MESHUGGAH - Catch Thirty-Three
Mehr über Meshuggah
- Genre:
- Cyber Metal
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 23.05.2005
- Autonomy Lost
- Imprint Of The Un-Saved
- Disenchantment
- The Paradoxical Spiral
- Re-Inanimate
- Entrapment
- Mind's Mirror
- In Death - Is Life
- In Death - Is Death
- Shed
- Personae Non Gratae
- Dehumanization
- Sum
Die Buchstabierung von sperrig ist die Formel zur Ergründung von "Catch Thirty-Three", dem neuen Album von MESHUGGAH. "S" wie superkomplex, "P" wie progressiv, "E" wie energietriefend, Doppel-"R" wie Rock'n'Roll-Vergewaltigung, "I" wie irrational-melodiös und "G" wie gigaintelligent - so lässt sich MESHUGGAHs neuer Streich in wenigen Worten beschreiben. Die Schweden bleiben sich treu. Wer bisher keinen Zugang zu ihnen fand, der wird auch an den Strukturen von "Catch Thirty-Three" verzweifelnd scheitern. Doch Frickel-Freaks finden mit der Scheibe ein weiteres Evangelium aus der Gedankenschmiede der fünf krank-genialen Psycho-Musiker um Schreihals Jens Kidman.
MESHUGGAH haben sich dabei auf ihrer neuen Scheibe von jeglichen ihrer Thrash-Wurzeln konsequent entfernt, um aber dennoch einen megabrutalen Sound fernab gängiger Metalklischees zu zaubern. Schon im Tri-Opener 'Autonomy Lost', 'Imprint Of The Un-Saved' und 'Disenchantment' erschlägt eine einzige Staccato-Riffwand bald die Box, aus der sie bricht, malträtiert sich der fiese Bass unwiderruflich ins Ohr, shoutet Kidman irre wütend durch die komplexen Klänge. Das Gemetzel geht über in 'The Paradoxial Spiral', das mit noch abstrakteren Gitarrenriffs klingt, als wollte dieses Quintett ernsthaft jede Windung des Zwischenhirns zur freudigen Selbstsprengung überreden. Kidmans Stimme ertönt an dieser Stelle als verzerrtes "Instrument" im Hintergrund. Dazu wirkt das vertrackte Schlagzeugspiel wie ein ständiger Hammer mitten ins Mark, spätestens an dieser Stelle schalten Menschen mit Kopfschmerzen ab. Doch MESHUGGAH wären nicht MESHUGGAH, wenn sie jetzt nicht völlig überraschend zum weiter krachenden Riff der paradoxen Spirale auf 'Re-Animate' verzerrt-klaren Sprechgesang verwenden würden, um bei 'Entrapment' wieder zur wütenden Ausgangs-Stimmung der merkwürdigen Spirale zurückzukommen. Ohne Pause, versteht sich, bis 'Entrapment' gehen alle Stücke ohne Punkt und Komma ineinander über, verwirbeln sich zu einem einzigen, wahnsinnig fett produzierten Brei.
Erst bei 'Mind's Mirror' und seiner spacigen, von Donnergeräuschen unterbrochenen Atmosphäre gibt es so etwas wie eine kurze Ruhepause, Kidman spricht dazu wie ein verzerrter Alien von einem Planeten in Form eines rauchenden Joints. 'Mind's Mirror' geht über in einzelne Gitarrenklimperer, die sich über Minuten hinweg zu einer Art Sirene aufbauen, kurz abfallen und in dem fulminanten Psycho-Kracher 'In Death - Is Life' kulminieren, der seinerseits in dem noch irreren 'In Death - Is Death' endet. Dieser neunte, mehr als dreizehnminütige Song ist es denn auch, der durch seine killenden Hintergrundmelodien die Hörmodule des Hirns schon fast an die Grenzen der Belastbarkeit führt, von dem dabei gänzlich unkonventionell wütenden Getrommel einmal abgesehen. Dazu ständige Breaks, Stimmungswechsel, Gefiepe, vor sich hin brabbelnde Bässe. Terror, perfekt ausgeführt von schwedischen Freaks jenseits aller musikalischen Grenzen - bis zum langgezogenen, ruhigen Ende von 'In Death - Is Death'. Diese Quasi-Stille wiederum wird erschüttert, durchgeschüttelt, vernichtet - 'Shed' ist das bis dato wohl zugänglichste Wuchtstück der Scheibe, ausgestattet mit dem Grundrhythmus eines bekifften Uhrenpendels, göttlich leicht und doch brutal bis in die Gitarrenspitzen. Ansatzlos ist der Übergang zu dem wie ein Maschinengewehr nach vorn schießenden 'Personae Non Gratae' - wenn MESHUGGAH mit diesen unerwünschten Leuten jene meinen, die über zu viel musikalische Komplexität nörgeln, dann bekommen diese ignoranten Typen mit diesem Song und dem folgenden Geschütz 'Dehumanization' ein derartig opulentes Krachbollwerk in zwei Akten um die Ohren gehauen, dass nur noch der krumme Gang in die Schäm-dich-Ecke sie retten kann. Nach diesem Vernichtungsschlag entführen MESHUGGAH ihre Fans mit 'Sum' in eine Welt, die sich recht dicht neben der von NEUROSIS befindet. Doch nur für 2 Minuten 36, denn dann stoppen MESHUGGAH plötzlich und lassen "Catch Thirty-Three' mit sanften Gitarren langsam ausklingen. 47 Minuten Soundchaos sind vorbei und die Welt des MESHUGGAH-Fans in Ordnung. Und reicher ist die restliche Erde ebenfalls, reicher um ein technisch brillantes, unglaublich vielschichtiges, schwer zugängliches, aber, wenn das geschafft ist, geradezu süchtig machendes Album.
Anspieltipps: Alles
- Redakteur:
- Henri Kramer