IN FLAMES - The Tokyo Showdown (Live In Japan 2000)
Mehr über In Flames
- Genre:
- Melodic Death
- Bullet Ride
- Embody The Invisible
- Jotun
- Food For The Gods
- Moonshield
- Clayman
- Swim
- Behind Space
- Only For The Weak
- Gyroscope
- Scorn
- Ordinary Story
- Pinball Map
- Colony
- Episode 666
Morgens, halb zehn in Deutschland: Der Rezensent latscht unter einem akuten Zustand von Schlaftrunkenheit leidend zum Briefkasten. Nachdem dem Öffnen stellt sich sofort freudige Erregung und Glückseligkeit ein. Im Lotto gewonnen? Zum Chefredakteur von Powermetal.de befördert worden? Noch besser: Das lang und heiss ersehnte Live-Album der Göteborg-Legende IN FLAMES ist eingetrudelt!
Kurzes Innehalten und innerliches Geniessen: Erinnerungen an den kongenialen Gig Anno 2000 in Frankfurt werden wach, an die für heutige IN FLAMES-Verhältnisse sehr ordentliche Setlist, an den glasklaren und mächtigst beeindruckenden Sound. An Bootlegs, die bei Napster rumgeistern, allesamt in miserabler Soundqualität. Und nun - die Energie und Spielfreude, die tolle Stimmung und die beeindruckende Performance einer wahrlich guten Liveband auf Silikon gebannt! Nach fünf Studioalben endlich der Livemitschnitt.
Ein schneller Blick auf die Tracklist auf dem Weg zurück ins Haus: „Jotun", „Food For The Gods", „Gyroscope" und „Episode 666" vom dritten Album „Whoracle". Wahnsinn. Die Augen erblicken sogar, ungläubig, „Moonshield" vom „The Jester Race"-Meilenstein. „Behind Space" vom Debut „Lunar Strain" darf natürlich auch nicht fehlen. So weit, so gut.
Im Infoblatt ist die Rede von einem denkwürdigen Auftritt. „The Tokyo Showdown" sei eine der intensivsten Liveplatten überhaupt, und die Japaner hätten IN FLAMES ohne Ende abgefeiert. Grübeln. Sollte es im Land der aufgehenden Sonne noch wilder zugegangen sein als bei den Gigs in Deutschland? Ein kurzer Gedanke an den Live-Silberling von CHILDREN OF BODOM, ebenfalls in Tokyo aufgenommen, erstickt jedoch jegliche Zweifel im Keim.
Dann der Moment der Offenbarung: Die Scheibe ist im Player, gespanntes Warten. Der „Clayman"-Opener „Bullet Ride" eröffnet auch „The Tokyo Showdown". Stutzen. Moment - war die Anlage etwa auf Mono geschaltet? Stimmt was mit der Lautstärkeregelung nicht, oder sind gar die Boxen defekt?
Die bittere Erkenntnis: „The Tokyo Showdown" wartet zu Beginn mit einem Gesamtsound auf, welcher selbst den meisten Undergroundcombos die Schamesröte ins Gesicht treiben würde!
Trademark von IN FLAMES waren stets die Göteborg-typischen, zweistimmigen Gitarrensoli - blöd nur, wenn man lediglich Jespers Klampfe hört, während Björns Axt dermaßen leise abgemischt wurde, dass man sie über weite Stellen nur erahnen kann. Somit sind die doppelten Gitarrenleads für die Katz, und auch die vielen Songparts, in denen Jesper lediglich das Riff spielt, während Björn für die Melodie zuständig ist. Die Hälfte eines Songs geht dann im rumpelnden Sound baden, besonders bei „Bullet Ride" der Fall. Zwar bessert sich der Gesamtsound des Scheibchens zum Ende hin glücklicherweise, aber wirklich drückend, klar und kraftvoll kommt er nicht einmal ansatzweise rüber. Der Bass und die Drums sind viel zu weit in den Vordergrund gestellt und teilweise übersteuert, was das Hörerlebnis noch weiter einschränkt. Und zu guter Letzt fällt auch Anders’ Gesang im Gesamtbild etwas zu Leise aus. Und die „unvergleichlichen Fans" aus Japan, wo sind sie? Da war in der Batschkapp in den Umbaupausen mehr Lärm als auf der ganzen Platte zusammen - tolle Leistung!
Da rettet auch eine wirklich hervorragende Zusammenstellung der besten Livetracks „The Tokyo Showdown" nicht mehr vor dem Status einer kleinen Enttäuschung. Die „Clayman"-Tour war ein voller Erfolg, zweifelsohne, aber wieso musste es ausgerechnet ein Mitschnitt aus Nippon sein, bei dem der Sound dermaßen schwachbrüstig ausfällt? Um es COB gleichzutun? Weil IN FLAMES dort größer sind als in Deutschland und sich die Platte somit in Japan bestens verkaufen dürfte? Verdammt noch mal, die Jungs haben hier in Dschörmenie durch die Bank weg geile Gigs abgeliefert, bei denen auch der Sound hundertprozentig gestimmt hat - wieso zum Geier erscheint davon kein Mitschnitt? Sicherlich ist die Setlist beim Showdown in Tokyo etwas länger als sie es bei den Deutschland-Gigs war, aber muss ich dafür einen durchschnittliches Soundgewand in Kauf nehmen, das einer wirklich herausragenden Liveband nicht gerecht wird?
Klar macht „The Tokyo Showdown" Spass, alleine schon, weil es eben das einzige Livealbum der Schweden ist. Man hätte dieses Monopol aber nicht in dieser Art ausnutzen sollen und den Fans, die sicherlich genauso wie meine Wenigkeit dem Album entgegengefiebert haben, ein halbgares Produkt servieren müssen. Schön und gut, wenn man wirklich hört, dass hier alles original und unbehandelt geblieben ist. In diesem Fall geht der musikalische Rohschliff leider teilweise nach hinten los.
Dank einer soundtechnischen Steigerung, den starken Songs und einer makellosen musikalischen Performance von IN FLAMES rettet sich „The Tokyo Showdown" dennoch als Sieger über die Zielline - mangels Konkurrenz.
Fans wird’s nicht stören, aber dem Rest empfehle ich ein Ausgiebiges Probehören vor dem Kauf, um einer Enttäuschung vorzubeugen.
Anspieltipps: Jotun, Moonshield, Behind Space, Ordinary Story, Scorn (incl. Eingespieltes „Raining Blood"!)
- Redakteur:
- Rouven Dorn