JO QUAIL - The Cartographer
Mehr über Jo Quail
- Genre:
- Instrumental / Post Metal / Neoklassik / Alternative
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- By Norse Music
- Release:
- 06.05.2022
- The Cartographer - Movement 1
- The Cartographer - Movement 2
- The Cartographer - Movement 3
- The Cartographer - Movement 4
- The Cartographer - Movement 5
Geniestreich der bezaubernden Cellistin.
Jo Quail ist ein Name, der bereits seit Längerem in diversen Musikszenen die Runde macht. Als Cellistin und Komponistin wandelt die Britin seit 2010 auf Solopfaden und hat sich durch ihre spezielle Art, klassische und elektronische Musik mit Metal und Post Rock in Loops miteinander zu vermengen, bereits eine breite Fangemeinde geschaffen. Bisher gibt es vier Studioalben von Jo Quail: "From The Sea" aus 2010, "Caldera" aus 2014, "Five Incantations" aus 2016 und "Exsolve" aus 2018, welche allesamt von ihr selbst veröffentlicht wurden. "The Cartographer" ist somit das erste Album, das über das noch junge Label ByNorse erschienen ist. Zudem hat die Musikerin schon drei EPs und eine Live-DVD veröffentlicht und mit einigen Künstlern wie beispielsweise SIEBEN oder Eraldo Bernocchi und FM Einheit von den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN zusammengearbeitet. Auf Livetouren war sie ferner Support-Act für Bands und Künstler wie zum Beispiel MONO, MYRKUR, AMENRA und WARDRUNA. Als nächstes wird sie Emma Ruth Rundle auf ihrer Tour begleiten.
"The Cartographer" ist ein Kommissionswerk, welches im Auftrag des Roadburn Festivals entstand, wo es im April 2022 auf der Hauptbühne 013 mit Liveunterstützung durch ein Orchester sowie der Sängerin Lucie Dehli und dem Sänger Jake Harding fulminant Premiere feierte und lange nachwirkt, was ich persönlich erfahren durfte. Das Album besteht aus fünf Teilstücken - nummeriert als 'Movement 1' bis 'Movement 5'. Darin überwindet Jo Quail die Grenzen zwischen Klassik und Heavy Music. Die Komponistin führt dazu aus: "Was macht Musik schwer? Als Künstlerin und Komponistin, die sowohl in der klassischen als auch in der zeitgenössischen Musik zu Hause ist, bin ich der Meinung, dass das Konzept der Schwere in der Musik durch die Intention des Komponisten und die Art der Darbietung bestimmt wird. Heaviness ist wohl ein emotionales Konzept, das weit über die Grenzen von Lautstärke, Geschwindigkeit und Instrumentierung hinausgeht." sowie "Das ist das längste Stück, dass ich je geschrieben habe, die größte Herausforderung, und auch die demütigendste, doch wiederum inspirierendste Erfahrung, dieses Werk aufzunehmen und dann aufzuführen."
Das überaus passende Cover-Artwork wurde von David Rooney kreiert und spiegelt nach Aussage von Jo Quail ihre Vision der Geschichte wieder, die sie mit "The Cartographer" erzählen will. Der ein dutzend Minuten währende Opener öffnet mit einem ambient untermalten Monolog, vorgetragen von Alice Krige, die Tür zu dem von der Komponistin erschaffenen Universum. So ist 'Movement 1' die perfekte Soundkulisse, sollte man einmal die Gelegenheit erhalten, durch den Weltraum zu schweben und sei es nur in Gedanken. Lediglich die Blasinstrumente entfalten mitunter einen bedrohlichen Effekt. Der rein instrumentale Neunminüter 'Movement 2' präsentiert ein auf wundersame Weise einwickelndes Klangbild als Intro, welches mich gedanklich auf den Ozean versetzt. Dann erschallt der Song mächtiger, nach einer Minute abgelöst von leichten Piano-, Cello- und Bläsertönen sowie teilweise undefinierbaren Geräuschen, welche die Neugierde aufrecht erhalten. Im letzten Drittel finden alle Musiker langsam wieder zueinander.
Der mit einer Viertelstunde längste Track ist in der Mitte des Albums zu finden. Unartikulierter weiblicher Gesang entführt in eine Traumwelt und wird kurz von Percussions unterbrochen, bevor dieser durch Cello, Geige und den Blasinstrumenten Begleitung erhält. Nach reichlich drei Minuten Schrecken Piano und Percussions mit ihrer Brachialität auf. Nachfolgend kommt die Stimme von Jake Harding zum Einsatz - anfangs mit gesprochenen Worten, welche sich im Weiteren langsam zu Gesang wandeln und später passend zur Musik gar in Schreien ausarten. 'Movement 4', das ebenfalls instrumental verbleibt, erweckt mit seinem Takt gleich zu Beginn den Wunsch nach Bewegung in Form von Tanz, welcher bis zum Ende nicht nachlässt. Im abschließenden Song kehrt der schöne Frauengesang zurück. Gemeinsam mit allen Musikern erscheint ein berauschendes Klangbild, in welchem man gern noch etwas länger schwelgen möchte. In der zweiten Hälfte wird die männliche als Kontrapunkt zur weiblichen Stimme eingesetzt, was sich auf der oben erwähnten Festivalbühne wie ein intensiver Dialog darstellte.
"The Cartographer" ist ein orchestrales Werk, dem man volle Aufmerksamkeit zollen sollte, um es in Gänze wertschätzen zu können. Hiermit ist der britischen Künstlerin ein beeindruckender Geniestreich gelungen. Jedes einzelne Stück erzielt auf seine ganz eigene Art eine immens starke Wirkung. Beim Anhören wird die Latte so weit oben angesetzt, dass es auch aufgrund des erzeugten Nachhalls schwierig ist, danach einfach zu einem anderen Album überzugehen. Da lässt man diese Komposition nach dem Genuss lieber erst ein Weilchen nachwirken.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Susanne Schaarschmidt