MANES - [view]
Mehr über Manes
- Genre:
- Avantgarde Space Metal
- Label:
- Aural Music
- Release:
- 10.02.2006
- Cinder Alley (16 HORSEPOWER-Cover)
- Terminus rmx (DJ Don Tomaso Remix)
- The Neoflagellata Revision
- Terminus deconstructus (Cordell Klier Remix)
- Knife & Kleenex
- Title
- Terminus dei profundis (Cordell Klier Remix)
Sie müssen ihr musikalisches Hirn ständig erweitern, permanent neuen Ideen aufgeschlossen gegenüber stehen, sich immer auf Überraschungen gefasst machen: MANES-Fans sind nicht zu beneiden. Oder doch? Denn die Norweger besitzen den begnadeten Ruf, zu den innovativsten Künstlern der skandinavischen Szene zu zählen. Gestartet als bitterböses Black-Metal-Projekt mit wenigen, dafür aber um so wegweisenderen Veröffentlichungen, markierte das 2003 erschienene "Vilosophe"-Werk den Wandel hin zum Avantgarde Progressive Metal. Unbeschreiblich schön, verstörend und dynamisch gleichermaßen klingt das Werk auch heute noch. Knapp drei Jahre später - die Uhren im MANES-Haushalt laufen langsamer - kommt nun in EP-Form ein neues Lebenszeichen der Sonderlinge: "[view]" ist ein Reise in die Elektronik, MANES einmal ganz anders und doch wie immer - die experimentelle Überlust hat die Nordländer wieder gepackt.
Für die EP haben sich die Jungs gleich noch die Unterstützung von zwei besonderen Soundhexern gesucht: Der eine heißt DJ Don Tomaso, kommt aus Trondheim, stand jüngst bei der Tour von 3RD AND THE MORTAL hinter den Keyboards und arbeitet sonst mit HipHop-Bands. Und er bringt mit seinem 'Terminus A Quo/ Terminus Ad Quem'-Remix von der "Vilosophe"-Scheibe die Synapsen zum Tanzen - das Stück vereint die melancholischen Melodien von MANES mit ruhigem TripHop-Drumming und abgespacter Elektronik. Cool, unglaublich cool sogar. Helfer Numero Zwei ist Cordell Klier, Spezialist für Minimal und Industrial-Klänge. Seine beiden 'Terminus A Quo/ Terminus Ad Quem'-Remixe fallen denn auch ein wenig aus dem Sound auf "[view]" heraus, sind eher mit Drum'n'Bass unterlegte Tonkollagen als echte Songs - aber im Fall von 'Terminus Deconstructus' definitiv tanzbar. 'Terminus Die Profundis' offenbart dagegen, dass MANES immer noch fies sein können, wie ein Bohrer schraubt sich der schrille Klang ins Ohr. Aua.
Zwischen solchen Ausflügen haben MANES natürlich auch eigene Songs komponiert. Das beste Stück steht dabei fast am Schluss der gut 30-minütigen Scheibe. Denn 'Title' ist laut Booklet "somewhat inspired by DURAN DURAN", ist gleichzeitig diese Stufe von schier fast außerirdischer Qualität, auf der MANES inzwischen stehen. Progressives Gitarrenspiel paart sich mit herzzerfetzenden Melodien, einem überirdischen Refrain und melancholischen Stimmungslagen, die GREEN CARNATION oder ANATHEMA nicht besser hinbekommen könnten. Trotz der geringen Geschwindigkeit ist der Song nie langweilig, sorgen doch das abgefahrene Drumming und fast rein elektronische Zwischenparts für echte Überraschungen. Alles passt harmonisch zusammen, die Musik zaubert so dahin, im Fluss endloser Gefühle. Zudem haben MANES mit ihrem Sänger Emil - was für ein profaner Name für ein Genie - eine Stimme gefunden, die in ihrer emotionalen Kraft und Stärke selbst nur durchschnittliche Songideen tragen würde. Doch zum Glück sind MANES kein Durchschnitt, egal ob sie bei 'The Neoflagellata Revision' fröhlich durch progressive LSD-Wolken zu schweben scheinen oder in 'Knife & Kleenex' wie eine völlig abgefahrene Mischung aus BJÖRK, THE PRODIGY, DEPECHE MODE und allerlei anderen seltsamen Bands klingen. Das ist die große Stärke von MANES - sie lassen sich nicht festlegen. Manchmal lassen sie sogar ihre Musik von anderen Musikern schreiben - der fantastisch-verträumte Opener 'Cinder Alley' von der Folklore(!)-Truppe 16 HORSEPOWER ist dafür ein grandioses Beispiel, wie sie eine als genial empfundene Idee einer befreundeten Band perfekt umsetzen. Und dieser Sänger dazu...Gänsehaut. Unverfälschte. Aua.
MANES ist also mit "[view]" wieder eine Überraschung gelungen, sie sind im Ausreizen ihrer musikalischen Stilistik noch frecher und breiter geworden. Die schöne Sache daran: Der Nachschub an Material dieser definitiv süchtig machenden Band dauert dieses Mal wohl nicht wieder drei Jahre. Bassist Torstein meint per Mail dazu, dass MANES gerade sogar an zwei kompletten Alben arbeiten. Die Arbeitstitel klingen schon wieder abgedreht-verheißungsvoll: "Invention - Or How The World Came To An End And Why We Did It" und "Be All/End All". Um diese Scheiben auch wirklich veröffentlichen zu können, brauchen die Norweger allerdings ein neues Label, denn der Vertrag mit Aural Music/Code 666 endet mit "[view]". Wir werden sehen, meint Torstein auf gewohnte MANES-Art. Ebenso verhält es sich bei möglicherweise anstehenden Deutschland-Gigs. _"Wir haben nichts geplant, wir reden aber darüber, das früher oder später einmal zu tun", sagt Torstein dazu. Wer solche Antworten gibt, muss eben ein musikalisches Genie sein. Denn nur Chaos gebiert Innovation. "[view]" ist der beste, wenn auch noch viel zu kurze Beweis dafür.
Anspieltipps: Alles...
- Redakteur:
- Henri Kramer