MERCYFUL FATE - Melissa
Mehr über Mercyful Fate
- Genre:
- Thrash
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Music For Nations
- Release:
- 30.10.1983
- Evil
- Curse Of The Pharaohs
- Into The Coven
- At The Sound Of The Demon Bell
- Satan's Fall
- Melissa
"Melissa is still with us".
Ein Jahr nach dem sensationellen EP-Vinyleinstand, ein Jahr nach dem ich beim ersten Spin besagter EP noch dachte, ich hätte die Umdrehungszahl meines Scheibendrehers falsch eingestellt, ein Jahr seit ich im kompletten MERCYFUL FATE-Wahn war, erscheint endlich der erste Longplayer der dänischen Wundertruppe um King Diamond. "Melissa" ist eine dieser Ausnahmescheiben, die auch über dreißig Jahre nach ihrem Erscheinen nichts, aber auch gar nichts, an ihrer Faszination eingebüßt hat. Eher das Gegenteil ist der Fall. Aber mal langsam.
Schon das grandiose Coverartwork des Albums fesselt mich bis zum heutigen Tage. Es gibt nur wenige Motive, die besser den mystisch-okkulten Aspekt darstellen und die gleichzeitig auch erahnen lassen, welche Atmosphäre die Musik auf dem Album ausstrahlen wird. Die Farbkombination Schwarz/Grün alleine hat für mich schon etwas beklemmend-düsteres – "Within The Veil", anyone? – aber durch das blutige Rot als additiven Eyecatcher, entsteht der Eindruck des ultimativ Bösen. Legt man die Scheibe dann auf, weiß man nach wenigen Takten schon, dass dieses Motiv nicht zu viel verspricht. Bereits der Einstieg des quasi als Überschrift für das gesamte Album dienenden 'Evil', bietet mehr als ganze Werke anderer Bands. Wahnwitzige Tempowechsel unterlegen gleich zu Beginn ein kurzes Solo bevor der Meister der hohen Stimme zum Angriff bläst. Die Herren Ruzz und Grabber galoppieren dazu rhythmisch nach vorne und reißen mich seit über 30 Jahren immer wieder aufs Neue sofort mit. Die Ideen, die in diesem knapp fünfminütigen Song sind gleich so überwältigend, dass man es eigentlich gar nicht fassen kann. Das anschließende 'Curse Of The Pharaohs' ist schon zum Erscheinungsdatum des Albums ein Bandoldie, da diese Nummer schon lange im Liverepertoire der Dänen zu hören war. Trotz seiner kompakten Spielzeit von vier Minuten entfacht auch dieser Killersong ein Feuerwerk rhythmischer Kabinettstückchen und teuflischer Saitenhexerei. Der Einsatz von unterschiedlichen Gesangsspuren lässt den Eindruck entstehen, dass King Diamond omnipräsent zu hören ist und die zum Titel passenden orientalischen Gitarrenharmonien umgarnen die Sinne des Hörer dann endgültig.
'Into The Coven' schlägt andere Wege ein, um sich im Gedächtnis zu verankern. Musikalisch weniger aggressiv, züngeln die Gitarren hier heimtückisch im Hintergrund herum während der King alle Gläser zersplittern lässt. Die Solopassagen in dieser Nummer sind quasi nicht von dieser Welt: Gefühlvoll, melodisch, fesselnd … einmalig. Nach diesem Knüller folgt der damals erste unbekannte Song: 'At The Sound Of The Demon Bell' stand auf keinem der älteren Livetapes und ist somit komplettes Neuland für alle. Eine Nummer, die irgendwie immer ein wenig im übermächtigen Schatten der anderen Songs auf diesem Album steht. Für mich völlig unverständlich, denn ich liebe diesen Song. Der Übergang von den abgestoppten, harschen Midtempo-Passagen der ersten Hälfte zur rasanten Achterbahn ins Höllenfeuer des Mittelteils raubt mir auch heute noch den Atem. Ganz großes Kino.
Die zweite Seite der LP wird dann vom Bandklassiker 'Black Funeral' furios eingeleitet. Kim Ruzz rollt in seiner originellen Art und Weise wie ein Donnergott über seine Maschinerie und sorgt so für den nötigen Drive dieses Riffmonsters. Die Herren Denner und Sherman haben hier ganz offenbar ein bisschen Maiden als Inspiration genommen und sich gedacht: "Das können wir besser!" Stimmt sogar. Die Definition eines kurzen Longtracks. Ganz anders dann das Herzstück des Albums mit dem
bedeutungsschwangeren Titel 'Satan's Fall'. Er fällt lange, der Herr mit den Hörnern und dem Huf. Gute elf Minuten dauert seine Reise, auf der er alle möglichen und unmöglichen musikalischen Kapriolen schlägt. Mit dieser Nummer hat sich die Band ein Denkmal erschaffen, einen musikalischen Altar vor dem alle anderen Bands niederknien müssen. Die schier unendliche Ideenvielfalt in diesem Song kann ich unmöglich in Worte fassen, daher belasse ich es bei dem knappen Kommentar: Es ist der beste Song des Jahres 1983. Amen.
Den Abschluss bildet dann das titelgebende 'Melissa'. Eine Ode an eben jene (fiktive) Hexe, deren Totenschädel lange Zeit Kings Mikrophon geziert hat. Quasi ein Liebeslied und von daher auch deutlich ruhiger als die restlichen Songs des Albums ohne einen Funken weniger mystisch zu klingen. Schauderhaft schön trauert King in dem Song um die Geliebte, die einer Hexenverbrennung zum Opfer fiel. Aber natürlich endet ein MERCYFUL FATE-Album nicht melancholisch. Deshalb nimmt der Song in der zweiten Hälfte mächtig an Fahrt auf und King schwört Rache. Diabolisch diese Passage, wie auch die im Textblatt nicht abgedruckte letzte Zeile, die er dem Hörer mit auf den Weg gibt :"I think Melissa's still with us." Ein großartiges Ende eines großartigen Albums, welches bis heute – oder sollte ich sogar schreiben "erst Recht heute"? - nichts von seiner Ausstrahlung und seiner Faszination eingebüßt hat.
Falls es einen Leser dieser Seiten gibt, der "Melissa" nicht kennt, gilt es jetzt dies zu ändern.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae