IDLES - Brutalism
Mehr über Idles
- Genre:
- Punk Rock / Post-Punk / Indie
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Cargo Records
- Release:
- 16.06.2017
- Heel
- Well Done
- Mother
- Date Night
- Faith In The City
- 1049 Gotho
- Divide And Conquer
- Rachel Khoo
- Stendahl Syndrome
- Exeter
- Benzocaine
- White Priviledge
- Slow
Total kaputt.
Wer würde bei einer als "Post-Punk / New Wave" gelabelten Scheibe eine solch ungehobelte, zügellose und sarkastische Ladung Lärm erwarten, wie "Brutalism" sie bietet? Ich jedenfalls nicht. Nix mit säuseligen Melodien und entrückten Pop-Wabereien. Da braucht mir auch keiner mit den gängigen INTERPOL- oder ARCTIC MONKEYS-Vergleichen kommen. Die IDLES aus Bristol klingen viel stärker nach den Wurzeln ihrer Vorbilder als die genannten, heute auch kommerziell erfolgreichen Genrevorreiter. Mit "Brutalism" setzt man direkt an den ausfransenden Enden der SEX PISTOLS an, badet die eigene Frustration mit den sozialen Missständen in England in einem lauwarmen Indie-Soundbad, nimmt die alte anarchische CHILI PEPPERS-Abgedrehtheit mit und verpasst den dreizehn neuen Tracks einen Drive, der näher am Hardcore Punk alter Schule ist als der punkrockige Mainstream, zu dem nach eigenem Bekunden ja niemand offiziell gehören will.
Nein, "Brutalism" ist wilder, frecher, aus tiefstem Halse rotziger und rotzender als der gute Post-Punk-Durchschnitt, und zwar um ein Vielfaches. Genau die Art von musikalischem Krach, den unsere kaputte Welt verdient hat. Mit dem pissig-verpeilten 'Well Done', spätestens aber mit dem dritten Track 'Mother' haben mich die ILDES schließlich auch rumgekriegt. Das passt wirklich perfekt in die Post-Brexit-Zeit, eine Zeit in der ein brennendes Hochhaus zum Fanal und weit leuchtenden Zeichen der Verachtung einer abgehobenen Ober- für die Unterklasse wurde. Dass die IDLES aus musikalischer Hinsicht nichts revolutionieren, muss nicht weiter diskutiert werden; inhaltlich würde es auf alle Fälle reichen für einen Krawallzug durch die schönen Wohngegenden von Bristol. Die Texte des Quartetts sind nicht einfach nur bissig oder schwarz gefärbt, sie glänzen durch Witz, durch großartige Wortspielereien (wie bei 'Mother', einfach nur genial!), durch perfekt pointierte Aussagen zu den unterschiedlichsten Themen wie den Niedergang des britischen Gesundheitssystem, schlechte Bildungspolitik oder dem Stendahl Syndrom (!). Vorgerotzt vom näselnden Joe Talbot, der klingt als schwanke er irgendwo zwischen apathischer Gleichgültigkeit und nur mühevoll gebremstem Irrsinn.
Schade dass die Songs das hohe inhaltliche Niveau nicht durchgängig halten können. Das letzte Albumdrittel kickt jedenfalls nicht mehr so mächtig. Aber vielleicht ist mein Musikgeschmack ja auch zu konventionell, um diese kaputte Sammlung politischen Krachs wirklich vollumfänglich wertschätzen zu können. Spaß macht "Brutalism" natürlich trotzdem mächtig. Und Bands mit einer solch ungehobelten Attitüde brauchen wir ohnehin dringend!
Anspieltipps: Mother, Well Done, 1049 Gotho
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timon Krause