MEMENTO WALTZ - Division By Zero
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2013
Mehr über Memento Waltz
- Genre:
- Prog
- ∅-Note:
- 10.00
- Release:
- 30.09.2013
- Omicron
- Opus Alchemicum
- Europa (Jupiter II)
- Achilles' Paradox
- Mechdreamer
- A New Beginning
- Emphasize
Magic moments.
Dieses Review schiebe ich schon eine Weile vor mir her, weil ich partout nicht die richtigen Worte für dieses Album finde. Vor gut zwei Jahren habe ich bereits die zweite EP dieser italienischen Band auf diesen Seiten abgefeiert und kann heute sagen, dass sich meine euphorische Meinung nicht verändert hat. Im Gegenteil: Ich finde die fünf Songs von damals eher noch etwas besser. Umso gespannter war ich natürlich auf den ersten kompletten Silberling der Band. "Division By Zero" rotiert seit ein paar Wochen beinahe täglich bei mir und jedes Mal bin ich erneut komplett verzaubert und sprachlos ob der gebotenen Musik.
Schon der Titel des Albums, wie auch das wundervolle Artwork, welches den Silberling einhüllt, machen klar, welche Art der musikalischen Darbietung den Hörer erwartet: Technisch anspruchsvolle, verschachtelte Songs, die man sich erarbeiten muss. Eine Stilistik, die lange mit dem Terminus Techno-Thrash überschriftet wurde. Heute ist das schlicht Progressive Metal. Eine Eingrenzung, mit der man diesem sympathischen Quartett aber Unrecht tut, denn im Gegensatz zu den vielen vermeintlich progressiven Bands, die diese Bezeichnung lediglich bekommen, weil sie ein bisschen nach DREAM THEATER klingen, schafft der südeuropäische Vierer tatsächlich sehr originelle Musik. Die einzige Band, die mir als Parallele einfällt, hört auf den Namen SPIRAL ARCHITECT und ist seit über einer Dekade in einem selbst auferlegten Winterschlaf, Freunde eben jener Band können spätestens hier aufhören zu lesen und können blind "Division By Zero" bestellen. Jetzt.
Schon die eröffnende Hitsingle 'Omnicron' zeigt die ganze Klasse der Band. Luftig leichte Rhythmen, die nicht einen Takt lang geradeaus gespielt werden unterlegen schräg-verdrehte Gitarrenriffs und erzeugen eine angenehme Unruhe. Lediglich Sänger Marco Piu bietet mit seiner hellen Klarstimme Ankerplätze fürs Ohr. Obendrein hat diese Nummer tatsächlich so etwas wie einen Refrain, der sich fix in geübten Lauschern festsetzt. Anfänger werden wahrscheinlich schon bei diesem exzellenten Appetizer verzweifelt nach dem roten Faden suchen. Ich kann allen versichern: Achtet auf die geniale Melodieführung des Gesanges und ihr werdet Euch in diesem Song verlieren. Dies ist aber nur der Auftakt für noch weitere Musikwelten. Welten, die entdeckt werden wollen. So zum Beispiel 'Europa (Jupiter III)' mit seinem sphärischen Bassspiel, welches mich sofort in seinen Bann gezogen hat. Ich liebe es, wenn der Viersaiter als Leadinstrument eingesetzt wird. Und dies geschieht hier in jeder Nummer. Bei 'Europa' hat man den Eindruck, Bassist Guiseppe Deiana würde mit riesengroßen Fingern an extradicken Saiten zupfen. Und dies manchmal in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Darüber zirpt und pingt die Gitarre von Livio Poier Peiltöne, zu denen Marco Piu gefühlvoll ins Mikrophon artikuliert. Magisch.
Ebenfalls als Einstieg geeignet ist die vorletzte Nummer 'A New Beginning', die mit ihrer behutsamen Instrumentierung beinahe als sanft zu bezeichnen ist. Vor allem die extrem im Vordergrund stehenden Gentlemanbasslinien und der hohe ausdruckstarke Gesang lassen diese Nummer zu einem schnellen Highlight werden. So spielt man verschachtelte Musik leicht zugänglich. Zauberhaft.
Komplett gegen den Strich gebürstet klingt hingegen 'Achilles Paradox'. Mit harscher, abgestoppter Rhythmik, abwechselnd fettem Riffing und akustischen Zupfpassagen, fasziniert dieser Brecher sofort jeden Freund wirklich progressiver Musik. Zwischendurch wird beinahe beiläufig ein herrlich schräges Gitarrensolo eingestreut, nur um dann wieder mit so einem magischen Emotionsgesangsmoment ein paar Gänse zu pellen. Diese ruhigen Versatzstücke kommen auch nach wiederholtem Einsatz des Albums immer noch völlig überraschend und lassen mich jedes Mal mit Maulsperre zurück. So entlädt man vorher klug aufgebaute Spannung. Es ist der Wahnsinn.
"And you fall asleep" lautet die letzte Textzeile von 'Achilles Paradox'. Selbst, wenn niemand mit vernünftigen Ohren beim Genuss dieser Musik einschlafen wird, setzt die Band im direkten Anschluss geschickt das sphärische 'Mechdreamer'. Das ist nach dem Opener die zweite Nummer, in der wir den PHARAOH-Gitarrist Matt Johnsen mit einem Gastsolo hören können. Sehr fein. Auffällig an diesem Achtminuten-Monster ist der von einem weichen Bassteppich getragene Mittelpart, der von orientalischen Rhythmen unterlegt ist. Darüber schweben die Gitarren wolkengleich und verzaubern den Zuhörer mit schwerelosen Melodien. Nach Hinten hinaus steigert sich die Nummer mit hektischen Bassläufen und flirrenden Gitarren, die, ihr habt auf den Vergleich gewartet, an PSYCHOTIC WALTZ erinnern. Ich muss nicht sagen, wie toll ich das finde.
Wo wir gerade so schön bei Walzern sind, verweise ich auf 'Opus Alchemicum', welches wie die Untermalung einer Insektendisco klingt. Hektisch herum zappelnde Ameisen, angriffslustige Hornissen und zur Balz aufgemotzte Kriegerbienen schwingen hier vor dem geistigen Auge die Tanzbeine und verknoten schon bei der bloßen Vorstellung daran die Hirnstränge des Zuhörers. Der leicht mechanische Klang dieser Nummer unterstreicht die hektische Atmosphäre und lässt den Song zum jetzigen Zeitpunkt zu meinem Favoriten werden. Auch hier finden wir wieder dieses farbenfrohe Wechselspiel von akustischen und verzerrten Passagen, welches den Hörer in ein Wechselbad der Gefühle taucht. Wunderbar.
Zu guter Letzt besorgt es uns der Vierer mit dem hackenden 'Emphasize', bei welchem sich die Band noch einmal so richtig austoben kann. Ist diese heimtückische Nummer anfangs noch gradlinig nach vorne preschend, so schlägt sie nach wenigen Minuten bereits böse Haken und verwirrt mit jazzigen Passagen. Ist das etwa ein Chapman Stick, den Guiseppe da spielt? Klingt ganz danach. Die hypnotische Schluss-Sequenz dient dann sicherlich lediglich dazu, den Hörer zum erneuten Abspielen des Silberlinges zu bewegen. Bei der gebotenen Qualität dürfte das gelungen sein.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae