LINKIN PARK - From Zero
Mehr über Linkin Park
- Genre:
- Nu Metal / Alternative
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Warner Records
- Release:
- 15.11.2024
- From Zero (Intro)
- The Emptiness Machine
- Cut The Bridge
- Heavy Is The Crown
- Over Each Other
- Casualty
- Overflow
- Two Faced
- Stained
- IGYEIH
- Good Things Go
Musikalische Evolution im Zeitraffer.
Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich jemals nochmal ein neues LINKIN PARK-Album in den Händen halten würde. Zu schwer schien der tragische Selbstmord von Fronter Chester Bennington im Jahr 2017 auf den Bandmitgliedern zu lasten, um auch nur zu versuchen, die überdimensionale Fußstapfen dieser grandiosen Stimme mit einem Neuzugang zu füllen. So blieb Mike Shinoda und seinen Mitstreitern nur die Aufarbeitung alter Demos, um die Jubliäen von "Hybrid Theory" und "Meteora" angemessen zu begehen. Nun, zumindest bis sich am 5. September diesen Jahres plötzlich im LINKIN PARK-Lager wieder etwas zusammenbraute. Nach diversen Teasern und Countdowns stand die Band an diesem Tag nämlich erstmalig mit den beiden neuen Mitgliedern Emily Armstrong und Schlagzeuger Colin Brittain wieder auf der Bühne und kündigte prompt das neue und passend betitelte Album "From Zero" an, das uns nun heute endlich erreicht.
Bevor wir uns aber der neuen Musik widmen, lasst uns erst einmal die Frage aus dem Weg schaffen, die wohl den meisten auf der Seele brennen wird: Wie schlägt sich Neuzugang Emily Armstrong? In meinen Ohren großartig! Sie hat eine starke und prägnante Singstimme, kann problemlos auch eine gewisse Verzerrung hinzugeben (Chester war hier bekanntermaßen ein Meister in diesem Fach) und auch brutale Screams gehen ihr leicht von der Hand. Gleichzeitig ist sie stimmlich aber auch so weit von Chester entfernt, dass man nicht automatisch immer gedanklich in Vergleiche rutscht, während dennoch der generelle gesangliche Charakter der Band beibehalten werden kann. Wo wir bereits über neue Mitglieder sprechen, darf auch Colin Brittain nicht unerwähnt bleiben, der ebenfalls einen hervorragend Job macht und Rob, der sich nach Chesters Tod nach und nach aus dem Rampenlicht zurückgezogen hat, würdig ersetzt.
Und die Musik? Nun, da ist der Name Programm. Nicht in dem Sinne, dass die Amerikaner bei Null anfangen und einen komplett neuen Sound auf die Beine stellen, sondern in dem sie bei den Anfängen der Vorgängerband XERO und dem Debüt "Hybrid Theory" beginnen und die komplette Evolution der Bandgeschichte in den elf Tracks in komprimierter Form nachzeichnen. "From Zero" klingt dadurch nicht nach einem bestimmten Vorgänger, gleichzeitig aber auch irgendwie nach jedem vorherigen Langspieler. Dass dabei offensichtlich die Erwartungshaltung der Fans durchaus schwer auf Shinoda und Co. lastete, scheint der Text des Openers 'The Emptiness Machine' anzudeuten, wenn Mike und Emily "gave up who i am for who you wanted me to be" singen. Aufgegeben, wer sie sind, haben die Nu-Metal-Legenden aber definitiv nicht, auch wenn sie in der Leadsingle des Albums, die von einem packenden Refrain garniert wird und auch nach mehreren Durchläufen mein Favorit auf dem Album bleibt, gute Wege finden, den Sound von "Minutes To Midnight" mit einem modernen und frischen Touch zu verheiraten. Kein Wunder also, dass der Track in Windeseile zum Erfolg wurde und dem Comeback den richtigen Kick verpasste.
Auch im weiteren Verlauf des Silberlings sind die Parallelen zur Vergangenheit in jedem Song hörbar, ohne dass man zu dicht an eine Selbstkopie heran gerät. 'Cut The Bridge' etwa hat mit seinem rohen Sound massive 'Bleed It Out'-Vibes und wird live mit Sicherheit ein Kracher werden, während 'Heavy Is The Crown' mit unheimlich prägnanten Keyboards direkt zu "Meteora" zurückzugehen scheint. Wer gerne im Moshpit abgehen will, der wird mit dem krachenden und von bissigen Raps garnierten 'Two Faced' abgeholt, das man mitsamt DJ-Solo als dritten Eintrag der Reihe aus 'One Step Closer' und 'Figure 09' betrachten könnte. 'Casualty' schließlich lässt alle Vorsichtsmaßnahmen fallen und suhlt sich mit aggressiven Screams, verzerrten Raps und wuchtigen Gitarren ganz tief in den härtesten "The Hunting Party"-Momenten, bevor 'Stained' die Brücke hin zu den elektrischen Sounds von "Living Things" schlägt. Und ja, selbst die poppig Ausrichtung von "One More Light" hat ihre Spuren hinterlassen, wenn 'Over Each Other' selbige mit einem guten Schlag "Living Things" vereint und insgesamt eine tolle Halbballade auf die Beine stellt, die allerdings ein paar Runden braucht, um so richtig zu zünden.
Ausfälle gibt es bis hierhin dann auch kaum zu verzeichnen. Im Gegenteil, nahezu alle Songs zünden, bleiben sofort im Ohr und zaubern mir als Fan der ersten Stunde ein breites Grinsen ins Gesicht und ein wohliges Gefühl in die Magengegend. Einzig 'Overflow' fällt etwas vom qualitativen Niveau her ab und fühlt sich ein wenig so an, als hätte sich die elektronische Nummer besser auf einem Shinoda-Solowerk gemacht. Aber auch solche Songs gab es in der Vergangenheit des öfteren. Dafür verbergen sich im hinteren Drittel der Trackliste noch zwei massive Volltreffer, wobei 'IGYEIH' als Versprechen für die Zukunft verstanden werden kann, das eindrucksvoll zeigt, wie gut sich die Vergangenheit mit neuen Aspekten zu einem Track vereinen lässt, der ganz und gar nach LINKIN PARK und gleichzeitig dennoch frisch klingt. Und 'Good Things Go' beendet die Spielzeit schließlich mit einem emotionalen Höhepunkt, der mir eine ähnliche Gänsehaut wie 'Hands Held High' oder 'Lost' auf den Nacken zaubert.
Unter dem Strich bleibt nach zig Durchläufen in wenigen Stunden damit ein Fan vor der Tastatur zurück, der schlicht und ergreifend glücklich ist. Glücklich darüber, dass diese so prägende Band unserer modernen Musikszene zurück ist und mit "From Zero" das Album erschaffen hat, das ich mir als Fan eigentlich immer gewünscht habe. Versteht mich nicht falsch, ich liebe - einmal das laue Pop-Experiment "One More Light" ausgenommen - alle LINKIN PARK-Alben, dennoch hätte ich mir manchmal erträumt, dass die Amerikaner bei ihren musikalischen Grenzauslotungen nicht immer sämtliche Trademarks der vorherigen Alben über Bord geworfen hätten, sondern eben all die Dinge, die wir an LINKIN PARK lieben, einmal auf einer Scheibe vereint hätten. Genau das tut "From Zero" gekonnt und wird somit mit Sicherheit ein heißer Kandidat für mein Album des Jahres. Einen halben Punkt Luft zur Höchstnote lasse ich trotz restloser Begeisterung aber trotzdem, denn ein Jahrhunderwerk wie "Hybrid Theory" ist "From Zero" nicht. Trotzdem ist die Alernative-Musikwelt eine deutlich schönere und unterhaltsamere, seitdem die Amerikaner wieder zurück sind und uns hoffentlich noch viele tolle Momente bescheren werden!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Tobias Dahs