MESHUGGAH - Destroy Erase Improve
Mehr über Meshuggah
- Genre:
- Progressive Thrash
- Label:
- Nuclear Blast
- Future Breed Machine
- Beneath
- Soul Burn
- Transfixion
- Vanished
- Acrid Palcidity
- Inside What's Within Behind
- Terminal Illusions
- Suffering In Truth
- Sublevels
Test... 1, 2, 3... alles klar... Kopfhörer auf Bereitschaft... Finger auf dem Play-Button... so, drücken... warten... Angst breitet sich in meinen Eingeweiden aus, während ich die ersten Klänge von 'Future Breed Machine' vernehme. Was das Problem ist? Ich kenne den Song.
Nun, Leute, die MESHUGGAH und ihre doch recht deftige Spielart kennen, wissen, warum sich meine Haut gerade anfühlt wie lustiger Wackelpudding (der grüne) auf einem Kindergeburtstag. Der Synthie setzt ein... Panik... und plötzlich tanzt mir der Sound, welcher eine wunderbare Untermalung für den Zweiten Weltkrieg gewesen wäre, durch die Ohren.
Doch hierzu wollen wir erst einmal einen Gang zurückschalten und auf die Grundvoraussetzungen des optimalen Hörgenusses für dieses Album eingehen. An die Leute da draußen, welche Polyrhythmik für einen ostafrikanischen Abzählreim halten... ja, auch du da bist gemeint... ja, du da mit der Brille und dem BLIND GUARDIAN-Shirt... ein Tipp: Ihr habt jetzt zwei Möglichkeiten. Die erste: CD an jemanden verschenken, der dieses kuriose Stück Genialität zu schätzen weiß (das Fazit kommt doch ganz am Anfang, oder?) oder zweitens: Augen zu und einmal durch die Hölle, auf dass auch ihr geläutert wiederkehrt.
Um MESHUGGAH's Musik ein wenig zu erläutern - stellt euch den Tourbus von PANTERA vor (ich weiß, dann ist das hier halt 'ne alternative Rückblende). Seht ihr ihn, wie er majestätisch im Abendrot der guatemaltekischen Tundra dahinrollt? Fast schwerelos wirkt er in seiner Grazie. Doch seht ihr auch den anderen 15-Tonner, welcher sich mit überhöhter Geschwindigkeit aus der anderen Richtung nähert? Am Steuer sitzt Barney. Barney ist so'n Klischeetrucker und immer knülle. Ich schweife ab...
Also, die Dinger knallen ziemlich schnell und heftig gegeneinander. Hört ihr dieses Krachen, dieses Scheppern, dieses Kreischen? Gut, dann kennt ihr jetzt ungefähr die Richtung, in die die Luzie abgeht.
Aber ganz entgegengesetzt zu den unkoordinierten Geräuschen, die man bei einem solchen Zusammentreffen erwartet, bietet jede Fraktion bei MESHUGGAH domestiziertes Chaos aus der Dose. Den Klampfern voran steht der Axtbarde Fredrik Thordendal, welcher sich auch für die teils sehr ausgefallenen Soli und ebenso die abrundenden, songdienlichen Synthesizereinlagen (sehr interessant im oben beschriebenen Opener 'Future Breed Machine') verantwortlich zeichnet. Ihm zur Seite (und mindestens genauso hübsch) steht Marten Hagström am melodischen Rhythmusholz. Hierbei agiert die Band zu jeder Phase als Einheit, was sich von Zeit zu Zeit zwar schwer glaubhaft anhört, aber durch die durchweg positive Produktion gut zur Geltung kommt. Die Bolzpartei (Peter Nordin/b., Tomas Haake/dr.) ist sehr druckvoll und treibend in Szene gesetzt. Wo das am besten zu hören ist? Gut, ihr befolgt obige Anleitung, wartet 46 Minuten und 31 Sekunden. Na, habt ihr's selbst gehört? Richtig, überall!
Wenn man ein paar Worte sucht, welche zum Songwriting auf "Destroy Erase Improve" passen, wird man unweigerlich, vielleicht sogar als erstes, auf das süße, kleine Adjektiv "krank" stoßen. Was jedoch in den Medien zumeist als bösartige Beschreibung für verwirrt psychotische Leidensgenossen (Amok, Massenmord, Kannibalismus) herhalten muss, ist in diesem Sinne des Pudels Kern. Jede einzelne Komposition wird von verstörend-halluzinatorischem ('Beneath', 'Suffer In Truth') bis brachial-genickbrechendem ('Future Breed Machine', 'Vanished') Riffing unterlegt. Wenn man mal vom sphärisch bedrohlichen, mit einem wirklich tollen Aufbau versehenen, Instrumental 'Acrid Placidity' absieht, wird hier eine Härte und Spielfreude an den Tag gelegt, welche ihresgleichen sucht. Hervorzuheben ist hier auch Tomas Haakes Drumming, welcher mit den hin- und her wuselnden, krummen sowie rechteckigen Takten jongliert, als wäre er in einer Bassdrum von wilden Drumsticks aufgezogen worden. Sein Talent lässt sich leicht an dem wunderbar abwechslungsreich groovenden Track 'Soul Burn' ablesen, zu welchem Thordendal eines seiner möglicherweise wahnwitzigsten Soli beisteuert.
Letztere kennen wohl als einzige Grenze den Tonumfang seiner Gitarre, ansonsten wirkt alles wie aus dem Ärmel geschüttelt. Auch hier gilt: Nicht dilletantisch, als träfe der Herr nur die falschen Töne, sondern songdienlich. Zu all dem gesellt sich noch das außerordentliche Organ Jens Kidman's, dessen extremer Gesang auf die Songs passt, wie die Faust auf's Auge. Dass er am Mikro mehr zu bieten hat, als ein Fußballfan im Stadion zeigt er im letzten Song 'Sublevels'. Hier gibt er eine krude Art des Sprechgesangs zum Besten, irgendwo angesiedelt zwischen Gleichgültigkeit und Melancholie. Uneingeschränkt hörenswert...
Da die Auffassung und die Bedeutung eines Songs seit jeher subjektiver Natur sind, möchte ich nicht allzu sehr auf jeden Song einzeln eingehen, doch der Weg ist vormarkiert. Inhaltlich lässt "Destroy Erase Improve" ebensowenig zu wünschen übrig, der Name ist Programm. Wie im Titel bereits erkennbar und untermauert von der zerstörerischen Musikalität (Destroy), handelt das Album von der kathartischen Reinigung durch Auslöschung (Erase), um anschließend fröhlich-frisch einen Neuanfang zu starten und voranzuschreiten (Improve). Wer glaubt, dass bei einem solchen Geknüppel kein Platz für kontemplative Texte bleibt, der möge einen Blick in das recht ansprechend gestaltete Booklet werfen (nicht nur die Bilder gucken!). Von gottgleicher Wissenschaft über innere Unruhe bis hin zu Medienterrorismus ist alles dabei, was man sich als der Obrigkeit gegenüber kritisch eingestellter Mensch nur wünschen kann (nein, BLIND GUARDIAN-Fans - keine Hobbits!).
Als Fazit bleibt zu sagen, dass Meshuggah hiermit einen Klassiker in puncto Brachialität und Songwriting verbrochen haben, welcher ohne übergroßes Lob als bahnbrechend zu bezeichnen ist. Kauft/leiht/klaut euch die Scheibe und hört selbst, was der Onkel Pukkemann für euch bereit hält. Entweder, ihr pfeffert das Ding danach mit den Worten "AAAAAH!" Angst erfüllt in die nächstbeste Ecke oder "Destroy Erase Improve" läuft danach bei euch auf Dauerrotation und ist in eurem Regal neben den anderen "10 von 10 Punkte"-Scheiben zu finden.
Anspieltipps: Future Breed Machine, Soul Burn, Vanished, Acrid Placidity, Sublevels
- Redakteur:
- Lasse Rosenberger