MARI BOINE & BUGGE WESSELTOFT - Amame
Mehr über Mari Boine & Bugge Wesseltoft
- Genre:
- Sami / Pianomusik
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- By Norse Music
- Release:
- 29.09.2023
- Amame Jávkat (So We Don’t Fade)
- Alit Alihastá Aliha (Blue Shines The Blue)
- Don Oidnet Mu Sielu (You Saw My Soul)
- Elle
- Čiŋadan Gahpiriin (My Head Holds High The Horned Hat)
- Eadnán Bákti (To Woman)
- If Tomorrow’s Mine
- Mihá (I Stand Tall)
- Jearrat Biekkas (To Ask The Wind)
- Leat go don dies (Will You Be There)
- Mu Oappá Niegus (In My Sister’s Dream)
Klangreise für entspannte Abende.
Die Ausnahmekünstlerin mit samischen Wurzeln ist bereits seit Dekaden für ihren einzigartigen Musikstil weltweit bekannt, der von samischem Gesang und sparsamem Einsatz von Instrumenten, sowie mal mehr, mal weniger der Vermischung traditioneller und moderner Elemente geprägt ist. Über die vielen Jahre hat die Sängerin schon zig Alben veröffentlicht, von denen ich insbesondere auf eines ihrer beliebtesten Werke "Gula Gula – Hør Stammødrenes Stemme" aus dem Jahre 1989 hinweisen möchte, welches am 01.12.2023 über By Norse remastert und mit zwei bisher nicht erschienenen Bonustracks aus den damaligen Studiosessions wiederveröffentlicht wird. Auch "Iddjagiedas (In The Hand Of The Night)" aus 2006 sowie "Čuovgga Airras / Sterna Paradisea" aus 2009 halte ich für empfehlenswert, wobei meines Erachtens keinerlei Fehltritt in ihrer Diskografie enthalten ist.
Etwa zwanzig Jahre ist es her, dass Mari Boine dem international bekannten, norwegischen Jazzpianisten Bugge Wesseltoft, der mitunter auch elektronische Klänge einsetzt, einige ihrer Songs zur weiteren Bearbeitung überließ, woraus die beiden Alben "Mari Boine Remixed / Odda Hámis" und "It Ain’t Necessarily Evil" resultieren. Für das aktuelle Album hat sie erneut mit ihm zusammen gearbeitet, wobei sie dieses Mal seine Stücke mit ihrer Stimme bereichert. Dadurch entstehen fast meditative Klanglandschaften, die teilweise zum Nachdenken anregen. "Amame" wirkt im Ganzen beruhigend und führt einen angenehm aus dem Alltag heraus. Zudem ist es bestens geeignet, um zum Beispiel an einem entspannten Herbst- oder Winterabend ein Buch zu genießen.
'Amame Jávkat (So We Don't Fade)' wartet mit einer angenehmen Pianomelodie im Intro auf, mit Stimmeinsatz tritt dann leichte Percussion hinzu. Zwar sind die Lyrics wie bei fast allen Titeln in Sami gehalten, dennoch erscheint der Gesang im Singer-Songwriter-Stil. Die Stimme wirkt zurückgenommen, stellenweise sogar nur gehaucht. Der schöne, schnörkellose zweite Track lässt ein kleine, schummrige Pianobar vor den Augen des Zuhörers entstehen, in der das Spotlight auf die Sängerin gerichtet ist. Hier kommt das Pianospiel größtenteils begleitend zum Vorschein, lediglich zwischen den Strophen tritt es mehr hervor. In 'Don Oidnet Mu Sielu (You Saw My Soul)' bedient das Piano eher die tieferen Töne, was für die erste Abwechslung innerhalb des Albums sorgt. Die linke Hand übernimmt insofern den Takt, sonstige Percussion ist nicht vorhanden. Die rechte Hand unterlegt die Gesangsmelodie. In dem Stück ist Mari Boine etwas näher an ihrem bisherigen Gesangsstil.
Mein absoluter Liebling des Albums ist das berührende 'Elle', welches hervorsticht, weil das Tempo noch weiter heruntergefahren wird. Das Lied zum Film "The Kautokeino Rebellion" zeigt einen starken melancholischen Ansatz, der von sachter Percussion gestützt wird. Im von Rawdna Carita Eira verfassten Text wird die Trauer thematisiert, die über eine Lebensweise hervorgerufen wird, welche durch den Kolonialismus und die Grenzschließungen zwischen Norwegen und Finnland in 1852 unmöglich gemacht wurde, wie sie bei ihrem Auftritt im Rahmen des Midgardsblot Festivals kundtat. Ellen Aslaksdatter Skum beispielsweise ertrug 18 Jahre im Gefängnis, getrennt von ihrem kleinen Sohn, für ihre Teilnahme an der damaligen Rebellion. Dieser Song ist am geruhsamsten und dadurch am meisten emotional im Vergleich zu den restlichen Albumtracks. Die steigende Pianotonfolge ist wunderschön simpel und wird perfekt passend eingesetzt. Kurz nach der Mitte taucht dann sogar auf bezaubernde Weise der typische Gesangsstil von Mari Boine auf, für den sie so bekannt ist.
Auch der tolle fünfte Titel, der am kürzesten währt, bietet Abwechslung. Das Piano wirkt erstmals gleichberechtigt, d.h. es verbleibt weniger im Hintergrund und kommt im Stück mehr zum Tragen. Stellenweise erscheint es verspielter, hier und da recht stakkatoartig. Inhaltlich ist es den samischen, ehemals verbannten, hornförmigen Hüten gewidmet. Im Folgelied zieht sich der Pianist wieder mehr zurück und lässt die Sängerin mit ihrem Können strahlen. Der siebte und achte Track warten beide mit Synthesizer-Klängen, erzeugt von Bugge Wesseltoft, auf, welche zur Spannung beitragen. In 'If Tomorrow's Mine' sind die Lyrics in Englisch, da ein Gedicht von der australischen Schriftstellerin Donna Williams vertont wurde. In 'Mihá (I Stand Tall)' überzeugt erneut der ergreifende Stimmeinsatz. 'Jearrat Biekkas (To Ask The Wind)' hat ein ziemlich klimperndes Intro. Die attraktive Gesangsmelodie kommt einem dafür sogleich bekannt vor. Pianist und Sängerin finden hier erst später so richtig zueinander. Erst wirkt das Ganze fast wie ein Dialog, doch in dessen Fortgang vereinen sich beide doch noch.
Beim vorletzten Titel mit fragendem Charakter halten sich die beiden Künstler anfangs noch zurück. Drum beziehungsweise Percussion leisten sanft Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit der Verletzlichkeit, die mit dem Alter einhergeht. Der feine Finalsong ist mit zirka achteinhalb Minuten das längste Stück von "Amame", hat aber auch mit zwei Minuten das umfangreichste Intro. Die Percussioninstrumente stehen deutlich mehr im Vordergrund, wodurch das Lied mehr Drive hat, doch auch durch das erhöhte Tempo. Die Vocals wirken mehr geerdet als zuvor. Man könnte sagen, dass 'Mu Oappá Niegus (In My Sister’s Dream)' irgendwo zwischen Folk und experimentellen Jazz mit einem Hauch Psychedelic angesiedelt ist. Meines Erachtens nach sollte man das gelungene Album nur in ruhiger Atmosphäre genießen, andernfalls gehen dessen Feinheiten verloren, die den Charme von "Amame" ausmachen. Die von Mari Boine hinzugefügten Vocals harmonieren schlichtweg perfekt mit der Pianomusik von Bugge Wesseltoft.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Susanne Schaarschmidt