JAG PANZER - The Scourge Of Light
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2011
Mehr über Jag Panzer
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- SPV (SPV)
- Release:
- 25.02.2011
- Condemned To Fight
- The Setting Of The Sun
- Bringing On The End
- Call To Arms
- Cycles
- Overlord
- Let It Out
- Union
- Burn
- The Book Of Kells
JAG PANZER in gewohnt großartiger Form - das lange Warten hat sich gelohnt!
Sieben lange Jahre haben uns die fünf Herren aus Colorado inzwischen warten lassen, seit im Jahre 2004 das starke, aber leider ziemlich untergegangene "Casting The Stones" erschien. Ob es an den zahlreichen Festivalauftritten lag, oder daran, dass Gitarrenwunder Chris Broderick die Band gen Megadave verließ und Rückkehrer Chris Lasegue sich erst wieder richtig einleben musste? Man weiß es nicht, und letztlich ist es auch nicht so wichtig, denn entscheidend ist, dass dieser Tage endlich JAG PANZERs neuntes Studioalbum in die Läden kommt. Es hört auf den Namen "The Scourge Of Light", wird von einem wunderschönen Artwork des kalifornischen Künstlers Justin Yun geziert, und es enthält zehn neue Songs, die sich auf eine Spielzeit von knapp fünfzig Minuten verteilen. Doch widmen wir uns nach diesen Rahmendaten endlich dem musikalischen Inhalt: Der Jagdpanzer präsentiert sich heuer wie gehabt progressiv und verspielt, doch für mein Empfinden im Mittel etwas songorientierter als auf den drei regulären Vorgängeralben. Es gibt wieder einige geradlinigere Stücke, deren Refrains schnell ins Ohr gehen und zum Mitsingen einladen, wie es seit "Mechanized Warfare" eher selten der Fall war, und es gibt auch den einen oder anderen Moment, in dem sich Harry Conklin nicht scheut, mal ein wenig deutlicher dem einen oder anderen großen Vorbild zu huldigen. Natürlich niemals in einem Maße, dass er nicht mehr nach dem Tyrant klänge, aber doch bemerkbar.
Wenn wir uns nun die einzelnen Songs vornehmen, ist zunächst zu konstatieren, dass die Band ihre Kritikern mit dem Opener nicht gerade leicht zum Verstummen bringen wird. Wer seit Jahren darüber lamentiert, dass sich JAG PANZER zu weit vom klassischen US-Metal weg und zu sehr hin zu einer europäisch klingenden Power/Prog-Band entwickelt hat, der wird sich mit dem sehr schnellen, von Rikard Stjernquists ballerndem Schlagzeug und melodisch-flotten Doppelläufen des Gitarrenduos Briody/Lasegue geprägten 'Condemned To Fight' nur schwer anfreunden. Doch dies war auch schon das einzige Stück, das in diese Kerbe haut. Schon beim folgenden 'Setting Of The Sun' schlägt die Band epischere, romantischere und elegischere Töne an. Vor rhythmisch etwas vertrackten Arrangements, aber melodisch herrlich aufblühenden Gitarren entfaltet sich Harrys eindringlichem Gesang und die Violine, welche seit Mitte der Neunziger ein sparsam und dezent eingesetzter, aber doch fester Bestandteil des Panzersounds geworden ist. Hier werden fraglos Erinnerungen an 'Thane To The Throne' wach. Für JAG PANZER eher untypische Akzente setzt 'Bringing On The End' mit seinem verschleppten Gesangsfluss, den mehrfach geschickt eingesetzten Tempobremsen und einem sehr eigenwilligen rockigen Groove in der Bridge. Das Mittelstück gemahnt in Sachen Gesangshookline kurz an Ronnie James Dios frühe Zeit mit RAINBOW. 'Call To Arms' ist für mich im Anschluss der Song zum Artwork: Mit ein wenig Military Snare und elbengleichem Gesang erblüht vor dem inneren Auge das immergrüne Lorien und Galadriel höchstselbst winkt den in die Schlacht ziehenden Recken hinterher. Das Stück an sich knüpft auf wunderbare Weise an "Chain Of Command"-Zeiten an. Melodische Lasegue-Leads die für sich selbst schon mitsingbar sind, und dazu ein Refrain, der endlich einmal wieder das Zeug dazu hat die Fans vor der Bühne zum kollektiven Mitsingen zu animieren, wie das seit Jahren nicht mehr der Fall war.
Dass die Band auch heavy und kantig schroten kann, beweist sie mit dem Midtempo-Stampfer 'Cycles', der in einem nicht störenden Ausmaß mit Verzerrer-Effekten arbeitet, die in Kombination mit dem sehr klassischen Heavy-Riffing einen interessanten Kontrast zwischen Tradition und Moderne zeichnet. Das Stück ist kein Volltreffer, aber ein interessantes Experiment. Ein echtes Highlight stellt dann jedoch 'Overlord' dar, dessen Spannungsaufbau nur als großartig bezeichnet werden kann, und das besondere Glanzpunkte mit John Tetleys schönen Bassläufen, im sehr passenden Einsatz der Violine und in einem königlichen Refrainhook Harry Conklins setzt. Mit 'Let It Out' folgt ein Stück, das ich in seiner schnörkellos geradeaus rockenden Manier mit Mark Briodys knackigen Riffs als Hommage an das DIO-Frühwerk wahrnehme. Danach beginnt dann auch schon das große Finale in Gestalt der letzten drei Songs, derer erster mit 'Union' bereits ein weiteres absolutes Highlight der Scheibe darstellt. Auch hier haben wir es wieder mit einer echten JAG-PANZER-Fanhymne zu tun, die zwar lange nicht so kracht wie 'Generally Hostile' und nicht so extrem ohrwürmelt wie das legendäre 'Chain Of Command', das jedoch ebenfalls einen herrlich eingängigen Refrain, gesangliche Magie und ein mitten im Song herrlich kulminierendes Solo Chris Lasegues aufbieten kann. Mit melancholisch-romantischen Pianoklängen wird dann 'Burn' eingeleitet, bevor Gitarrenriffs einsteigen, die JAG PANZER so heavy präsentieren wie lange nicht mehr. Schon bald treten grandiose Leads und eine leicht orientalische Melodielinie hinzu, bevor Harry Conklin im Vers eine kleine Halford-Scream-Huldigung abliefert. Bridge und Refrain sind dann hintergründig und dunkel, so dass die vorletzte Stelle dem vielleicht spannendsten Song des Albums vorbehalten war. Doch JAG PANZER wären nicht JAG PANZER, wenn sie sich nicht für den Schluss ein echtes Epos aufgehoben hätten, welches dieses Mal auf den Namen 'The Book Of Kells' hört und in der besten Tradition von Stücken wie 'Tragedy Of Macbeth' und 'The Moors' steht.
So lässt sich beruhigt das Fazit ziehen, dass JAG PANZER auch im Jahre 2011 noch eine echte Bank ist, der mit "The Scourge Of Light" der Spagat zwischen dem progressiven und technischen Anspruch der letzten Jahre und einem gewissen Maß an Eingängigkeit und Hymnenhaftigkeit zu meistern. Es gibt zwar zwei oder drei Stücke, die bei mir nicht vollends zünden wollen, doch auch die sind schon durch die stimmliche Meisterleistung und die beeindruckende Musikalität der Instrumentalisten dem Großteil der Konkurrenz weit voraus. Bei den übrigen Stücken zeigen sich Colorados Vorzeigemetaller von ihrer besten Seite, und so kann ich "The Scourge Of Light" wirklich jedem bedingungslos empfehlen, der anspruchsvollen, verspielten, dabei aber weder verkopften noch kitschigen Heavy Metal mit unvergleichlich gutem Gesang und einem untrüglichen Gespür für tolle Gitarrenmelodien liebt. Wer indes in weltfremder Erwartung auf eine radikale Wurzelkur gehofft hat und JAG PANZER gerne wieder im ungeschliffenen "Ample Destruction"-Stil hören würde, der wird weiterhin jammern müssen.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle