MEMPHIS MAY FIRE - This Light I Hold
Mehr über Memphis May Fire
- Genre:
- Metalcore / Emo / Post Hardcore
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Rise Records
- Release:
- 28.10.2016
- Out Of It
- Carry On
- Wanting More
- Sever The Ties
- The Enemy
- This Light I Hold
- That's Just Life
- Letting Go
- The Antidote
- Better Things
- Not Over Yet
- Unashamed
- Live It Well
Licht im Dunkeln.
2016 sorgt mehr und mehr dafür, dass ich meine pessimistische Einschätzung in Sachen Metalcore überdenken muss. Während es zumeist die Debütanten sind, die mit uninspirierten Kopien der Originale enttäuschen, sorgten die Veteranen des Genres zuletzt für unerwartete Lichtblicke. Dazu gehören auch die einstigen Teenie-Idole von MEMPHIS MAY FIRE. "This Light I Hold", das fünfte Album der Texaner, ist eine mit dreizehn Tracks prall gefüllte Wundertüte, welche die heikle Gratwanderung zwischen spannungsarmer Metalcore-Generik und überehrgeiziger Weiterentwicklungsversuche erfolgreich meistert.
Es ist zwar alles vorhanden, was sich an ähnlich gelagerten Veröffentlichungen kritisieren lässt - die nimmermüden Breakdowns, die trancig-poppigen Synthie-Effekte, der überkandidelte Sound, der altbekannte Wechsel zwischen harschen Screams und säuseligem Klargesang -, doch MEMPHIS MAY FIRE liefert dieses Jahr nicht einfach nur einen lauen Aufguss der altbekannten Zutaten ab - vielmehr wird ein mitreißendes, groovig-rockiges Feuerwerk abgefackelt, das zwischen Post Hardcore, trancigem Metalcore, gelegentlichen Metal-Riffs und unkonventionellen Songstrukturen alles bietet, was das Herz der heutigen Rocker-Generation erfreuen sollte.
Erfreulich ist, dass die Christenrocker aus Dallas trotz poppiger Elemente allzu simple Strukturen weitestgehend vermeiden und die Balance zwischen Spaßfaktor und Nachdenklichkeit quasi über die ganze Distanz aufrecht gehalten wird. Und so springen auch auf "This Light I Hold" wieder einige Modern-Metal-Core-Pop-Rock-Granaten raus. 'Out Of It' eröffnet diese kernige Vollbedienung noch etwas Emo-corig-klischeebehaftet, drückt aber bereits in den zerhackten Versen ordentlich ins Gemächt und kickt dann auch noch im melodischen Refrain knackig-rockend Ärsche. 'Carry On' geht direkt weiter als durchgespannter Bogen zwischen zärtlich-intimem Ohrwurmgesang und brutalen Mosh-Beats. 'Wanting More' schlägt stärker in die Emo-/Post-Hardcore-Kerbe und fügt sich in den abwechslungsreichen Kontext des Albums hervorragend ein. Wunderschön dann die Metal-Gitarren bei 'The Enemy', sowie natürlich auch der packend-kämpferische Kehrvers, untermalt von epischen Streichern. Starkes Ding!
Neben dem traditionell überproduzierten Sound und gelegentlich nervigen Quietscheffekten sorgt ausgerechnet Fronter Matty Mullins leider hier und da für Ernüchterung: Natürlich ist weder am Biss seiner Screams noch an der Sauberkeit seiner Clean-Vocs etwas auszusetzen, doch Mullins klingt weiterhin etwas austauschbar und nach Standard-Metalcore-/Screamo-Fronter. Für den Wiedererkennungswert sorgt bei MEMPHIS MAY FIRE eher die Instrumentalfraktion. Inhaltlich ist an den Lyrics allerdings nichts auszusetzen: Wenn andere Metalbands ständig die nihilistisch-misanthropische Leier von der Sinnlosigkeit des Daseins und der Verrohung des Menschen bringen, nordischen Fantasiegöttern oder dem personalisierten Bösen huldigen, wieso soll da nicht jemand den Gegenpol bilden und einen Gott der Liebe besingen? Schließlich erklingt auf "This Light I Hold" kein HILLSONG-Worship-Gesäusel, sondern durchaus auch für nichtgläubige kritische Betrachter des menschlichen Daseins viel Stoff zum Reflektieren.
Unterm Strich führt MEMPHIS MAY FIRE mit "This Light I Hold" einen bissigen, geradezu angriffslustigen Schlag gegen die Depression unserer Zeit und die Kreativlosigkeit im Metalcore-Zirkus aus. Egal ob balladesk mit 'That's Just Life', überfallartig aggressiv mit 'The Antidote', der Grundton ist stets nachdenklich, aber doch optimistisch, und das Tempo wird zumeist so hoch gehalten, dass die Bedenken und die bleierne Schwere unserer Gegenwart mühelos weggerockt werden. Und wenn sich Mullins im letzten Track 'Live It Well' fragt: "What is the story my life will tell? Did I tell it with my whole heart? Did I live it for more than myself? And did I live it well?", sollte sich jeder angesprochen und ermutigt fühlen, sich über Sinn und Auswirkung des eigenen Daseins auf dieser Welt Gedanken zu machen. Da leistet MEMPHIS MAY FIRE mit "This Light I Hold" einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag - und musikalisch betrachtet einfach ein starkes Stück emotionaler moderner Rockmusik. Ich gestehe, die etablierten Vertreter der Metalcore-Flut unterschätzt zu haben.
Anspieltipps: This Light I Hold, The Enemy, Better Things
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause