INDICATIVE - Indicative
Mehr über Indicative
- Genre:
- Instrumental Post Math Rock
- ∅-Note:
- 6.00
- Label:
- Qanat Records
- Release:
- 01.07.2013
- Watt69
- Elastic
- Why? Because...
- Sospeso
- An Indicative Experience
- Tuning
- Wolfsong
- Tutto
- St. Anthony's Fire
Der schmale Grat zwischen Genialität und Schädelbrummen
Wer behauptet nicht gerne von sich, mit dem eigenen Musikgeschmack über dem massentauglichen, belanglosen Mainstream der Pop(ular)musik zu stehen? Die Grenzen, welche vermeintlich anspruchsvolle, originelle, fordernde Klänge und Kompositionen eingrenzen, sind selbstverständlich fließend und hochgradig subjektiv – und vor allem gibt es dergleichen mehrere. Der Blick geht zwar zumeist abschätzig nach unten, in Richtung kommerzieller, hitparadentauglicher Produktionen, allerdings gibt es zuhauf Beispiele – und bei entsprechenden Diskussionen dürften sich Musikliebhaber noch viel intensiver streiten als bei der Frage, ob eine Tondichtung dem Mainstream zuzuordnen ist oder nicht -, bei denen Künstler den Bogen überspannen und die potentielle Hörerschaft schlichtweg mit ihrem Anspruch überfordern. Ist ein sperriges, unzugängliches Stück, das einem sämtliche Hirnwindungen verknotet, ansonsten jedoch auch beim zwölften Durchgang keine bleibenden Spuren hinterlässt, nun avantgardistische Kunst – oder unzumutbarer akustischer Schrott? Auch mit dem selbstbetitelten Album der Instrumental-Experimentierer von INDICATIVE ist das leider so eine Sache.
Post Math Rock nennen die vier Italiener ihren Musikstil, und diese Beschreibung unterschreibe ich bedenkenlos: Dreiviertel-, fünfviertel- und Siebenvierteltakte finden auf "Indicative" reichhaltig Verwendung – entsprechend endet jeder Headbangversuch im Schleudertrauma, wenn man nicht gerade zufällig über einen der wenigen Viervierteltakte gestolpert ist. Rhythmisch ist die Truppe aus Palermo also höchst anspruchsvoll unterwegs; die Schlagzeugarbeit ist durchaus reizvoll und mehr als nur einen Hörversuch wert. Deutlich eintöniger fällt der Beitrag der beiden Gitarristen aus: Viel schräges, angezerrtes Geschrammel; einige wenige Licks ziehen sich dann gleich vollständig durch siebenminütige Songs, Steigerungen oder spannende Entwicklungen seitens der einzigen potentiellen Melodieträger sucht man quasi vergeblich. Und da "Indicative" vollständig ohne Gesang auskommt, fehlt trotz verquerter Songstrukturen und Tracks mit bis zu 21 (!) Minuten Laufzeit die Abwechslung. Hier und da werden noch sphärische Synthesizerklänge eingebaut, und gelegentlich findet sogar so etwas wie ein in sich schlüssiger Aufbau statt. Doch auch ein melancholisch angehauchtes, im Gesamtvergleich deutlich zurückgenommenes Stück wie 'Tuning' vermag einfach nicht vollständig mitzureißen, ebenso wenig wie die seltenen eingängigen Parts wie das dritte Viertel (kein Witz!) von 'Elastic' den Gesamteindruck aufzuwerten vermögen. Und dann sind da noch abwechslungsarme, anstrengende Hirnverdreher wie 'Watt69' oder 'Why? Because...', die früher oder später vor allem zur Betätigung der Skiptaste animieren. Vielleicht hinkt der Vergleich, jedenfalls vermitteln LONG DISTANCE CALLING oder ANIMALS AS LEADERS in Sachen Post Rock deutlich vielschichtiger und nachvolllziehbarer Spannung und Emotionen als INDICATIVE. Da die Italiener offenkundig Jazzelemente und Djent-artige Klänge verwenden, liegt vielleicht auch der Gedanke an die ersten Werke von MESHUGGA nahe - allerdings kann ich der Band beim besten Willen weder die Härte noch Genialität der verrückten Schweden attestieren.
Für das Cover ihrer Platte wählten die Jungs von INDICATIVE einen giftgrünen Würfel, der an Ernö Rubiks genial-wahnwitziges Spielzeug erinnert, und zum Teil verhält es sich mit dem instrumentellen Post Math Rock auf "Indicative" ähnlich wie mit dem verteufelten Plastikkubus: Ein simples Konzept, zahllose Lösungsansätze, und selten von Erfolg gekrönte Versuche, das Chaos zu entwirren, stattdessen Frust, Schädelbrummen, ja mitunter sogar Langeweile. Wer eingängige Musik nur müde weglächelt, wer gerne beim Musikhören mitzählt und zu ungeraden Metren zuckt und headbangt, wen überlange Tracks mit ständig wiederholten Gitarrenschemata nicht abschrecken, der wird an "Indicative" womöglich seine Freude haben. Mir persönlich ist diese Form musikalischer Kunst zu hoch – oder vielleicht gerade in all ihrer Komplexität auch schlicht zu abwechslungsarm.
Anspieltipps für Neugierige mit starken Nerven: Elastic, Tuning, Sospeso
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Timon Krause