tut das aber nicht. IAMTHEMORNING hat eine Ideenfülle im Repertoire, die es gar nicht erlaubt, Themen zu wiederholen oder gar redundant zu klingen. Beim Longtrack 'Crowded Corridors' nimmt man sich mal Zeit für Experimente und längere Instrumental-Passagen, die zeigen, dass Gleb Kolyadin ein hervorragender Pianist ist und Marjanas Stimme auch für studiotechnische Spielereien geeignet ist. Und das ruhige 'Gerda' lässt sogar bei einem Sommermenschen wie mir Vorfreude auf den kommenden Winter aufkommen.
Nein, ich komme nicht umhin zu sagen, dass "Belighted" für mich in allen Belangen perfekt ist. Und da mir IAMTHEMORNING sogar noch einen kleinen Tick besser mundet als das zweite (musikalisch aber komplett anders ausgerichtete) Art-Pop-Traumduo dieses Jahres, NO:CARRIER (zum Review), ist die Höchstnote unausweichlich. I am deeply belighted! Sankt Petersburg, Russland, zehn Punkte!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Thomas Becker