JAN G. GRüNWALD - Male Spaces
Mehr über Jan G. Grünwald
- Genre:
- wissenschaftliche Untersuchung
- Label:
- Verlag: Campus
- Release:
- 21.06.2012
- 229 Seiten
Bildinszenierungen archaischer Männlichkeiten im Black Metal
Bücher über Metal sind sehr beliebt. Fast jeder Black-Metaller hat schon ein mal "Lords Of Chaos" von Michael Moynihan gelesen oder zumindest durchgeblättert, genauso wie jeder Death-Metaller die Fachlektüre "Swedish Death Metal" von Daniel Ekeroth und Andreas Diesel kennen sollte. Neben diesen Szene-Büchern gibt es aber auch wissenschaftliche Bücher, die sich mit der Materie auseinandersetzen. "Die Black-Metal-Szene: Eine qualitative Studie" von Martin Langebach ist so ein Buch. Aber die Tatsache, dass gerade mal 20 Menschen im Rahmen dieser "Studie" befragt wurden, mindert die Aussagekraft doch sehr. Trotzdem ist es sehr viel wissenschaftlicher und differenzierter als das allseits verhasste "Unheilige Allianzen: Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus" von Christian Dornbusch, zu dem man keine weiteren Worte zu verlieren braucht.
Mit "Male Spaces - Bildinszenierungen archaischer Männlichkeiten im Black Metal" von Jan Grünwald liegt nun ein weiteres wissenschaftliches Buch vor, das sich mit dem Thema Black Metal befasst. Diesmal geht es aber weniger um Fans, Musik und Bands im Allgemeinen und mehr um ihre Musikvideos im Speziellen. Es soll analysiert werden, wie das männliche Rollenverständnis im Black Metal durch die visuelle Umsetzung vermittelt wird. Die fachliche Qualifikation hierfür dürfte Dr. Grünwald durch seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Neue Medien am Institut für Kunstpädagogik der Universität Frankfurt am Main von Haus aus mitbringen, aber man muss sich natürlich fragen, ob das, was er vorhat, so überhaupt umsetzbar ist. Immerhin ist wohl kein Subgenre im Metal so allergisch auf alles, was nach Kommerzialisierung riecht, wie der Black Metal und das Drehen eines Clips gilt so für viele Nachtschattengewächse ja schon fast Verrat an den Grundsätzen.
Dennoch stellt sich Grünwald dieser Aufgabe und hat sich mittels DVD-Sampler und YouTube einen kleinen Fundus zusammengestellt, den er zum Gegenstand seiner Arbeit macht. Im Anhang des Buches kann man die Liste der genutzten Videos begutachten und es fällt auch, dass ein ganz schönes Ungleichgewicht entstanden ist. Denn logischerweise tauchen DIMMU BORGIR und CRADLE OF FILTH inflationär häufig auf, da sie sowieso mehr Zeit im Film- als im Tonstudio verbringen. Das führt bei der Analyse logischerweise zu Problemen. Denn gerade wenn es darum geht, das Verhältnis von Mann und Frau in Black Metal Videos zu analysieren, entsteht hier ein falscher Eindruck. Natürlich findet man zum Beispiel bei CRADLE OF FILTH oder SATYRICON eine gewisse emotionale wie sexuelle Erniedrigung der Frau durch einen Mann, aber kann man das verallgemeinern und universell auf die Darstellungsform des Black Metal anwenden? Außer bei DIMMU BORGIR und den beiden genannten Bands sind Frauen im Black Metal eher die Ausnahme. Die Regel sind vielmehr Performance-Videos und auch das fällt Grünwald im weiteren Verlauf des Buches auf. Sehr ausladend geht der Autor darauf ein, wie bei Videos von GORGOROTH und 1349 Vordergrund und Hintergrund durch den Einsatz von Nebel und Schatten miteinander verschmelzen und wie der Raum durch Subjekte und Objekte definiert wird. Das ist zwar anfangs sehr interessant und bietet im weiteren Verlauf für Medienwissenschaftler und Filmstudenten haufenweise Denkanstöße, aber da hat schon der Großteil der Leserschaft, die das Buch in die Hand genommen hat, weil auf dem Deckel was von Black Metal steht, bereits lange abgeschaltet. Womit wir bei einem generellen Problem sind, was "Male Spaces" besitzt. Denn Black Metal ist hier nicht direkt das beherrschende Thema, sondern vielmehr ein Beispiel, an dem archaische Männlichkeit in unserer modernen Gesellschaft analysiert werden soll. Das merkt man auch daran, dass die ersten 40 Seiten so gut wie nichts mit Metal zutun haben und man vorrangig eine ausführliche Einführung in das Thema archaische Männlichkeit erhält. Auch hier muss man wieder sagen, dass das für ein Fachpublikum sicher sehr wichtig und aufschlussreich ist, aber der "normale" Leser sich nur unwissend am Kopf kratzt.
Allerdings fühlt man sich wieder klüger, wenn es um die Grundlagen des Black Metal geht, die dem "normalen" Black-Metal-Fan vertraut sein dürften. Hier werden eher die Metal-fremden Kulturanthropologen mehrmals drüber lesen müssen, um zu verstehen, was es mit "Trueness" und "Corpsepaint" auf sich hat. Dafür liefert es den Black-Metallern nicht wirklich neue Erkenntnisse und Fakten, auch wenn es unheimlich interessant und bisweilen witzig ist zu sehen, was man alles aus einem IMMORTAL-Video herauslesen kann, wobei es doch im Grunde nur darum geht, dass Abbath und Co angemalt und in Leder gehüllt auf einer Eisscholle einen Song zocken.
Weniger lustig ist allerdings, dass ein leicht negativer Anklang von vornherein vorhanden ist. Bei aller wissenschaftlichen Distanz, die Grünwald stets ward, kann man zwischen den Zeilen herauslesen, dass hier gewisse Vorurteile gegen Schwarz-Metaller bedient werden. Sexismus, Rechts-Extremismus und Gewaltbereitschaft klingen in diesem Zusammenhang immer wieder an, und auch wenn diese negativen Aspekte in der Szene vorkommen, kann sollte man sie nicht Absolut setzen. Gerade in den letzten Jahren hat sich doch viel im Black Metal getan und das gängige Schema wurde mit Post-Rock-, Psychedelic- und Folk-Einflüssen aufgebrochen. Leider finden diese neuen Aspekte in "Male Spaces" nur auf knapp dreieinhalb Seiten relativ am Ende statt.
Trotz allem würde ich das Buch weiterempfehlen. Ich würde es vielleicht nicht gerade unter dem Publikum des "Kings Of Black Metal"-Festival verteilen, aber ein Student oder junger Wissenschaftler aus Soziologie und Medienwissenschaft wird hier viel für sich herausziehen können, und wenn man eine wissenschaftliche Arbeit über Männlichkeitsforschung schreiben muss, ist das Buch in meinen Augen erste Wahl, da es diesen Bereich sehr umfassend abdeckt. Mit 624 Fußnoten und zehn Seiten Literaturverzeichnis bekommt man sehr viel weiterführende Informationen und Anregungen zum Thema, auch wenn die ständigen Fußnoten den Lesefluss erheblich stören, aber daran kranken ja alle wissenschaftlichen Werke.
"Male Spaces" von Jan Grünwald ist ein Buch für ein Fachpublikum und als dieses rundum gelungen. Wer es allerdings als Außenstehender lesen möchte, weil im Titel die Worte "Black Metal" vorkommen, sollte lieber zum eingangs erwähnten "Lords Of Chaos" greifen. Das Buch ist als Softcover bei Campus für 34,90 Euro erhältlich.
- Redakteur:
- Adrian Wagner