IS LOVE ALIVE? - Welcome Home...
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/23
Mehr über Is Love Alive?
- Genre:
- Doom Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Underground Power Records
- Release:
- 10.09.2023
- Welcome
- People Come People Go
- State Of Mind
- At The End
- Psycho Woman
- Rejected Messiah
- The Last Sunset
- Doomsday Clock
Vielseitiger, emotionaler, ungenerischer Doom.
Direkt nach der Veröffentlichung des vorigen Studioalbums "Second To None" überschlugen sich die Ereignisse im Hause IS LOVE ALIVE? im Zeitraffer. Zuerst gingen mit Anne, Falko und Felix drei Fünftel der Belegschaft von Bord, doch dann kehrten die beiden verlorenen Söhne der Besetzung aus "Social Jetlag"-Zeiten - Hüsi und Butch - gemeinsam zurück zur Band, um zusammen mit Bandgründer Tom und Bassist Sash, der seit 2012 an Bord ist, das dritte vollständige Studioalbum "Welcome Home..." einzuspielen. Doch dieses Unterfangen gelang leider nicht ohne tragische Zwischenfälle, verstarben doch in der Folgezeit anno 2022 sowohl Mastering Engineer Mike Wells als auch Leadgitarrist Peter Lehnen. Die Parts von Peter Lehnen übernahm in der Folge Stephan Tillmann, und für die Produktion zeichnet Denny Gabriel erneut verantwortlich, so dass wir nun, im Herbst 2023 endlich "Welcome Home..." in den Händen halten und der Stereoanlage überantworten dürfen, das - wie bereits die beiden Vorgänger - auch neu eingespielte Demosongs enthält.
Man soll als bescheidener Rezensent ja nicht zu viel in ein Album hinein interpretieren, aber gleichwohl kann ich das Gefühl nicht wegwischen, dass die zurückliegenden Turbulenzen um die Band in vielerlei Hinsicht ihren Niederschlag auf dem Werk gefunden haben, und die Titelgebung sowohl des Albums als auch einzelner Stücke ist dabei nur das offensichtlichste Indiz. Doch wollen wir der Überinterpretation an dieser Stelle entsagen und uns der Musik zuwenden, die uns zunächst mit Pianoklängen, Streichern und choralem Synth empfängt, wie es auch ein norwegisches Black-Metal-Werk in der ersten Hälfte der Neunziger hätte tun können. Doch wenn die schweren, voluminösen Gitarrenakkorde erklingen und daneben eine filigrane Zupfgitarrenmelodie mit dezentem krautrockigen Anflug erklingt, dann wird schnell klar, dass wir uns in durch und durch doomigen Gefilden befinden. 'People Come, People Go' verbreitet dabei direkt eine tief berührende Schwermut und Hüsis Gesang zwischen trauriger Melancholie und hintergründiger Klage erinnert mich hierbei gleichermaßen ein wenig an Scott Weinrich und an Dennis Cornelius, wobei er hier etwas weniger rau klingt als insbesondere Wino es tut.
Mit 'State Of Mind' wandeln sich der musikalische und der gesangliche Ausdruck spürbar. Das Riffing klingt schlurfender, verschleppter, der Groove wird mantrischer und wabernder, so dass ich bisweilen an die getrageren Werke von DEADSOUL TRIBE und ein wenig auch an TOOL denken muss, wodurch der Doom von IS LOVE ALIVE? hier sowohl eine psychedelische als auch eine dezent alternative Neunziger-Note bekommt. Und wenn dann zu einem späteren Zeitpunkt im Verlauf des Stückes auch noch wabernde Synths dazwischengrätschen, dann ist der Bogen in den Psychedelic Rock der Siebziger geschlagen. Das kleine Horrorbuch-Hörspiel als Intro zu 'At The End' ist für meinen Geschmack sehr gelungen, und wenn dann Toms Gitarre mit monolithischen Akkorden in ein finsteres Riff übergeht, während dazu das Totenglöcklein durch den Nebel bimmelt, dann sind wir schließlich bei den archetypischen SAINT VITUS-Vibes angekommen, die an dieser Stelle niemanden überraschen dürften und für ein echtes Highlight sorgen. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass wir auch Elemente in diesem Stück finden, die dafür sorgen, dass wir es hier eben nicht mit einer reinen Verneigung vor dem heiligen Veit zu tun haben. Einige Riffs und Drumparts sorgen für modernere Vibes, das Solo klingt eben nicht nach D.C., und zudem ist der Keyboardeinsatz sehr eigenwillig und das erhabene Finale mit viel Keyboard und glockenhellem, melodischem Gesang hat sogar einen ordentlichen Neoprog-Einschlag.
Ihr seht, das Abkupfern überlässt man im Hause IS LOVE ALIVE? ebenso anderen, wie die Bequemlichkeit einer zu eng gesteckten Genreschublade. So ist "Welcome Home..." zwar zu jeder Zeit klar als Werk mit doomigem Rückgrat zu erkennen, das in der Doom-Szene viele Freunde finden wird, doch es lässt sich nicht in eine allzu limitierte Unterspielart pressen, was auch das verhältnismäßig flotte, und recht locker rockende 'Psycho Woman' mit seinem tollen, NWoBHM-lastig klingenden Gitarrensolo und der melodischen Herleitung desselben unterstreicht. Mit 'Rejected Messiah' lädt man zum spacig dahin schwebenden Doomtanz wie weiland WITCHFINDER GENERAL oder CATHEDRAL, schwelgerisch und jenseitig, nicht ohne darauf zu vergessen, immer wieder herrlich wabernde Soli einzuflechten, die vor Butchs und Sashs herrlich relaxter und dabei doch scharf akzentuierter Rhythmusarbeit letztlich auf glänzende Weise den Anspruch Dave Chandlers an die Doomwelt der Neuzeit unterstreichen: "Mehr Soli!"
Wenn die Bergkamener schließlich mit dem wunderschönen, kurzen Akustikgitarrenstück 'The Last Sunset' das passend betitelte Finale 'Doomsday Clock' einleiten, dann wird nochmals alles aufgeboten, was ein tolles Intstrumental ausmacht: Flirrende, schwebende und wabernde Keyboards, die sich mit den Drums und dem Bass einen wunderbaren Shootout liefern, wie es einst vor knapp fünfzig Jahren bei URIAH HEEP und DEEP PURPLE zum guten Ton gehörte, bevor die doomigen Riffs die Oberhand übernehmen und sich dann mit ausgiebigen Soloeinlagen des Schlagzeugs abwechseln. Schließlich tickt eine Uhr, und dann geht die Zeitbombe los: Verliert also keine Zeit und holt euch dieses eindringliche, abwechslungsreiche und völlig ungenerische Doomwerk, bevor es zu spät ist. Das Album erscheint offiziell sowohl auf Vinyl über Underground Power, als auch digital. Für Leute, die keinen Plattenspieler haben, gibt es jedoch direkt bei der Band auch ein limitiertes Kontingent als CD in der Promo-Papphülle. Wenn ihr ein solches ergattern möchtet, denn wendet euch unbedingt zeitnah an die Band.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle