JELONEK - Jelonek
Mehr über Jelonek
- Genre:
- Instrumental Metal/Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Mystic Production
- Release:
- 25.01.2010
- BaRock
- B.East
- Vendome 1212
- Akka
- Steppe
- A Funeral Of A Provincial Vampire
- Lorr
- Beech Forest
- War In The Kids Room
- Miserere Mei Deus
- Mosquito Flight
- MachineHat
- Elephant's Ballet
- Pizzicato - Asceticism
Der polnische Maestro ruft zum Tanz: Verrückte Geige und harter Rock ergibt JELONEK. Meisterhaft.
Manchmal hat man das Glück, kleine oder größere Juwelen in den Weiten des Internets zu finden. Und dafür sind Plattformen wie Myspace oder Last.fm trotz aller berechtigter Kritik einfach toll. Jüngst ging es mir so bei einem polnischen Künstler Namens Michal Jelonek, ein virtuoser Violinist, der seine Kenntnisse an diesem klassischen Instrument glücklicherweise in die Dienste des härteren Rocks gestellt hat.
Vielleicht sagt dem ein oder anderen Metalhead die polnische Metal-Band HUNTER etwas, dort übernimmt der Maestro seit ein paar Jahren die Position an der – wer errät es? – Violine und begeistert nebenbei am Mikrofon. Schon im Jahr 2007 hat der diplomierte Künstler dann sein selbstbetiteltes Solodebut aufgenommen. Erfahrungen hatte er zu diesem Zeitpunkt allerdings schon reichlich, hat er doch in zahlreichen Musikproduktionen mitgewirkt – seien es die erwähnten HUNTER, ANKH oder CLOSTERKELLER. Zuvor bereiste er mit dem Kammer- und Sinfonieorchester Kielce und dem Streicherquartett COLLEGIUM MUSICUM die Welt und konnte auf diesem Weg wohl den ein oder anderen interessanten Einfluss für seine eigene Arbeit finden.
Doch während wir im Westen von all diesen Aktivitäten leider überhaupt nichts mitbekommen, bleibt exemplarisch für Jeloneks Schaffen lediglich das großartige Album "Jelonek". Via Mystic Productions veröffentlicht, bietet es 14 Songs mit englischen Titeln, ein Quell wahrer Freude für Freunde intelligenter und toll arrangierter Instrumentalmusik. Ein Blick auf die Tracklist verrät bei einigen Songs, in welche Richtung die Musik geht, sei es das quirlige, durch hohe, schnarrende Töne dominierte 'Mosquito Flight', eine echte Rocknummer, oder das stampfende Schwergewicht 'Elephant's Ballet', welches den Hörer moshend durchs ganze Wohnzimmer scheucht. Daneben finden sich auch eher fremd wirkende Nummern auf der Scheibe, so sei an dieser Stelle auf das von Digeridoo und Off-Beat-Schlagzeug in fremde Sphären entführte 'Lorr' oder das mit tiefem Raunen unterlegte, eine innere Ruhe ausstrahlende 'Beech Forest' erwähnt.
Unheimlich spannend an diesem Album ist, dass Jelonek ein großes Gespür für Stimmungen an den Tag legt, die er nicht nur eingängig vermitteln kann, sondern die auch nach wiederholtem Hören erneut fesseln und die Songs auf eine einzigartige Art und Weise neu definieren. Hinterlegt mit fetten Gitarren und einem auf den Punkt genau passenden Schlagzeug, das weder zu sehr im Hintergrund liegt, noch durch eigenwillige Variationen im Vordergrund agiert, erschafft JELONEK Song für Song ein Klangpandemonium, das einen einfängt und fesselt. Die Variationen, mit denen Jelonek arbeitet, um seine Themen umzusetzen, sind dabei einfach genial – besser lässt es sich nicht umschreiben. 'War In The Kids Room' entfesselt im ersten Moment eine Schlacht von dramatischer Größe, nur um im nächsten Moment spielende Kinder zu inszenieren, die, mitten im Spiel begriffen, gar nicht merken, was sie da eigentlich gerade nachspielen. Naivität und Dramatik in solch verschiedenen Ebenen musikalisch einzufangen gelingt Jelonek nicht nur, nein, er erhebt es zur Kür.
Eine Verbeugung vor seiner klassischen Bildung stellt der Opener 'BaRock' dar. Darin findet sich sowohl das rhythmisch starre, ja, barocke Korsett, ohne Synkopen und Spielereien, eine klare Linie, als auch die groovige Note des harten Rocks, verbunden zu einem Maskenball voller Puder und fliegender Locken, einer überbordenden Synfonie streng angelegter Gärten und im Wahnsinn gegeneinander tanzender Putten. Das genaue Gegenteil ist die einsame, nach Wasser dürstende 'Steppe', die der Hörer mit dem Westwind überfliegt. Mit einer großen Liebe zum Detail erschafft Jelonek bei seinem Hörer genau das, was er als Inspiration für seine musikalischen Spielereien gefunden und in das ebenhölzerne Kästchen seiner gefühlvollen Allegorien versteckt hat. Wie ein musikalisches Mandala, das sich innerhalb großer, weißer Wolkenberge befindet, mutet die meditative Reise des letzten Songs, 'Pizzicato – Asceticism', an. Dieser schließt das Album in seiner traumhaften Stimmung würdig ab und vermittelt das Gefühl, trotz seiner Position am Ende des Albums, nicht das Ende, sondern gleichermaßen der Anfang zu sein. Und siehe da, nach einer kurzen Pause erhebt sich noch ein letztes Mal die Geige zu einem stimmungsvollen, irgendwie bejahenden Finale.
Fazit: Wenn Jelonek auf seiner Homepage von seiner Beteiligung in Arbeiten in den Bereichen Klassik, Pop, Folk, R'n'B, Rock und vor allem Metal schreibt, so ergibt das in diesem Album mit seiner Vielfältigkeit absolut Sinn. Mit einem Fokus auf Metal und Rock ließen sich bei einer eingehenden Betrachtung mit Sicherheit all diese Stile in diesem instrumentalen Meisterwerk wiederfinden. Das, was JELONEK ausmacht, ist die Größe seiner Songs. Darüberhinaus ist er zweifelsfrei ein großer Techniker an seinem Instrument und hat dann zu allem Überfluss noch eine perfekte Produktion im Hintergrund. Jeder, der irgendwie etwas mit Instrumentalmusik der härteren Gangart, mit einer Geige als tragenden Protagonisten, anfangen kann, sei dieses Album ans Herz gelegt. Und wenn ich mir nun die Musik zum hundertsten Male anhöre, dann hoffe ich voller Spannung darauf, dass JELONEK auch einmal in Deutschland auftritt und seinen Bekanntheitsgrad erhöht. Denn die Voraussetzungen sind geschaffen. Möge das Begräbnis eines Provinzvampirs also auch in Deutschland zelebriert werden!
Anspieltipps: BaRock, Steppe, War In The Kids Room, B.East
PS.: Die CD gibt es derzeit lediglich über das polnische Label Mystic Productions zu beziehen.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Julian Rohrer