MAYFAIR - Behind
Mehr über Mayfair
- Genre:
- Progressive Metal / Artrock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Pure Prog Records / H'Art
- Release:
- 05.04.2013
- Behind
- Advanced In Years
- Generation Isolated
- Madame Pest
- Schlaflos Müde
- Ecstasy
- Daily Screams
- Man Of Sorrows
- Asam
- Dear Julia
- Tears
- Last Spring
- Fegefeuer
- Individual Circus
- Emptiness
- Man Of Sorrows
DIE Wiederveröffentlichung!
Zu Beginn der 90er Jahre gab es plötzlich eine klitzekleine Welle innerhalb der Heavy-Metal-Welt: Im deutschsprachigen Raum formierten sich ein paar Bands, die abseits der sich langsam wiederholenden Songmuster und Stilistiken bewegten und die neue Richtungen ausloten wollten. Ich denke an PAYNE'S GRAY, LIFE ARTIST, SKEPTIK SENSE, DETERRENT oder MORTALITY, die allesamt progressiv im Wortsinn spielten und damit eine kleine Fangemeinde begeistern konnten. Noch einen Schritt weiter zu gehen traute man sich im vermeintlich verschlafenen Nachbarländle Österreich, wo eine völlig außergewöhnliche Band für schlaflose Nächte durch verzaubernde Musik sorgen konnten. Ihr wundervoller Namen: MAYFAIR. Als das erste Demoband "Find My Screams Behind This Gate", auf welchem sich leider lediglich zwei wundervolle Songs befanden, das erste Mal an meine Ohren gelangte, war ich verliebt. Verliebt in diese Musik, die beinahe etwas entrückt klingt. Offensichtliche Anleihen bei den großen WARLORD lassen meinen Kniefall vor dieser Kunst nur noch tiefer ausfallen, denn weder damals noch heute gelingt es vielen Künstlern an die Tiefe der alten WARLORD-Kompositionen heran zu reichen. Die Undergroundpresse steht Kopf und MAYFAIR wird nach allen Regeln der Kunst abgefeiert.
Heute, etwa 23 Jahre später ist die sympathische Band zum Glück wieder aktiv, arbeitet sogar an einem neuen Album, überbrückt die Wartezeit aber erst einmal mit der Wiederveröffentlichung ihres ersten offiziellen Tonträgers. Und damit auch die alten Fans einen Kaufanreiz haben und auch damit man die Entwicklung der Band mitverfolgen kann, hat man sich dazu entschlossen neben den sechs regulären Songs der "Behind" EP noch gleich die Nummern des oben beschriebenen Demos, sowie diverse Rehearsalaufnahmen als Bonus hinzu zu fügen. Sehr lecker.
Jetzt tue ich so als ob jeder schon wüsste, wie die Musik auf "Behind" denn klingt. In einer gerechten Welt wäre dies auch so. Wir alle wissen, wie die Wirklichkeit aussieht. Daher gehe ich einmal näher auf die Nummern ein. Das damals als Quartett agierende Trüppchen fabriziert auf "Behind" psychedelische, emotionale sofort ergreifende Rockmusik, die irgendwo zwischen Independent-Rock, Gothic, Progrock und Heavy Metal angesiedelt ist, ohne sich dabei in einer der Schubladen besonders wohl zu fühlen. Wobei man Gothic jetzt nicht mit pathetischem Kitsch gleichsetzen darf. Ganz im Gegenteil. Es ist lediglich die melancholische Grundstimmung, die die Stücke auf "Behind" umgibt, die mich diese Schublade ebenfalls öffnen lässt. Allerdings ist man weit entfernt, mit Trauerklößchen zu jonglieren. Eher regt man den Zuhörer zum Nachdenken an und rüttelt ihn ab und an auch mal aus seiner Lethargie heraus. Das psychedelische Gitarrenspiel, welches mich immer wieder an die faszinierenden Kollegen von PSYCHOTIC WALTZ erinnert – mehr Lob aus meinen Fingern geht kaum – gepaart mit den offenen Rhythmen ergibt eben viel Raum für Freidenker. Und Sänger Mario nutzt diesen Raum, um ihn mit persönlichen Gedanken zu füllen und seine Stimme bis in alle Extreme dabei auszureizen. So wird der vorwiegend nachdenklich-leidende Gesangsstil auch mal aufrüttelnd schrill und im magischen 'Generation Isolated' sogar etwas irre. Der potentielle Hit des Albums hört auf den Namen 'Madame Pest' und war bei uns damals lange gern gehörter Smasher auf konspirativen Musikabenden. Eine treibende Nummer, deren Melodien sich schnell ins Hirn fräsen. Dabei passiert in dem Titel trotz alledem so viel, dass ich von eine kurzen Longtrack reden möchte. Wunderbar. Einfach wunderbar.
Ebenso toll, wenn auch beinahe etwas angst einflößend, ist 'Schlaflos Müde'. Die vielleicht härteste Nummer auf "Behind" überrascht nicht nur mit deutschen Textpassagen, sondern auch mit herrlich verquerer Rhythmik und einem flirrenden Gitarrengezirpe, welches mir immer alle Sinne raubt. Rauchwaren unnötig. Dass der abschließende Song auf den Namen 'Ecstasy' hört, ist dann sicherlich kein Zufall. So viel zum ursprünglichen Album, welches hier nun remastered worden ist und dadurch tatsächlich deutlich druckvoller klingt, ohne seinen ursprünglichen Charme zu verlieren. Würde als Kaufgrund eigentlich schon ausreichen. Im Hause MAYFAIR hat man das anders gesehen und so schenkt man den Fans einen zweiten Rundling.
Dieser beginnt, wie eingangs bereits erwähnt, mit den beiden Songs des wundervollen Demos. Auch hier hat sich die Überarbeitung ausgezahlt, denn den etwas härteren Nummern steht der zeitgemäße Klang außerordentlich gut. Soll mir noch mal jemand sagen, Bill Tsamis wäre der einzige Gitarrist, der seinem Instrument solche Melodien entlocken könne. Was nun folgt, ist zwar klangtechnisch etwas altmodisch, versprüht aber trotzdem eine Magie, die man selten hören darf. Diverse Nummern des zweiten Albums "Die Flucht" gibt es als Rehearsal-Fassungen zu hören und der geneigte Fan kann hier sehr schön nach hören, wie sich solche Titel entwickeln. Die Unterschiede zu den bekannten Versionen des Albums sind sehr deutlich zu erkennen. Ich vermag nach so kurzer Zeit noch gar nicht sage, welche mir denn jeweils besser gefällt, denn an die Fassungen des Albums hat man sich über die Jahre hinweg gewöhnt. Fakt ist aber: Diese Versionen hier erscheinen mir zugänglicher, teilweise im Tempo deutlich zackiger und insgesamt für einen Erstkontakt weitaus besser geeignet als das Album an sich. Mit eben jenem habe ich damals eine Weile kämpfen müssen. Die Band hat sich über die Zeit hinweg immer weiter entwickelt, ist niemals stehen geblieben, hat sich immer wieder neu erfunden und ist für mich daher das europäischen Pendant zu den frühen VOIVOD. Man kann immer sofort erkennen, welche Band man hört, ist aber parallel immer wieder verwundert, was die Herrschaften denn nun machen. So hat mich das zweite Album damals erst einmal komplett überfordert; vom dritten Rundling rede ich hier noch gar nicht. Vielleicht erscheinen mir diese Versionen eingängiger, weil ich eben so vertraut mit dem Material bin. Schwer zu sagen.
Als besonderes Bonbon gibt es mit 'Fegefeuer' und Individual Circus' sogar noch komplett unveröffentlichtes Material. Ich muss nicht extra erwähnen, dass diese Nummern dem bereits bekannten Material in Nichts nachstehen. Ich bin völlig begeistert und freue mich auf die kommenden musikalischen Abenteuer mit MAYFAIR. Vielen Dank für diese wunderbare Musik.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Holger Andrae