ISENGARD (N) - Vårjevndøgn
Mehr über Isengard (N)
- Genre:
- Doom Metal / Epic Metal / Speed Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Peaceville Records
- Release:
- 18.10.2020
- Cult Metal
- Dragon Fly (Proceed Upon The Journey)
- Floating With The Ancient Tide
- The Fright
- A Shape In The Dark
- Slash At The Sun
- Rockemillion
- The Light
- The Solar Winds Mantra
Fenriz hat alte Aufnahmen gefunden, auf denen er dem Metal-Kult der Achtziger frönt.
Als Fenriz vor einigen Monaten öffentlich machte, dass er ein neues Werk seines alten Soloprojektes ISENGARD an den Start bringen wolle, da spitzten nicht wenige alte Fans gespannt die Ohren, und als es dann sogar hieß, dass es sich um unveröffentlichte Aufnahmen aus den Jahren 1989 bis 1993 handeln solle, die der gute Mann in seinem Necrohell-Studio zusammengeschraubt und nun auf alten Tapes wiedergefunden habe, dürften sich viele schwer getan haben, die Vorfreude einzudämmen, denn um die Erinnerung aufzufrischen: Dort entstanden etwa zur selben Zeit auch Klassiker norwegischer Finsterkunst wie ISENGARDs auf der Compilation "Vinterskygge" zusammengefasste Demos oder natürlich das epochale "Transilvanian Hunger"-Meisterwerk von DARKTHRONE. Erwartungen schienen daher - durchaus auch beim Verfasser dieser Besprechung - ins Unermessliche zu wachsen, und nun, wo wir "Vårjevndøgn" (norwegisch für die Frühlingstagundnachtgleiche) in Händen halten, da lässt sich in vielen Gesichtern doch Ernüchterung ablesen.
Doch es sei gestattet zu fragen, warum dies so ist, und welche genauen Erwartungen die Enttäuschten denn nun an die dritte ISENGARD gehabt haben: Habt ihr die "Traditional Doom Cult"-Single nicht gehört, die Fenriz vor vier Jahren an den Start gebracht hat, und die mit 'The Fright' und 'The Light' bereits zwei der nun auf "Vårjevndøgn" vertretenen Stücke vorweg genommen hat? Ist es euch komplett entgangen, dass Fenriz auf diesen Songs ganz klassischen Doom gespielt hat, der massiv von BLACK SABBATH und PENTAGRAM beeinflusst war und auch gesanglich hörbar den Hut vor Bobby Liebling gezogen hat? Wusstet ihr nicht, dass schon 1994 unter dem "Vinterskygge"-Banner stilistisch sehr unterschiedliche Demos zusammengefasst worden sind und auch dieses Kultalbum weit davon entfernt war, reiner und purer Black Metal zu sein? Und zu guter Letzt sollte der eine oder andere doch auch schon vor 25 Jahren mitbekommen haben, dass Fenriz in den späten Achtzigern bereits bei den Doom-Traditionalisten VALHALL am Start war, und wenig später sein eigenes ebenfalls doomiges Projekt verfolgte.
Mancherorts geht die Enttäuschung gar so weit, dass angezweifelt wird, dass es sich wirklich um Aufnahmen aus den Jahren 1989-1993 handle und Fenriz nur seine Underground-Metal-Credibility nochmal erhöhen möchte, indem er seine bekannte Vorliebe für MANILLA ROAD, AGENT STEEL und PENTAGRAM quasi rückdatiert. Nun, da ich nicht dabei war, kann ich das natürlich nicht verifizieren oder falsifizieren, aber klar ist, dass die Aufnahmen auf "Vårjevndøgn" definitiv klanglich denselben Spirit atmen wie die bekannten Sachen von "Vinterskygge". Das rauscht und rumpelt schon ordentlich, und dass das folkige Element nie so recht sein Ding war, hat Fenriz ja schon vor Jahren gesagt, so dass dessen Fehlen kaum überrascht. Ebenso klar ist, dass sich Fenriz schon damals mit traditionellen Doom- und Epic-Metal-Einflüssen befasst hat, denn solche sind schon in zahlreichen älteren Projekten überliefert, und mehrere der nun veröffentlichten Songs tauchten komplett oder auszugsweise in anderen Versionen und bei anderen Projekten auch schon auf, sind also definitiv "alt".
Daher lasse jedenfalls ich mich im vollen Glauben an die Authentizität des Albums und den Inhalt der ausführlichen Linernotes auf diese nicht mehr ganz so neuen Stücke ein und folge Fenriz in die Schlacht, wenn er seinen 'Cult Metal' augenzwinkernd in einem so kurzen wie albernen Intro ankündigt. Der eigentliche Opener 'Dragon Fly (Proceed Upon The Journey)' präsentiert sich dann auch als verwaschener, rumpeliger 80er-Speed-Metal vom Fass mit schwindelerregend hohem Falsett-Gesang aus Herrn Nagells Kehle, also mit einen guten Schuss AGENT STEEL versehen, bevor 'Floating With The Ancient Tide' und das bereits erwähnte 'The Fright' dann die obligatorische PENTAGRAM-Schlagseite ausgiebig zu würdigen wissen. Ersteres hat dabei aber tatsächlich vom speziellen Groove her ein bisschen was von ISENGARD zu 'Storm Of Evil'-Zeiten.
Eine erneut flotte Traditionsstahlhommage gibt es mit 'A Shape In The Dark', bevor 'Slash At The Sun', das in einer anderen Version schon bei VALHALL im Programm war, wieder die Doomseelen wärmen darf, und sodann mit dem knallharten und auf Norwegisch gesungenen Hardcore-Punk-Smasher 'Rockemillion' (von Fenriz auch bereits für die REGRESS F.F.-Single genutzt) richtig am Rad gedreht wird. Wenn dann zum Ende hin nochmals das bereits von der letzten 7" bekannte 'The Light' die doomigen Gelüste der Fans befriedigt und das 'The Solar Winds Mantra' in THE DOORS-Psychedelik abtaucht, dann hat ISENGARDs "Vårjevndøgn" sicherlich vielen Interessierten nicht das geboten, was sie erwarten wollten, denn natürlich fehlt der Scheibe viel von der gruftigen Dunkelheit und Bösartigkeit der bekannten und geliebten Sachen von "Vinterskygge" und "Høstmørke", so dass der Gruselvampir aus dem Logo keine allzu spürbare Präsenz entfalten möchte, aber sie hat dennoch auch merkliche Gemeinsamkeiten mit den ersten beiden Scheiben.
Denn am Ende steht auf "Vårjevndøgn" tatsächlich das, was man erwarten dufte: Neun alte Proberaumaufnahmen, die Fenriz von 1989 bis 1993 alleine zu Hause aufgenommen hat, und die er nun wieder gefunden hat. Kein Etikettenschwindel also, sondern nichts als die Wahrheit, denn wenn diese Songs damals anno 1994 nicht auf "Vinterskygge" gelandet sind, dann dürfte das nicht zuletzt daran gelegen haben, dass sie eben nicht so ganz zum damaligen urbösen und kuhranzenfinstren Image von DARKTHRONE und ISENGARD gepasst haben. Dass Fenriz uns heute, wo er seine traditionellen Metal-Einflüsse ganz unbefangen zeitweise sogar mit DARKTHRONE selbst auslebt, seine alten Experimente mit dem Metalkult zugänglich macht, finde ich recht verständlich und auch durchaus lobenswert, denn für sich genommen sind die Songs teilweise echt großartig. Sie sind halt nicht "Høstmørke Pt. II", und schon dafür werden sie viele Leute hassen. Ob das ISENGARD-Logo drauf sein musste, oder ob nicht das RED PLANET-Logo geeigneter gewesen wäre? Nun, das mag jeder für sich entscheiden. Mir gefällt die Musik und mir gefällt das Artwork, von daher geht es aus meiner Perspektive absolut klar, das Album so zu veröffentlichen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle