MCM - Ritual Factory
Mehr über MCM
- Genre:
- Instrumental Prog Fusion Metal
- Label:
- Lion Music
- Release:
- 28.06.2004
- Ritual Factory
- The Whole Life
- Sahu’s Jewel
- Ghost In My House
- Dream Of Little Ground Fire
- Brozo
- Dead Monkey Road
- Black Market
- Ray-Gun
- Landings
- Red Quantum
Instrumental? Prog? Fusion? Das kann doch nur bedeuten, das auf dieser Scheibe der Aufkleber "Fast-Food-Konsumenten und Mitgröler müssen draußen blieben“ kleben könnte. Sehr richtig... Nebenbei konsumieren kann man die Musik des amerikanischen Trios MCM sicherlich nicht. Immer öfter hören lohnt sich aber auf jeden Fall. Denn hier sind schlicht drei Vollblutmusiker am Werk, die eine ganz eigene Welt mit ihren Klängen erschaffen. Metal ist hier der Gegenpart zur Techno-Kultur: Billigplastik kann jeder programmieren, aber Gitarre, Bass und Drums gottgleich zum Klingen bringen, das vermögen nur einige wenige. Wir anderen dürfen hier wenigstens staunen und haben die Freude, uns auf diesen Sound einlassen zu können.
MCM verkörpern ein wenig den Geist der virtuosen Rockimprovisationen aus den Siebzigern – man denke etwa an DEEP PURPLES 'Wring That Neck' oder an die vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichten Demoaufnahmen von PROTO-KAW. Zudem dürften Fans von PLANET X ihre helle Freude an dieser CD haben. MCM bewegen sich also in einem Feld zwischen Metal, Rock, perkussiven Elementen, Folk, Funk und Jazz. Mit Jazz sind hier natürlich nicht Saxophon und Swing gemeint, sondern die dynamische ungewöhnliche Rhythmik und die bewegten Basslinien. Wie beim Jazz erhält jedes Instrument seinen Freiraum - jedes Instrument macht im Sound sozusagen sein eigenes Ding, aber trotzdem ergibt sich im Endeffekt eine Einheit. Drums und Bass wurden denn auch unabhängig von der Gitarre aufgenommen. Die Musiker wussten teils nicht, was der andere spielen würde. Die Band wollte mit diesem Verfahren ihre Musik auf eine mehr "intuitive“ Weise erzeugen.
Die Musiker von MCM besitzen schon einige Erfahrung in der Welt des harten Rocks. Die Bandbezeichnung bezieht sich auf die Initialen der drei Künstler. Gitarrist Alex Masi (M) veröffentlichte bislang Alben mit seiner Band MASI und Solowerke, auf denen er Kompositionen von Bach oder Mozart mit der Gitarre nachspielte. Randy Coven (C) am Bass spielte u. a. bei STEVE VAI und YNGWIE MALMSTEEN. Ebenfalls für MALMSTEEN war auch Drummer John Macaluso (M) zugange und außerdem saß er noch bei TNT und RIOT hinter der Schießbude. Die Musiker traten erstmals zusammen in Mexico City auf, wobei sie in der Nacht vorher - ebenfalls zum ersten Mal - miteinander geprobt hatten. Das Wagnis lohnte sich und der Gig kam beim Publikum an. Daraufhin beschlossen sie, die vorliegende CD aufzunehmen.
Und die hat es in sich... MCM eröffnen ihr Album mit loderndem Gitarrenfeuer und hypnotischer Perkussion, die jedoch bald in einige Rhythmikbrüche abbiegt und damit die schon erwähnten Jazz-Elemente zum Einsatz bringt ('Ritual Factory'). Dagegen wirkt das folgende 'The Whole Life' mit seiner melodischen Gitarrenlinie schon fast eingängig. Die gesprochenen Worte deuten auf einen spirituellen Hintergrund für die Musik hin: "The whole life should be a spiritual experience but actually spirits in bodies." Als Einfluss nennen MCM zudem "Indian Folk" (indianischen Folk) und die Perkussion hat oft etwas "Schamanisches" an sich. Auch 'Sahu’s Jewel' scheint sich mit einem sitar-artigen Klang im Sound und der psychedelisch abdriftenden Stimmung in esoterischen Gefilden zu bewegen.
Relaxt, aber recht wechselhaft geht der 'Ghost In My House' um. Einige feine Bass- und Gitarrenlinien werden mit sanfter Hand, aber dynamisch ineinander geflochten. Leute, die gerne viele Details in der Musik entdecken, kommen bei dieser Komplexität voll auf ihre Kosten. Hier sind einfach Ausnahmemusiker am Werk! Ganz eigen ist das nachfolgende 'Dream Of Little Ground Fire'. Die treibende Perkussion des Anfangs wird in einen ruhigen Part übergeleitet, um später wiederzukehren. Die Gitarrensoli durchbrechen die Ruhe in schriller Art, um sie anschließend um so gefühlvoller zu unterstreichen. MCM pendeln hier zwischen Seelenruhe und Seelensturm.
Durch die funkige Rhythmik wirkt 'Brozo' schon richtig groovig, allerdings nicht ohne auf einige schräge Breaks zu verzichten, die so manchem Hörer die letzten Nerven kosten werden. Auch die restlichen fünf Stücke, die allesamt in eine metallisch orientierte Jazz-Rock-Richtung gehen, dürften kaum angetan sein, diese wieder ins Lot zu bringen. Experimentelle Töne treffen auf rockige Abgeh-Riffs, deren Struktur fein säuberlich zersägt und dann wieder zusammengebaut wird. Nur der vorletzte Track 'Landings' vermittelt ein wenig beschaulichere Südsee-Stimmung, wobei die Gitarre als Kontrast ihre Soli eher in Heavy-Manier zum Besten gibt. Als Remineszenz an die Siebziger covern MCM den Klassiker 'Black Market' von WEATHER REPORT, einer schrillen und virtuosen Jazz-Pop-Rock-Elektronik-Kapelle dieser Zeit.
"Ritual Factory" erweist sich als surrealer Trip durch einen Urozean, aus dem immer neue Klänge aufschießen, um gleich darauf verschlungen zu werden und in anderer Form verwandelt wieder aufzutauchen. Hier geht es offenbar darum, dem alt gewordenen Rock einige neue Energieinjektionen zu verpassen und ihn in seiner Altersruhe zu stören. Dazu braucht es natürlich keine besserwisserischen Dilettanten, sondern echte Könner, die durch seine Schule gegangen sind. Mir macht dieses digitale "Sonnenscheibchen" einfach Spaß und ich bekomme es momentan kaum noch aus meinem CD-Spieler. Heute präsentiert sich die Musik auf eine Art und morgen plötzlich ganz anders. Intensive, harte Gitarren-Ausbrüche kämpfen gegen psychedelische Beschaulichkeit. Dieser Streit stiftet eine spannende und fruchtbare Unruhe im wirbelnden Kosmos der einzelnen Klangskulpturen. Schade, dass sich vermutlich nur Wenige die Zeit für so etwas nehmen werden... Was hilft‘s, ich werde mir diesen "Trip" jedenfalls noch öfter einschmeißen...
Anspieltipps: Ritual Factory, The Whole Life, Ghost In My House, Dream Of Little Ground Fire, Brozo, Dead Monkey Road
- Redakteur:
- Jörg Scholz