KONTINUUM - Kyrr
Mehr über Kontinuum
- Genre:
- Ambient Rock / Post Rock
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Candlelight Records
- Release:
- 20.04.2015
- Breathe
- Í Huldusal
- Hlidargötu Heimsveldi
- Kyrr
- Undir Punnu Skinni
- Lone
- In Shallow Seas
- Red Stream
Herzerwärmende Eiseskälte.
Oh Island, du tristes Juwel in den Weiten des Meeres, bedrängt von den kalten Wellen des Atlantiks, gemartert von urgewaltigen Ausbrüchen aus dem Erdinneren, du Welt der eisigen Winde, der kochend heißen Quellen. Du Insel der scharfen Kontraste, lebensfeindlich und lebensspendend zugleich. Wenn, ja wenn es einen Ort gibt, der als Geburtsort nachdenklicher, verträumt-surrealer Klänge dienen muss, dann ist es dieses einsame Eiland im nördlichen Atlantik. Ein wunderbares musikalisches Kleinod, das uns vom äußersten Vorposten Europas erreicht, hört auf den bezaubernden Titel "Kyrr" (isländisch für "still, ruhig"), gewoben, gesponnen, geträumt von KONTINUUM aus Reykjavik.
Schon das Cover, dessen Betrachtung das Blut in den Adern gefrieren lässt, spricht Bände. Unbeschreiblich auch, wie die Nordmänner auf "Kyrr" mit einfachsten Mitteln eine ebenso eiskalte wie schmeichelnd-herzerwärmende Atmosphäre heraufbeschwören. Sanfte Post-Rock-Klänge, nachhallende Gitarrensounds, eine weiche, dezente Produktion – der Opener 'Breathe' ist mit seiner unaufdringlichen Dynamik alles andere als träge, doch mit einem leicht verwaschenen Klangbild und den melancholischen Melodien eben auch alles andere als eine Partygranate. Eine Prise Post Punk, ein Hauch Indie, und dann wieder Dark Metal mit Gothik-Anleihen – ließen sich DURAN DURAN, KATATONIA und SÓLSTAFIR in einen Topf werfen, würde das Ergebnis vielleicht ähnlich klingen wie "Kyrr". Doch KONTINUUM bewegt sich scheinbar auf einem eigenen, entlegenen Himmelskörper, ebenso erdverbunden wie geistig entrückt. Und wenn die Insulaner von der englischen zu ihrer Landessprache wechseln, erhält ihr zweites Album einen geradezu mystischen Anstrich. Der klare, beschwörerische Gesang hypnotisiert geradezu, die dunkle, jedoch nie aggressive Soundkulisse zaubert ein ganzes Breitbildportrait einer kalten, erstorbenen Welt in den Raum, in der die Hoffnung auf ein letztes Lebenszeichen jedoch nie vollständig erlischt. 'Huldusai' ist eines dieser rockig-rätselhaften Stücke, das man sich auf einer nicht enden wollenden nächtlichen Autofahrt anhören könnte, mit wachen Sinnen und schweifenden Gedanken. 'Hildargötu Heimsveldi' wiederum klingt nach folkigem Dark Metal Marke neuerer INSOMNIUM (wobei das bei den Isländern weitaus mehr Sinn macht als bei den ehemaligen Melodic-Death-Königen), während der Titeltrack nochmal einen ganzen Zahn zulegt, sowohl an Härte als auch an Nachdenklichkeit.
"Kyrr" hat seine stärksten Momente in den ruhigen Augenblicken (die eindeutig überwiegen), verliert die Spur aber auch in den rockigeren Passagen keineswegs. Die letzten beiden Tracks, mit höherem Grad an Härte und Düsternis passen vielleicht weniger zum restlichen Album, doch an anderen Stellen - gerade beim Titeltrack 'Kyrr' - holen die isländischen Lyrics den Hörer immer wieder zurück in diese (Alb)Traumwelt aus kaltem Gestein und kochenden Geysiren. Die Herren von KONTINUUM schaffen auf ihrem zweiten Album auf beeindruckende Weise Atmosphäre, wissen die Hörerschaft zu berühren, aufzuwühlen, ohne sie mit Kitsch und manipulativer Tränendrüsendramatik zu erschlagen. Ein Album für besinnliche Momente, dunkle Abende, für jenen Raum, in dem endlich der enge Zeitrahmen des Alltags seine Bedeutung verliert, und den sich der moderne Mensch viel zu selten gönnt. Nicht spektakulär, nicht überwältigend, sondern auf ganz schlichte Weise faszinierend und bezaubernd.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause