IMMORTAL - War Against All
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2023
Mehr über Immortal
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Napalm Records
- Release:
- 26.05.2023
- War Against All
- Thunders Of Darkness
- Wargod
- No Sun
- Return To Cold
- Norlandihr
- Immortal
- Blashyrkh My Throne
Ein früher Kandidat für das Album des Jahres.
Trotz des so furiosen wie überraschenden IMMORTAL-Neustarts mit "Northern Chaos Gods" (2018) gab es im Vorfeld der nun anstehenden Veröffentlichung einige Skepsis unter den Fans, denn im achten Jahr nach Abbath und im dritten Jahr nach Horgh besteht die Band nunmehr nur noch aus Harald Nævdal alias Demonaz. Dieser hat sich mit Arve Isdal (u.a. AUDREY HORNE, ENSLAVED, I) und Kevin Kvåle (u.a. GAAHLS WYRD) zwar so fähige wie szeneerprobte Mitstreiter ins Boot geholt, die jedoch nur Sessionmusiker und keine vollwertigen Bandmitglieder sind. Damit ist "War Against All", die zehnte IMMORTAL-Scheibe letztlich also ein Soloprojekt, und das wirft natürlich einmal mehr die Frage auf, ob Demonaz damit dem großen Erbe der Band gerecht wird.
Zugegeben, auch der Verfasser dieser Zeilen, Fan der fast ersten Stunde, war sich nach dem Hören der ersten beiden Vorabsingles, namentlich des Titeltracks und der Nummer 'Wargod' noch eher unschlüssig. War der Vorgänger ein garstiger Blizzard, eine fiese schwarze Speedattacke, da ließ sich das Prelistening hier scheinbar etwas gemäßigter, etwas getragener und gewöhnlicher an. Doch wie so oft haben wir es glücklicherweise mit etwas Understatement zu tun gehabt, denn im Albumkontext funktionieren auch diese beiden Nummern wunderbar, doch das Beste kommt noch: Die weiteren Songs sind noch spannender und sorgen für eine so ungeahnte wie ungewöhnliche Vielseitigkeit, die bisher kaum ein IMMORTAL-Werk hatte.
Dabei ist und bleibt die Handschrift der Band nach wie vor unverkennbar. Der Sound ist winterlich kalt, mit wirkungsvollem kristallinem Hall auf den monolithischen Riffs, die in dieser Form eben nur Demonaz schreibt. Dass der Gesang des Protagonisten wie die Faust aufs Auge passt und Großmeister Abbath kaum vermissen lässt, war schon bei "Northern Chaos Gods" eine Überraschung, die sich hier verifiziert, und so können sich Demonaz & Co. gelassen zurücklehnen und zuschauen, wie ihr neuerlicher Wintersturm ihre Fans überrollt, denn "War Against All" macht keine Gefangenen.
Ist das eröffnende Titelstück ein rasender Wirbelwind, der ein wenig an "Blizzard Beasts" erinnert, und dessen so simpler wie effektiver Refrain mitten im Blastbeat-Inferno einsetzt, so ist das nicht minder schnelle 'Thunders Of Darkness' einen Tick Death-Metal-lastiger und gerade im Tieftönerbereich sehr spannend, bevor er im Mittelstück ein rattenscharfes Break ins Midtempo mit einer markanten Leadmelodie setzt. Mit dem bereits erwähnten 'Wargod' folgt ein heavy groovender Stampfer, der sich eher an die Zeiten von "At The Heart Of Winter" und "Sons Of Northern Darkness" anlehnt und dabei auch die gute alte Thematik des Rabenthrons und das seit "Battles In The North" etablierte gezupfte Mittelstück aufgreift, bevor es zum Ende hin mächtig fahrt aufnimmt und mit einigen sehr melodischen Hooks aufwarten kann, bevor es episch und keyboardlastig endet.
So weit, so gut, aber auch noch etwas vorhersehbar, geht es jedoch jetzt erst richtig los mit den Aha-Effekten. 'No Sun' ist eine dynamische, treibende Nummer, deren Riffing jedoch teilweise für IMMORTAL recht ungewöhnlich ist, zitiert sie doch immer wieder auch andere archaisch-norwegische Black-Metal-Elemente. So hat das Stück durch sein mantrisches Flirren der Gitarren immer wieder auch einen Hauch Tolkien'scher Dunkelheit eben im Gepäck wie auch eine Verneigung vor Euronymous. Mit 'Return To Cold' (wie passend) kehrt man jedoch direkt wieder zurück in für die Band typischeres Fahrwasser und zelebriert eine getragene Hymne mit einigen Ausbrüchen, die immer wieder dezent von nur leicht angezerrten Akkorden in bester BATHORY-Manier verziert wird. Weiter geht es mit dem ausladenden Siebenminüter 'Nordlandihr', der verträumt mit cleaner Zupfgitarre beginnt als triebe der Nordwind den Schnee über einen zugefrorenen See. Dieses Intro mündet in eine bestechend melodische, rein instrumentale Abfahrt, die eine Seite von IMMORTAL offenbart, die wir so noch nicht erleben durften. Mit großem Fokus auf verzaubernde Leadmelodien, markante, entfesselte, ja, wilde Soli und spannende semi-akustische Breaks von Gitarre und auch Bass, entfaltet sich hier ein wahres Fest an Motiven und Melodien und so zeigt Demonaz einfach mal ganz klischeefrei, was für ein guter und eigenständiger Musiker er ist, dass er selbst einen notorischen Instrumental-Skeptiker wie mich begeistern kann.
Zum Abschluss wird uns als hinterhältiger Konter auf diese Phase der Ruhe ein Doppel serviert, das die Messlatte für weitere Black-Metal-Releases des Jahres denkbar hoch legt. Die im zweiunddreißigsten Jahr des Bestehens endlich servierte Bandhymne 'Immortal' ist ein unglaublich packender, simpler, straighter Smasher der ganz alten Schule, der - ein archaischeres Klangbild vorausgesetzt - so auch durchaus auf den ersten drei Alben sein Plätzchen gefunden hätte. Dass der Hinausschmeißer dann am Ende ein weiteres Tie-in der epischen Blashyrkh-Saga ist und auch dementsprechend klingt, sollte niemanden überraschen, oder? Eben. Natürlich ist das sechsminütige 'Blashyrkh My Throne' stilistisch wie konzeptionell ein weiteres unverhohlenes Sequel zu 'Blashyrkh Mighty Ravendark' (1995), das immer wieder als Blaupause für das epische Finale einer IMMORTAL-Scheibe diente, doch mir wird das tatsächlich niemals langweilig, zumal die heurige Version im Duktus und der Pharasierung der Verse, sowie einigen Gitarrenleads mit einer wunderbaren Verneigung vor BATHORYs 'A Fine Day To Die' weitere Farbtupfer setzt.
Daher bleibt mir nur, den Hut vor Demonaz zu ziehen, der mit "War Against All" nicht nur zielsicher alle obligatorischen IMMORTAL-Trademarks bedient, sondern weit darüber hinaus auch Akzente setzt, die eben doch mehr aus dem Album machen, als ein Abziehbild seiner Vorgänger, wobei hier vor allem die Gitarrenarbeit des Bandleaders zu erwähnen ist, die dieses Mal mehr Fokus auf die Leadgitarre legt als je zuvor, ohne das eigene Markenzeichen, die mächtigen Riffs, aus den Augen zu verlieren. Somit ist die IMMORTAL "War Against All" ein früher Kandidat für mein Album des Jahres.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle