LIFE OF AGONY - Soul Searching Sun
Mehr über Life Of Agony
- Genre:
- Emotional Hardcore / Alternative Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Roadrunner / Intercord
- Release:
- 05.09.1997
- Hope
- Weeds
- Gently Sentimental
- Tangerine
- My Mind Is Dangerous
- Neg
- Lead You Astray
- Heroin Dreams
- None
- Angry Tree
- Hemophiliac In Me
- Desire
- Whispers
- Bonustrack: River Runs Red (Re-Zamped)
- Bonustrack: Let's Pretend (Trippin')
- Bonustrack: Tangerine (Re-Zep)
<strong>Finale Grande </strong>
Mit einem Klassiker als Debutalbum und einem mindestens ebenso großartigen Zweitlingswerk als Meilenstein des Genres im Gepäck, konnte sich die New Yorker Hardcoreformation LIFE OF AGONY anno 1997 ganz weit aus dem Fenster lehnen und ließ ihr drittes Album "Soul Searching Sun" dann auch folgerichtig als Überraschung des Jahres auf ihre Hörerschaft los: Noch melodischer, noch gesangsbetonter, noch variantenreicher und dennoch genauso packend klangen die neuen Stücke des nunmehr aus dem Underground mitten in die Alternative Rockszene aufschließenden Quartetts - bevor kurze Zeit später erstmal die Lichter ausgingen im Hause L.o.A., sicher zum Leidwesen vieler neugewonnener Fans.
Das aufschürfende 'Hope' und das in Stakkato-Riffing verschlungene 'Weeds', zwei wirklich perfekte, noch tief im Hardcore verwurzelte Stücke sorgen für einen fulminanten Einstieg. Wie die Band es schafft, einem durchweg depressiven Song wie 'Hope' mit seinen derart ergreifend intonierten Zeilen "And you can't believe you're working through this hell / Cause all you wish to be - wish you were somone else / And all hope's lost again", dass es auch nach Jahren noch schmerzt, sie zu hören, und selbst dem darauf folgenden, eiundringlich tiefer und tiefer gehenden Zahnarztbohrersolo noch etwas trotzig hymnisches abzugewinnen, sorgt nicht nur für Gänsehaut, sondern auch für weit offene Münder; und wenn Keith Caputo singt: "I'm dreaming of devastation of this whole entire generation", möchte man ihm ein geladenes und entsichertes Maschinengewehr reichen. In 'Weeds' singt er sich die Seele aus dem Leib, während Gitarrenstrudel ihn zu ersticken drohen und ein stoischer Slap-Beat der Hörerschaft tief in die Magengrube fährt und ihr gehörig die Scheiße aus dem Leib prügelt. Leben auf schmalem Grat, verpasste Gelegenheiten, Entfremdung, Entfremdung, Entfremdung, emotionale Vergletscherung und über den Kopf wachsendes Gefühlsgestrüpp, das die Sonne verdunkelt, der immer weiter sich auftuende Abgrund zwischen sich und den anderen - 'Weeds' drängt Dekaden mühsamen Scheiterns in kaum mehr als vier Minuten. Das manische 'Gently Sentimental' hingegen bezieht seine außerordentliche Spannung aus Kontrasten - in seiner gesamten Dynamik; zwischen laut & leise, zwischen den immer wieder kippenden Stimmungen, und nicht zuletzt auch zwischen der Verbissenheit beziehungsweise Lockerheit gleichzeitig agierender Instrumente.
Auch die etwas ruhiger gehaltenen Stücke können mitreißen:
Alan Robert brilliert am Bass in 'Tangerine', einem gefühlig sehnsüchtelnden und doch heftigen Stück, das vom erbarmungslos hart federnden Drumming von Dan Richardson vorwärts getrieben und durch Joey Zampellas virtuoses Gitarrenspiel zusammengehalten wird. Die Ballade 'My Mind Is Dangerous' ist pures Gefühl. "My abstract emotions, somehow, get the best of me", heißt es darin, und man spürt es beim Hören unwillkürlich nach und mit. Fünf Songs - und man fühlt sich, als hätte man soeben bereits ein komplettes Album gehört. Doch nie wirkt überlang, was sich hier noch immer weiterentwickelt.
'Neg' beginnt ähnlich heavy wie einst 'Method Of Groove' vom legendären Debutalbum "River Runs Red". Doch hier haben wir es mit einem weitaus depressiveren Stück zu tun. Nichts daran animiert zum Hüpfen. Zäh, dumpf, schroff psychedelisch und schlackig bricht sich der doomig drückende Song so langsam und doch beharrlich Bahn wie erkaltende Lava, die immer wieder noch aufzubrechen droht. Schwer hängt auch 'Lead You Astray' in den Seilen, das mir eher mit SOUNDGARDEN als mit Hardcore verwandt zu sein scheint. Andere Grunge-Einflüsse (ALICE IN CHAINS) finden sich in 'Heroin Dreams' wieder, welches sich freilich allein schon aufgrund Keiths Gesang und Joeys Gitarrenspiel unzweifelhaft als echter L.o.A.-Song zu erkennen gibt. Der Trennungssong 'None' entpuppt sich unbeschadet aller Emotionalität als echtes Groovemonster, sodass auch Freunde des alten Bandsounds voll auf ihre Kosten kommen, und mit 'Angry Tree' hat LIFE OF AGONY eine der schönsten Rockballaden überhaupt geschaffen. Bassgetragen und von leicht verschnörkelten Gitarrentönen sanft umspielt kann Caputos berückende, gefühlige Ausnahmestimme sich hier voll entfalten, und spätestens wenn der Refrain anbricht und der Gitarrenstrom dräuender anschwillt, wallen auch die eigenen Gefühle unhaltbar auf "and everybody is slipping over the edge."
"Soul Searching Sun" ist LIFE OF AGONYs melancholischstes und zugleich melodischstes Album, was sich auch in 'Hemophiliac In Me' sowie in 'Desire' zeigt, einem Song, der auf "River Runs Red" oder "Ugly" noch fremdartig gewirkt hätte, hier aber perfekt in den Kontext passt. Alan Roberts depressiver Songtext wird von Keith Caputo kongenial intoniert, und auch die instrumentale Umsetzung trägt einiges zum Gänsehautfaktor des Lieds bei. Sein letzter Ton ist noch nicht verklungen, da rollt auch schon 'Whispers' heran und bringt den Sound des Albums noch einmal nahezu allumfassend auf den Punkt: Federnd, geschmeidig, groovend; hochemotional bis hin zum Gefühlstaumel; und doch sehnig, zäh, sich nie ganz unterkriegen lassend; changierend zwischen traurigem Flehen und trotziger Kampfansage. Emo at its best.
Wer zur Special Edition greift, erhält im von Cover Artworker Dave McKean besonders schön designten Digibook noch die folgenden Bonustracks auf seiner CD: Eine herrlich zerrissene Re-Zamped Version des großartigen L.o.A.-Hits 'River Runs Red' vom Debutalbum; die nahezu auf Schlagzeug und Gesang reduzierte Trippin'-Variante des von "Ugly" stammenden Schmachters 'Let's Pretend'; und schließlich noch 'Tangerine (Re-Zep)' mit akustischen Gitarreneinsprengseln von Charlie Benante (ANTHRAX), welches das gleichnamige LED ZEPPELIN-Stück aufgreift und mit dem auf "Soul Searching Sun" neu gefundenen L.o.A.-Sound vortrefflich verbindet. Toll!
Anspieltipps: Hope, None, Angry Tree, Desire, Whispers.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz