MASTER BOOT RECORD - Personal Computer
Mehr über Master Boot Record
- Genre:
- Progressive Metal / Electro / Chiptune
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Metal Blade Records
- Release:
- 13.05.2022
- 8086
- 80186
- 80286
- 80386
- 80386SX
- 80486
- 80486DX
- 80486SX
- 80586
- 80686
Welcome to Turrican!
Jetzt ist es also so weit. Kein Album einer Band, sondern ein PC, mit einem antiken 486DX-33MHz-64MB Chip, ist die Quelle dieses musikalischen Ergebnisses, welches mich jetzt schon seit mehreren Stunden begeistert und im selben Moment irritiert.
Anscheinend soll diese dubiose Rechenmaschine irgendwo in Rom stehen und sich nun mit einhundert Prozent synthetischer Musik aufmachen, die musikalische Weltherrschaft zu erreichen. Aber halt, bevor ihr jetzt in dystopische Weltuntergangsszenarien flüchtet, kann ich euch Entwarnung geben. Hinter diesem Fake-Rechner mit Namen MASTER BOOT RECORD steckt der ganz und gar menschliche Victor Love, welcher vielleicht dem einen oder anderen als Sänger und Gitarristen der italienischen Synth-Rocker DOPE STAR INC. ein Begriff sein könnte.
MASTER BOOT RECORD ist jetzt seine persönliche Spielweise, welche die Synth-Elemente auf die Spitze treibt. Hier gibt es rein instrumentale Arcarde-Sounds, welche ihre Wurzeln aber ohne Zweifel im härteren Metal haben. Soll heißen: Es ballert ohne Ende, und wer auch zu Drum-Computern und programmierten Gitarrensounds ohne schlechtes Gewissen bangen kann, der bekommt hier die Vollbedienung an 1990er Spielhallen-Eskapismus.
Arrangiert klingt das tatsächlich wie die 64MB-Version von teutonischem Thrash-Metal und der skandinavischen Melodic-Death-Schiene. Immer wieder höre ich aber auch Einflüsse von DREAM THEATERs "Train Of Thought", welche die ganze Geschichte deutlich aufwerten. Somit klingt "Personal Computer", trotz vieler repetitiver Elemente und Selbstverliebtheit im eigenen Soundgewand, schon ziemlich progressiv. Als weiteres Highlight lässt Victor immer mal wieder seine italienischen Metalwurzeln durchscheinen, was bedeutet, dass es immer mal wieder RONDO VENEZIANO-mäßig symphonisch wird und einem durchaus auch mal RHAPSODY in den Sinn kommen kann.
Aber das ist alles Schall und Rauch, wenn ihr keinen Bock auf diesen Retro-Games-Sound habt oder schlicht keine persönliche Verbindung zu dieser Stilistik. Da ich mit C64 und AMIGA 500 aufgewachsen bin und den Quantensprung zum 386 oder 486 direkt mitbekommen habe (alle Songs des Albums sind chronologisch nach Intel-Chips benannt), beim Spielen der Point'n Click-Adventures von LucasArts auch insbesondere den Soundtrack immer geliebt habe, muss ich gestehen, dass ich auch für diese Umsetzung ein Herz habe. Sein enges stilistischen Korsett reizt MASTER BOOT RECORD wirklich hervorragend aus und liefert ein Album ab, welches nicht nur sein bis dato bestes Gesamtwerk ist, sondern für viele IT-Nerds auch der inoffizielle Nachfolger zu den gottgleichen Turrican-Soundtracks werden könnte.
Warum ich keine höhere Note ziehe, kann ich am besten mit einem Reinhard-Mey-Zitat beschreiben, welches ich vor kurzem erst gelesen habe: "Da lob ich mir ein Stück Musik von Hand gemacht, noch von einem richt'gen Menschen mit dem Kopf erdacht, 'ne Gitarre, die nur so wie 'ne Gitarre klingt, und ne Stimme, die sich anhört, als ob da jemand singt." MASTER BOOT RECORD erfüllt davon leider nur ein Bruchteil - dieses aber fantastisch.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal