LINEAR SPHERE - Reality Dysfunction
Mehr über Linear Sphere
- Genre:
- Modern Progressive Metal
- Label:
- Hardebaran / Mail-O-Maniac
- Reversal
- Father Pyramid
- Ceremony Master
- Division Man
- Life Of Gear
- Marketing
- From Space To Time
Ich würde mal sagen: Das, was die Londoner Combo LINEAR SPHERE auf ihrem Debüt-Album "Reality Dysfunction" da verbrochen hat, könnte man als modernen, durchgeknallten Progressive Metal bezeichnen. Modern heißt, dass sich das Quintett eher an MESHUGGAH und ähnlich gelagerten Acts orientiert. Mächtig abgedreht ist das experimentelle Songwriting, das hauptsächlich Fusion-Sounds mutig mit Neo-Thrash/Death-Brutalität vermischt. Und als sei das noch nicht freaky genug, streuen die Jungs immer wieder mal klassisch-relaxte, mal hoch komplexe Prog-Rock-Parts ein. Heraus kommt ein Gebräu, aus dem man zwar die kreative Brillanz und das enorme theoretische und praktische Können der Beteiligten sogleich heraus hört, das aber, wenn es einen auf dem falschen Fuß erwischt, auch extrem sperrig und anstrengend rüber kommen kann.
LINEAR SPHERE schaffen es nämlich auf ihrem Einstand, der übrigens bereits 2006 eingespielt und in zahlreichen anderen europäischen Ländern auch veröffentlicht wurde, nicht immer, all ihre klanglichen Visionen und halsbrecherischen harmonischen Stunts in schlüssige und nachvollziehbare Kompositionen einzubetten. An so mancher Stelle bleibt es meiner Meinung nach bei schwer verdaulichem Stückwerk trotz jenes Hauchs von Genialität, der dieses schmerzhaft intensive Werk immer wieder mal durchweht. Bereits der Opener 'Father Pyramid' erweckt derartig ambivalente Eindrücke in mir. Das hypnotische Percussion-Intro namens 'Reversal' macht mich schon irgendwie nervös, das geht dann in einen ziemlich vertrackten, mächtig bösen Part über, der auch vor Nu-Metal-Staccato nicht zurückschreckt, um schließlich in eine mitreißende, jazzige Prog-Rock-Szenerie zu münden, wie man sie sonst von Bands wie FROG CAFE kennt. Kann man je nach Stimmungslage halt innovativ oder auch furchtbar nervig finden.
Einer meiner Lieblingssongs auf "Reality Dysfunction" ist 'Ceremony Master', das stimmungsvolle Riffs mit WATCHTOWER-Breaks, eindringlich keifendem Gesang und coolen Fusion-Parts verbindet. So gut die Stimme von Jos Geron an dieser Stelle zur Musik passt, über weite Strecken halte ich seine Performance für eine Schwachstelle des Albums. Er wirkt manchmal seltsam orientierungslos, klingt manchmal sogar ein wenig schief und schafft es nicht so recht, den Songs seinen Stempel aufzudrücken. Je weniger brutal er zu klingen versucht, desto besser gefällt mir seine Leistung, nachzuhören vor allem beim ruhigen 'Life Of Gear'. Ein weiteres Highlight ist der abschließende Longtrack 'From Space To Time', der sich vor allem durch großartige, gefühlvolle Gitarrenakrobatik und (endlich mal!) spannungsvolle und dynamische Übergange zwischen den einzelnen Teilen auszeichnet.
Ich kann mir vorstellen, dass Extrem-Proggies, außerordentlich abenteuerlustige Zeitgenossen und sonstige Menschen mit einer Schwäche für unkonventionelle und dem Mainstream ins geschminkte Gesicht spuckende Klänge LINEAR SPHERE für ihren Sound lieben werden. Ich bitte aber darum, mit Vorsicht und Schutzkleidung an diese Platte heran zu gehen, denn sie kann einen auch mächtig überfordern. Respekt und Hochachtung haben diese Herren für ihre von allen Zwängen befreite und entgrenzte musikalische Leistung auf jeden Fall verdient. Ich bin auch nach vielen Sessions mit "Reality Dysfunction" immer noch hin und her gerissen zwischen dieser Bewunderung und schlichter Kapitulation vor diesem Ton gewordenen Wahnsinn.
Anspieltipps: Father Pyramid, Ceremony Master, From Space To Time
- Redakteur:
- Martin van der Laan