INGRIMM - Auf Gedeih und Verderb
Mehr über Ingrimm
- Genre:
- Mittelalter Metal
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Hardy Entertainment
- Release:
- 10.01.2020
- Himmel und Hölle
- Klang von Leder
- Albtraum
- König der Idioten
- Glück in Sicht
- Sturm und Drang
- Drachenritt
- Ich bin ein Mann
- Schalk im Nacken
- Mammon
- Der Schinder
- Schuldig oder nicht
Mittelalter auf die derbere Art.
Lange habe ich deutschsprachigen Mittelalter-Metal in meiner Playlist einzig auf SUBWAY TO SALLY reduziert. Völlig ignorierend, dass diese Musik äußerst populär ist und sich dort schon seit langem ein ganze eigene Szene etabliert hat. Das heißt aber auch, dass es gute Zeiten sein sollten, das eigene Geschmacksportfolio mit dieser Musik zu diversifizieren und es folglich auch an der Zeit ist, sich hier die Rosinen heraus zu picken. 2019 war dies "Aurora" von HARPYIE, ein rundum gelungenes Album, das es sogar in die Top Ten meiner Charts gemacht hat. Und guter Dinge greife ich nun zu INGRIMM.
Und siehe da: Es gefällt auf Anhieb! Schnell stellt man fest, dass die Regensburger einen deutlich höheren Metal-Anteil in ihrer Musik haben als viele ihrer Kollegen, und noch schneller wird mir klar, dass die Kombination aus knackigen angethrashten Riffs und Dudelsack, Violine oder Drehleier super zusammen passt. Die Produktion ist druckvoll aber trotzdem angenehm erdnah, sodass der Eindruck handgemachter Musik nicht verloren geht. Dazu der kraftvolle, raue Gesang von René: Ja, das ist derbe, das ist auf Zack, das macht Laune. Zumal die Band immer darauf achtet, gute Hooklines zu schreiben, die sich recht schnell mitgrölen lassen, aber trotzdem nicht anbiedernd oder abgeschmackt wirken. Das ist nämlich oft ein Problem in diesem Mittelalter-Business. Ganz so warm werde ich dann aber dennoch nicht mit INGRIMM, weil...
Nun, dass ich großer Anbeter der INGRIMM-Lyrics werde, ist Stand jetzt eher unwahrscheinlich. Das liegt wohl auch hier an ein paar der gängigen Mittelalter-Rock-Ansichten, die scheibar Freiheit mit Hedonismus gleichgesetzen wollen. Dass man sich gehen lassen und die Sau rauslassen soll, wird mehrmals propagiert, und wenn das Y-Chromosom mal über die Stränge schlägt, ist das böse Gen schuld. Klar ist dies augenzwinkernd gemeint, aber trotzdem ist 'Ich bin ein Mann' vor allem wegen der doofen Lyrics ein Skip-Kandidat. Ansonsten gibt es ein wenig Stichelei gegen den skrupellos-arroganten Reichen (z.B. 'König der Idioten'), RAMMSTEINsche Gewalt-Fantasien (z.B. 'Der Schinder') oder eben Leder, Drachen und Blut. Das ist jetzt alles nichts, was großartig Interesse weckt, doch sieht man die Texte als Untermalung zur Musik, ist das schon in Ordnung. HARPYIE hat mich hier aber sehr viel mehr angesprochen. Und wenn man den Vergleich schon bemüht, so fehlt mir bei INGRIMM auf Dauer die Variabilität, das Spielen mit unterschiedlichen Stimmungen und Stilistiken, ganz einfach der Tiefgang.
Das soll aber nicht heißen, dass ich "Auf Gedeih und Verderb" abwerten möchte. Die Band zeigt Stärke und ihre Musik macht größtenteils Spaß, hat ein paar coole Hits ('Klang von Leder' oder 'Drachenritt'), ist eben nur ein wenig einseitig. Das wird die Genre-Fans aber wohl kaum jucken, und auch für mich ist "Auf Gedeih Und Verderb" besser als ein Großteil des Januar-Soundchecks.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Thomas Becker