IN LOVE YOUR MOTHER - The Great Ape Project
Mehr über In Love Your Mother
- Genre:
- Mathcore / Progressive
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Dr. Music Promotion
- Release:
- 10.10.2014
- The Mother Song
- 2116@#1916
- We're Gonna Dance Until Everybody Is Naked And Fallen Apart
- Johnny Rocket Is Not Dead
- The Great Ape Project Part 1
- Signs Of A Medium Life
- The Great Ape Project Part 2
- Wish Me An Ocean Part 1
- Wish Me An Ocean Part 2
- Drop The Back Of The Line
- Signs Of A Real Life
- The Disco Fish
- Inhale
- Wish Me An Ocean Part 0
- In Love Your Mother
- The Hedgehog
- Ein Hase zwei Haese
Genie. Und Wahnsinn.
Stammen wir wirklich vom Affen ab? Oder ist die Evolutionstheorie nur der Deckmantel für ein groß angelegtes Experiment, mit dem Menschen als Versuchskaninchen in der traurigen Hauptrolle? Und was hat das alles mit Mutter zu tun? Nein, ich stehe nicht unter Drogen – vielmehr habe ich kürzlich die Bekanntschaft mit der Schweizer Chaoscore-Truppe IN LOVE YOUR MOTHER und ihrem Debütalbum "The Great Ape Project" gemacht. Entschuldigt die Ausdrucksweise, aber diese Platte ist mit Abstand der abgefahrenste Scheiß, der mir als Musikjournalist bisher untergekommen ist. Hier werden wirre, mathematisch vertrackte Rhythmen auf Grindcore-Länge herunter gebrochen, und in die hektische Mixtur hier und da noch gänzlich artfremde Einflüsse aus klassisch-barocker Musik eingestreut. 17 Tracks bei 30 Minuten Laufzeit. Und das soll funktionieren?
So ganz traue ich dem Braten auch nach mehreren Durchläufen noch nicht. Ist "The Great Ape Project" vielleicht ein verkappter musikalischer Intelligenztest – und ich versage schon bei den einfachsten Aufgaben? Kann ich mir überhaupt anmaßen, den vollen Durchblick erlangt zu haben und folglich eine Bewertung vornehmen zu können? Einzelne Songs lassen sich jedenfalls nicht herauspicken, da das Gros im Schnitt gerade mal eine Minute Spieldauer anreißt und feste Strukturen oder Kehrverse unauffindbar sind. Folglich kann "The Great Ape Project" auch nur am Stück konsumiert werden. Eine zunächst recht anstrengende halbe Stunde.
Und wie lässt sich besagter "Mothercore" nun beschreiben? Eigentlich recht einfach: THE DILLINGER ESCAPE PLANscher Wahnsinn wird mit Exoten-Anarchie Marke SYSTEM OF A DOWN gepaart, und das Resultat zu kleinteiligen Bruchstücken zerhackt. Verschobene Rhythmen, mächtige Moshparts, gänzlich unerwartete musikalische Ausreißer, fantastisch-bissiger Schreigesang – doch all dies währt jeweils meist nur wenige Sekunden, da geht die Hatz schon gnadenlos weiter, ohne dem Hörer Anhaltspunkte oder Verschnaufpausen zu gönnen. Nochmal: Auf "The Great Ape Project" findet sich kein einziger Song im klassischen Sinn, der separat betrachtet werden könnte, auch wenn das eine oder andere Fragment tatsächlich mal die drei Minuten Spielzeit erreicht. Hierin besteht der künstlerische Reiz, das Wagnis von IN LOVE YOUR MOTHER, aber zugleich auch die Zumutung an die Hörerschaft: Sämtliche Konventionen werden missachtet, jegliche Stütze außen vor gelassen. An manchen Stellen des Albums wünsche ich mir sehnlich, dass die herrlichen Headbang- und Moshpassagen ausgedehnter zelebriert, vielleicht auch ein, zweimal wiederholt würden. Aber das wäre den drei Herrschaften wohl zu banal.
Dennoch wächst die Faszination dieses Anarcho-Experiments mit jedem Durchlauf. Die Ausbreitung der "Einsichten und Ansichten über die kranke, böse Welt, vor der sie ihre Mütter immer gewarnt haben", bereitet den durchgeknallten Eidgenossen diebische Freude, und am Ende wird diese klanggewordene Kopfgeburt durch den tatsächlich nachvollziehbaren, wütenden Doppelschlag von 'The Hedgehog' und 'Ein Hase, zwei Haese' versöhnlich abgerundet. Wer sich also eine halbe Stunde Zeit nimmt, sämtliche Regeln der musikalischen Kunst vergisst, sich mitreißen lässt und bereitwillig innerhalb von Augenblicken zwischen Moshen, Headbangen, Ska Tanzen, paralysiertem Umherschwanken und völlig unkontrolliertem Ausrasten pendelt, erlebt mit "The Great Ape Project" seine persönliche Offenbarung. Das Teil ist blanker Wahnsinn. Hinterhältige Zumutung. Chaos pur. Und beispielloser Geniestreich.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause