MANOWAR - Battle Hymns MMXI
Mehr über Manowar
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Magic Circle Music / Al!ve
- Release:
- 03.12.2010
- Death Tone (re-recorded 2010)
- Metal Daze (re-recorded 2010)
- Fast Taker (re-recorded 2010)
- Shell Shock (re-recorded 2010)
- Manowar (re-recorded 2010)
- Dark Avenger Feat. Sir Christopher Lee (re-recorded 2010)
- William's Tale (re-recorded 2010)
- Battle Hymn (re-recorded 2010)
- Death Tone (live - Bonus Track)
- Fast Taker (live - Bonus Track)
Kreativer Bankrott oder doch ein hoffnungsvolles Lebenszeichen einer umstrittenen Legende?
Als Fan der nach eigenem Bekunden wahrhaftigsten aller Metalbands hat man es nicht leicht. Wir leben mit dem Spott der anderen, die längst erkannt haben wollen, dass es sich bei Joey DeMaio und seinen Mitstreitern nicht um richtige Könige handelt, und wir leben mit dem Zwiespalt, in welchen uns die Band immer wieder selbst mit kontroversen Aussagen, nicht immer zum Guten führenden stilistischen Wendungen und ihrem allgemein doch eher kritikresistenten Auftreten bringt. Da weiß man dann nie, ob man sich denn noch mit Stolz als Anhänger MANOWARs bezeichnen soll, oder besser peinlich berührt den Blick senkt. So passte auch der neueste Geniestreich der New Yorker hervorragend ins Bild, denn selten ist es eine unumstrittene Angelegenheit, wenn eine Band sich daran wagt, ihr Debütalbum, eine Scheibe, die vielen als unantastbarer Klassiker gilt, neu einzuspielen, weil in der Wahrnehmung der Band die Technik endlich in der Lage sei, den MANOWAR-Sound angemessen wiederzugeben.
Horrorvorstellungen desaströsen Ausmaßes lassen die Furcht ins Unermessliche steigen: Wird uns wirklich der Schlag treffen, wenn wir "Battle Hymns MMXI" in den Schacht schieben? Wird die gülden getünchte Neueinspielung uns mit opulenten Keyboards, sterilem Computer-Drumsound und schmalzigen Orchestrierungen den verbliebenen Rest von Nibelungentreue nehmen und auch die letzten Getreuen der alten Garde in die Flucht schlagen? Um euch nicht länger auf die Folter zu spannen, will ich die Antwort vorweg nehmen: Nein, genau das tut "Battle Hymns MMXI" nicht. Ganz im Gegenteil: Diese Neueinspielung zeigt für mein Empfinden ziemlich überzeugend, dass die Band noch immer in der Lage ist, ein tolles Album einzuspielen, wenn die Songs, die aufgenommen werden, die Güte der hier wiederverwerteten Klassiker haben. Denn so wie meine Ohren die Sache aufnehmen, ist "Battle Hymns MMXI" in wirklich jeder Hinsicht anders als die beiden Vorgänger: Es hat spannendes Drumming, das nicht steril klingt, es hat eine Gitarre, die hörbar rifft und soliert, es kommt ohne Keyboard-Bombast aus und klingt trotzdem - oder gerade deswegen - erhabener als alles, was MANOWAR seit 1996 eingefallen ist.
Gut, der Kritiker wird sagen, dass den Jungs diese Songs ja auch nicht seit 1996 eingefallen sind, und damit hat er natürlich Recht. Wir können uns auch sehr treffend über Sinn und Zweck der Aktion streiten. Wer braucht eine Neueinspielung eines Klassikers, die das Original ohnehin nicht übertreffen kann, weil das Original unantastbar ist und den Hauch der Geschichte atmet? Lässt diese Neuaufnahme nicht darauf schließen, dass dem Hauptsongwriter Joey DeMaio nichts Neues einfällt, was er gerne unter die Leute bringen würde? Wer braucht eine "Battle Hymns" mit einem Eric in den Fünfzigern und Karl Logan, wenn er eine "Battle Hymns" mit Eric in den Zwanzigern und Ross The Boss haben kann?
Das sind natürlich alles berechtigte Fragen, auf die es aber nicht nur die Antworten "niemand", "doch" und "keiner" gibt. Ich habe die Scheibe inzwischen gut zwanzigmal durch gehört und kann guten Gewissens sagen, dass sie mir einen Heidenspaß macht. Warum? Nun, sie hat einen unfassbar tollen Basssound, bei dem Joey DeMaio in diesem Fall echt keiner etwas vormacht. Donnie Hamzik klopft die Trommeln deutlich abwechslungsreicher und lässiger als es Scott Columbus auf "Gods Of War" tat (oder tun durfte). Auch Karl Logan gibt eine gute Figur an der Gitarre ab, wenn man sich eben klar darüber ist, dass er nicht das unheimlich tief gehende Feeling eines Ross Friedman in den Fingern hat. Dann haben wir da den guten Eric Adams: Wie gesagt, er ist knapp dreißig Jahre älter als er es bei der Originalaufnahme war. Das hört man einem Sänger eben meistens an. Vor allem in den höheren Passagen, die er hier und da mildert oder durch sein bellendes Shouting ersetzt. Aber es klingt nichts falsch oder unangenehm; er interpretiert die Stücke eben auf eine Art und Weise neu, die seiner heutigen Stimme entspricht. Natürlich hat er dabei nicht mehr diesen jugendlichen Biss, den er 1982 hatte. Doch trotz allem ist seine Leistung nicht nur souverän, sondern von einer Klasse, die noch immer Ihresgleichen sucht.
Was gibt es noch zu sagen? Ach ja, logisch: Genauso wie Karl Logan nicht Ross The Boss ist, so ist auch Christopher Lee nicht Orson Welles und wer seit bald dreißig Jahren den dritten Mann im Ohr hat, wenn er 'Dark Avenger' hört, der wird natürlich erst einmal stutzen, wenn da plötzlich Sarumans Stimme erklingt. Aber mit jedem Durchlauf gewöhnt man sich mehr an Sir Christophers Rezitation der Verse, und schon bald klingt sie nicht mehr deplatziert oder unpassend. Ganz im Gegenteil. Gerade dieses Stück und der Opener 'Death Tone' gefallen mir in den Neueinspielungen wirklich ausgezeichnet. Das Titelstück verliert durch das gedrosselte Tempo und die teils deutlich geänderten Gesangspassagen ein gutes Stückchen der alten Magie, ist aber auch weit mehr als nur eine müde Selbstkopie.
Letztlich ist "Battle Hymns MMXI" für mich das Lebenszeichen, das ich mir von MANOWAR lange erhofft habe, weil ich finde, dass man dem Album anhört, dass die Band Spaß daran gehabt haben muss, es neu zu interpretieren. Etwas, das bei den doch sehr konstruiert wirkenden Vorgängern eben nicht mehr der Fall war. Ob das nun daran liegt, dass man Klassiker dieser Kategorie einfach nicht kaputt spielen kann, oder daran, dass sich im Hause MANOWAR wirklich etwas zum Positiven bewegt, das vermag ich nicht zu beurteilen. Dennoch hoffe ich es, denn ihr wisst ja, was meist zuletzt stirbt. So oder so, für mich ist "Battle Hymns MMXI" sicher nicht die ultimative Version des Albums, denn das Original bleibt auf ewig unerreicht. Aber es ist eine richtig gelungene Neueinspielung, die ich in der Form im Leben nicht erwartet hätte, und die ich all jenen empfehlen möchte, die heutzutage MANOWAR nicht aus Prinzip blöd finden, und die sich vorstellen können, Spaß daran zu haben, Klassiker neu zu entdecken, die sie seit Äonen kennen. Eine vorurteilsfreie Herangehensweise empfiehlt sich, denn wer nur akribisch danach sucht, was heute anders ist als 1982, der wird fündig werden und unzufrieden sein, keine Frage. Wer "Battle Hymns MMXI" unbefangen und mit positiver Grundstimmung einlegt, der kann einen Mordsspaß daran haben und braucht dazu nicht einmal die beiden zeitgenössischen 82er-Liveversionen von 'Fast Taker' und 'Death Tone'.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle