MARTYR LUCIFER - Farewell To Graveland
Mehr über Martyr Lucifer
- Genre:
- Alternative Rock / Gothicrock / Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- buil2kill.com
- Release:
- 07.11.2011
- Janus
- Farewell To Graveland
- Turmoil
- From Under The Ground
- Noctua Munda
- Onironauta
- L´Albero Ed Io
- The Dustflower
- They Said With Time All Wounds Will Heal
- The Horseride
- Waiting For The Dawn
MARTYR LUCIFER? Gott, der Teufel kommt mit Musik zu mir? Mitnichten.
CD ausgepackt, schönes Cover, gotikmäßige, fotografische Innengestaltung, etwas Spannung knistert. Doch dann erblicke ich das Promo-Blatt, den Beipackzettel, der Aufklärung darüber geben soll, welche Musiker in der Band sind, wie alles angefangen hat, wer wo vorher gespielt hat etc.. Dieses Infoblatt beinhaltet dermaßen überbordendes Namedropping, das ich erst mal einen Vitaminsaft benötige. Ein Obstler aus der Schweiz, spendiert von meiner Rockfreundin Gaby. Gibt es nur zu besonderen Platten; MARTYR LUCIFERs Debüt ist so eine.
Es gibt so magische Augenblicke, da weiß man nach wenigen Minuten, dass eine CD spürbar reift beim Hören, vielleicht so, wie es der Künstler anzulegen vermochte. Nach dem Promo-Zettel hätte ich mir getrost die Flasche geben können, doch dann hätte ich ein kleines Opus verschnarcht, vergessen oder falsch bewertet. Ich verrate schon viel, doch gehe ich mal ins Detail. Wie gesagt, das Bild auf dem CD-Cover vermittelt Wärme und Hoffnung, die graue Millionenstadt, der typische Moloch, ist doch eher dezent im Hintergrund. Wer sich MARTYR LUCIFER nennt, muss nicht immer die Apokalypse favorisieren, Hoffnung ist eben doch ein unschlagbares Argument. Das Intro 'Janus' fegt mit Double-Bassdrums schön den Staub aus den Boxen, der Titelsong 'Farewell To Graveland' kommt schnell-fetzig, ganz untypisch Gothic, erst 'Turmoil' lässt verschnaufen, aber Unruhe geht anders. Es bannt sich an, dass MARTYR LUCIFER zügig in Richtung Space-Rock-Gothic-Metal tendieren, die sanften Breaks und Passagen erinnern dezent an PINK FLOYD oder auch alte TIAMAT. 'From Under The Ground' folgt mit leicht tiefergelegten Leadvocals und erinnert -postiv- an PARADISE LOST; NICK CAVE-mäßig geht es ins nächste Lied 'Noctua Munda', bevor die Gitarren beim Chorus explodieren, um dann wieder Platz zu machen für softe Momente. Einer der Höhepunkte und zugleich Anspieltipp folgt auf dem Fuß, nämlich 'Onironauta (The Demon Of The Earth)', ein kleines Juwel, weitere werden folgen.
Egal, wie die Songtitel sich schimpfen, egal, was die Lyrics offenbaren; es geht stets um Glaube, Liebe, Hoffnung, Vertrauen, Leben und Tod, Verlust halt. Auch MARTYR LUCIFER bilden diesbezüglich keine Ausnahme. Die Schatten, die Dämonen werden letztendlich dann doch hinweggefegt; die Finsternis bleibt nicht dunkel, ein Licht glimmt immer am Horizont. Unerwartet dann das gitarreske FRANCESCO GUCCINI-Cover 'L'Albero Ed Io' aus dem Jahre 1970, fast schon folkloristisch. 'The Dustflower' dann wieder mit verzerrten Sechsaitigen, abermals unterbrochen von ruhigen Augenblicken.
Sie sagen, dass die Zeit alle Wunden heilt, 'They Said With Time All Wounds Will Heal' bricht über mich herein, wieder ein starker Track, eine Oper, die vom Moll der Trauer und vom Dur des Lebens erzählt. Ja, ich liebe so was. Pathos, schaurig-schöne Melodiebögen, Tränen füllen ganze Ozeane der Glückseligkeit. Man reiche mir ein Taschentuch. 'The Horseride' entfaltet seine Schönheit über zehn Minuten, mal schnell im Galopp, mal Trab, dann Ausruhphasen an der Koppel, wo schon der Keyboardspieler sehnsüchtig wartet. Auch der Gitarrist lässt dann seinen David Gilmour aus der Kiste.
Der Song könnte auch doppelt so lang sein, wäre nicht langweilig. Cool.
Das Finale wird gezündet und 'Waiting For The Dawn' markiert sodann leider das Ende von der furiosen Reise durch das Universum von MARTYR LUCIFER & The Graveland Ensemble. Zu diesem Song fallen mir spontan als Begleitbilder die Endsequenzen des Jodie Fosters Film "Contact" ein, schön bunt und abgefahren. Reichen Leuten würde dies das Botox aus den Nerven treiben und im All verdunsten. Entschuldigt mein Gefasel, bin nur so was von begeistert.
Sicher, auch MARTYR LUCIFER schreiben keine neuen Kapitel in der Rockgeschichte, doch gekonnt würfeln sie mit den Stilen auf dem Tableau, mischen Melodie, Melancholie, Space-Rock, Gothic-Metal. Faszinierend. Scotty, beam me up! Sollte das hier meine erste 9.5 sein? Hell yeah!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Dirk Ballerstädt