LAMB OF GOD - Wrath
Mehr über Lamb Of God
- Genre:
- Pure American Metal
- Label:
- Roadrunner Records
- Release:
- 20.02.2009
- The Passing
- In Your Words
- Set To Fail
- Contractor
- Fake Messiah
- Grace
- Broken Hands
- Dead Seeds
- Everything Is Nothing
- Choke Sermon
- Reclamation
<strong>Das Schwärmen bei dem genüsslichen Lauschen eines Albums kann bisweilen ins Epische ausarten; bisweilen neigt der Rezensent dazu romanartiges zu verfassen... so auch hier bei dem neuen Machwerk von LAMB OF GOD.<br /></strong>
Das Lamm Gottes. Lämmisch ist diese Band auf keinen Fall, mehr göttlich als lämmisch. Definitiv. Nicht viele Bands können de facto von sich behaupten zu einer festen Größe im Heavy-Metal-Business zu gehören und gleichermaßen Fans wie Kritiker zu begeistern und darüber hinaus auch noch sich weiterzuentwickeln, sich während dieses Prozesses selbst treu zu bleiben, konsequent seinen eigenen Weg zu gehen, auf dem Teppich der realistischen Genügsamkeit zu bleiben und nichtsdestotrotz den Weg des real Rock 'n' Roll zu bestreiten, ihn auszuleben. LAMB OF GOD ist so eine Metallmannschaft. Sie besticht gerade durch sportliches Fairplay, fanfokussierte Loyalität und authentische Menschennähe. Und ihr aktuelles, garantiertes Langzeitmoshseminar "Wrath" ist ein weiteres affirmatives Dokument, eine eudämonische Konfession zu dieser stählernen Philosophie. LAMB OF GOD anno 2009 beweisen in jedem Moment wie „Pure American Metal“ zu klingen hat. Wer hier noch von stereotypischem Metalcore redet, ist ganz augenscheinlich nicht recht bei Sinnen.
Im Gegensatz zum vor Catchyness nur so überschäumenden und voller Hooklines bespickten Vorgänger "Sacrament" klingt "Wrath" ausgereifter, filigraner, noch versierter, eine Kante mehr harmonischer, bluesmäßig wärmer und zu guter letzt auch noch satt-organischer (was eigentlich als Paradoxon mit Blick auf die sonst so hyperakkurate, maschinell ultratighte „lambofgodsche“ Spielweise gewertet werden müsste). "Wrath" wirkt gar wie eine rekapitulierende stilistische Zusammenlegung der gesamten Diskographie dieser New-Wave-Of-American-Heavy-Metal-Pioniere. Das mehr als fette Produkt fusioniert die geradlinige barbarische Roheit von "New American Gospel", das saurockmäßig Schmutzige von "As The Palaces Burn" und das Diamantenstahl-Groovige von "Ashes Of The Wake" und schon erwähntem "Sacrament". Nebenprodukte des Gärungsprozesses sind zudem „musikalischere“, mehr traditionelle Heavy-Metal-Parts und weniger krachophonische Momente, die sich gleich zu Anfang in die blutüberströmte Ohrmuschel schleichen. Ganz was Neues. Normalerweise regierte bei LAMB OF GOD stets der Zehntausendtonnenhammer, der sofort auf die Fresse einschlug. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht umsonst findet man im Netz Videos von ganzen Hallen, die kollektiv in hoch ästhetisch und hoch elektrifizierenden Moshflutwellen versinken. Heftig. Einfach nur heftig. Der Rezensent weiß selber wovon er redet, denn er hat selbiges auf dem With Full Force 2007 am eigenen Leib zu spüren bekommen und musste wirklich Angst und Bange um die körperliche Unversehrtheit seiner selbst haben. Diese Heftigkeit, der auch ich beiwohnte, schreiben sie sich nach wie vor auf die Fahne, aber nichtsdestotrotz wirkt der Tonträger dunkler, ja dunkelhäutiger; als habe Robert Johnson seinen Pakt mit dem Teufel überwunden und den Kontrakt auf LAMB OF GOD überschrieben. Dieses deutlich hervorstechende Bluesfeeling wird allen voran auf dem letzten Track 'Reclamation' deutlich. Obgleich das Rauschen im Hintergrund mehr meeresartig, denn flussartig klingt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, der gute Guitarrero sitze gerade am Mississippi, um die unvergleichliche und geheimnisumwobene Magie von 1895 durch seine Adern fließen zu lassen. Unglaublich wie sich im Songerüst Blues, Metalcore und Modern Metal zu einer in sich schlüssigen, gefährlichen Flusskreatur zusammenfinden. Der wohl atmosphärischste, eindringlichste und emotionalste Track, den die Amis jemals geschrieben haben. Verblüffend und einmalig. Schon das Intro 'The Passing' lässt einem irgendwie nicht in Ruhe, es raubt einem förmlich den Sekundenschlaf. Sind das wirklich LAMB OF GOD, die dieses Stück geschrieben haben? Das ganze erinnert mehr an den Anfang von METALLICAs 'Battery' oder nach einer Hommage an BLACK SABBATH, als an irgendetwas anderes. Wollen LAMB OF GOD etwa sich zu den Wurzeln ihrer Musik zurückgeben? Höchstwahrscheinlich und wohlweislich. Mit dem Alter wird man reifer, heißt es doch. Und obgleich diese fast schon gerontokratische Floskel bis aufs Letzte in unserer Gesellschaft und auch anderswo ins Unendliche ausgelutscht wurde und besonders Hartwurstextremisten oder Heavy-Neulinge berechtigterweise die Gültigkeit dieser ach so ausgelutschten Floskel anzweifeln, ist bei diesem Album eindeutig festzustellen: Hier hat sie Gültigkeit! Dieser Silberling ist das neue Gospeltitanium, das künftig die Heimanlagen im Sturm erobern wird.
Zugegeben – "Wrath" ist im ersten Moment etwas sperriger und erst nach mehreren Durchläufen offenbart es seine wahrhaftige Klasse und Identität, aber gerade dieses Begreifen, dieses Nicht-sofort-Zünden machen das Besondere an dem Album und schlussendlich auch an den neueren LAMB OF GOD aus. Gerade dieses Nicht-sofort-Kapieren, diese gemächliche Klangwerdung sind so herzbewegend und betäubend. Noch grooviger und härter als "Sacrament" hätten die Jungs so oder so nicht gehen können. Unmöglich. Das Ergebnis wäre nichts weiter als Regressivismus und Stagnation gewesen und so ist die Reife die einzig logische Konsequenz sein Ding weiter durchzuziehen. Vom Anfang bis zum Ende ist man einfach nur beeindruckt. Falls man das Gewäsch mancher Lästermäuler für voll nimmt, so würde man sagen, die Band habe endlich sich von ihrer songwriterischen Monotonie befreit und mit "Wrath" einen eigenen Standard definiert. Auf der anderen Seite denke man an die abgestumpften und bloß an der wikingerhaften Brutalität der Musik interessierten „Bolloprügelknaben“, die aller Wahrscheinlichkeit sich nicht mit dem Gestalt gewordenen Reifeprozess der Band anfreunden werden können, weil ihnen die verschleierte Schwarze Kunst des Blues auf ewig ein Rätsel bleibt. Ewig bleiben wird…
'In Your Words' – durch wessen Wort über wessen Wort hier erzählt wird, ist nicht ganz klar, aber für den ersten Eindruck ist das auch Nebensache. Der Track beginnt mit einem catchy Riff und das sitzt! Insgesamt ein typischer, zackig groovender, straight thrashender LAMB-OF-GOD-Song, der nichtsdestotrotz mit weiteren Manifestationen der Reife aufwartet, wie beispielsweise durch ausufernde, ins Cleane tendierende Vocals oder durch kompaktes atmosphärisches Gedudel. Das Grundgerüst wird darüber hinaus verblüffenderweise eben mal ganz locker weg durch impertinente Rock'n'Roll-Vibes komplimentiert. Geil. 'Set To Fail'? Manch einer ist sicherlich verurteilt zu verzagen und zu versagen… aber nicht LAMB OF GOD! Ein kompromisslos dogmatischer Killertrack. Ergänzt um ein fiedeliges, ungeheuerlich (!) Gänsehaut-Feeling erzeugendes Egogitarrenkabinettstück haut dieser Track ohrwurmcharakterartig alle Löffel von den Ohren weg. Man ist versucht über verschiedene Experimente die „Quietschfidelheit“ der höheren Tonlage mit dem eigenen Mund nachzuahmen. Suchtgefahr! Besonders markant ist überdies der joystickartige, verfickt dreiste Miniblaster von Chris Adler. Wie ein altes, Standmaschinengewehr brettert er über die Kanäle unserer eingerosteten Ohren. Geile Sau! Auch hier finden wir wieder den auffällig ausgereiften und wortmächtigen Gesangsstil von Mr. Blythe. Die erste Singleauskopplung der New-Wave-Rigoristen heißt 'Contractor'. Fett, einfach nur fett, so fett wie die über alle Maßen triefigen geschmackshaltigen Substanzen einer nahezu monopolistisch starken Fast-Food-Kette. Das flotte – und im Gegensatz zu vielen herkömmlichen Heavy-Metal-Brandings Stacheldrahtzäune niederpreschende Double-Bass-Spiel und die damit einhergehenden Schredderriffs sind wirkungsmächtig und fuckin’ heavy ohne Ende. Weiter geht es mit falschen Heilsbringern: 'Fake Messiah' nennt sich der fünfte Streich. Insgesamt herrscht hier auch wieder die Narrenkappe des lambofgodschen Unkonventionellen vor. Psychedelische Tonalitäten und orientalisch-religiöse Einsprengsel erhöhen den auf stetige Wiederholung ausgelegten Suchtfaktor. 'Grace' steht dem in nichts nahe, „weird“ punktierte Rhythm Guitars, unkonventionelle Akzentuierungen und das Blut des Blues lassen die Herzen aller Headbanger höher schlagen. Bisher ist der Eroberungszug grandios. Er macht Gefangene auf jedem noch so scheinbar verlassenen Landstrich. Möge die Band Gnade walten lassen. Und mit 'Grace' entsprechen sie diesem Ersuch – zumindest für die ersten dreißig Sekunden. Danach geht’s wieder groovig zurück ins Langzeitmoshseminar. Dem Dampfhammer wird hier zwar stellenweise etwas Druck und Hydraulik genommen, aber insgesamt ist dieser „etwas dezentere“, um NWoBHM-mäßige Leads ausgebaute Track absolut richtig platziert im Gesamtkontext – als kleine Verschnaufpause sozusagen. 'Broken Hands'? Bei der Instrumentierung merkt man auf jeden Fall nichts dergleichen. Treibende Kraft in Fingern und Füßen – ohne Einschränkung. Das Archaisch-Rockmäßige übernimmt hier die Aufgabe einer Einleitung für den fettesten New-School-Breakdown des gesamten Albums. „Man, I don’t believe that shit!“ Cool. Der darauf folgende Vortrag 'Dead Seeds' scheint so eine Art Schnittmenge aller bisherigen Stücke zu sein. Er umfasst weitestgehend die gezeichneten Stärken und bringt sie auf einen Punkt. Insgesamt ein überzeugender Midtempo-Song mit songwriterischer Dichte und Langzeitwirkung. 'Everything To Nothing' prescht im Gegenzug dazu wieder voll nach vorne. Die Formel Modern Metal plus Rock 'n' Roll geht auch hier wieder voll auf. Ein Schuss aus dem Gericht – mit Gewicht mitten ins Gesicht. Messerscharf ist daselbst so ziemlich das gesamte Waffenarsenal. 'Choke Sermon' steht dem in absolut nichts nahe: gleiche Schmiedeart – erbarmungslos katanabrutal. Zu 'Reclamation' wurde schon das ein oder andere Wort verloren, wessenthalben man abschließend nur noch mutmaßen kann, ob Robert Johnson hier wirklich Pate gestanden hat für dieses amerikanische Ausnahmelied. Und obgleich mir der Mann hinter der Schießbude, nämlich Chris Adler in einem persönlichen Gespräch verriet, dass das Songintro an der Küste von West-Virginia aufgenommen wurde, bekommt man irgendwie nicht aus dem Kopf, dass die Band eine Levidation der denkbar höchsten Form, eine Astralreise ins Herz von Mississippi unternommen hat… Aber selbst wer hier keine Magie registriert, wird die durchschlagkräftig positive und rockbejahende Energie dieses Albums nicht leugnen können. Seid stoisch bis ihr Euch dran macht dieses Album zu hören und dann möge Euch Zorn ("Wrath") überfallen und dafür sorgen eure verrosteten Gliedmaßen zum Moshen zu bringen! Surft nicht zu doll, sonst wird Euch die nahende lambofgodsche Flutwelle Euch unter sich begraben. Ich ertrinke jetzt schon –
- Redakteur:
- Markus Sievers