MESSA - The Spin
Mehr über Messa
- Genre:
- Ambient/Metal/ Doom/Postrock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Metal Blade Records
- Release:
- 11.04.2025
- Void Meridian
- At Races
- Fire On The Roof
- Immolation
- The Dress
- Reveal
- Thicker Blood
Auch auf dem vierten Album wider den kreativen Stillstand. So geht Weiterentwicklung!
Es ist schon kein leichtes Unterfangen, die Musik der italienischen Band MESSA für Außenstehende halbwegs komprimiert in Worte zu fassen. Irgendwas zwischen Doom, Rock, Prog, Blues, Jazz, Ambient und einen Hauch Oriental mit viel Eigennote leiert man sich dann immer so aus den Rippen. Wohlwissend, dass man es damit aber doch irgendwie nicht so hundertprozentig treffend auf den Punkt gebracht hat. Und als ob man auf den vorangegangenen drei Platten nicht schon genügend Einflüsse verarbeitet hat, was eine halbwegs repräsentative Genre-Einordnung schon fast unmöglich macht, macht es sich die Truppe auch mit Opus Numero 4 "The Spin" diesbezüglich nicht wirklich einfacher und steht schubladentechnisch nach wie vor zwischen sämtlichen Stuhlkreisen.
Es braucht für MESSAner nicht wirklich erst einen Blick in den beiliegenden Presse- und Werbetext, um hier bereits nach den ersten Albumsekunden verwundert und positiv verblüfft festzustellen: WTF! MESSA goes Eighties. Und das in großem und auslandendem Stil mit leichtem Fokus auf Gothic Rock und Synthwave. Sofort fühl ich mich aufgrund der ganzen versprühenden Vibes an die Dekade erinnert, die mich als kleinen Steppke tatsächlich erstmals hat aufhorchen lassen und mich das erste Mal leidenschaftlich Musik hat hören und genießen lassen. Lange, bevor ich von Doublebass-Attacken und Stakkato-Riffs überhaupt gehört habe. Das Quartett war und ist ja immer für so manche musikalische Überraschung bekannt gewesen und nie verlegen, sich musikalisch immer wieder neu von Album zu Album zu erfinden, aber dass das musikalische Pendel jetzt in der Form Richtung Achtzigerjahre ausschlagen würde, hätte ich jetzt auch nicht unbedingt vermutet.
Das wird wie beschrieben bereits während des Openers 'Void Meridian' mehr als deutlich, wo Elemente aus Post-Punk und EBM flockig Hand in Hand gehen und den Hörer charakterlich auf die kommenden vierzig Minuten einstimmen. Auch der Gitarrensound klingt hier eigenartigerweise ein klein wenig aus der Zeit gefallen bzw. wie eben aus jenem besagten Jahrzehnt. Kein Wunder, hat man sich doch zwecks gemeinsamer Proben und Komponieren für längere Zeit auf einem alten Gut in der italienischen Provinz eingefunden, wo man passenderweise unter anderem auch auf technisch komplettes Originalequipment aus eben jener Zeit zurückgreifen konnte, um den Kompositionen den passenden Zeitgeist-Anstrich zu verpassen. Auch das bereits als Vorab-Single veröffentlichte 'At Races' haut hier in dieselbe Kerbe und bezieht Einflüsse von KILLING JOKE und JOY DIVISION mit ins Songwriting ein. Gitarrist Alberto hält sich bis hier trotz des einen oder anderen Solo fürs erste angenehm dezent zurück und stellt sich ganz in den Dienst der sehr verdichteten Songs, während Ausnahmekönnerin Sara wieder einmal sämtliche Register ihrer expressiven und leidenschaftlichen Sangeskraft zieht und auf dem vorliegenden Album im speziellen mitunter häufig an Siouxsie Sioux von SIOUXSIE AND THE BANSHEES erinnert. Das riffstarke 'Fire On The Roof' bündelt Altbekanntes und Neues und pendelt gekonnt zwischen Doom Rock auf der einen und elektronisch angehauchtem Dark Wave auf der anderen Seite.
Das etwas als Synthie-Ballade angelegte 'Immolation' lässt mich hinsichtlich ihrer Gesangsführung gar ein wenig an 'The Power Of Love' von FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD denken. Überhaupt präsentieren sich die ersten vier Songs für MESSA-Verhältnisse zwischen ungewohnten vier und fünf Minuten Songlänge überraschend minimalistisch und reduziert, eben ganz im Stile der Tradition der Songs aus den Achtzigern. Das Credo während des Schreibprozesses lautete ergo schlicht und ergreifend: Wenn eine Idee zweimal auftaucht, ist es genug. Dreimal? Weg damit.
Erst das kongeniale und durch Saxophonklänge veredelte und über acht Minuten lange 'The Dress' wartet nicht nur wieder mit den gewohnten Dark-Jazz-Passagen und hypnotischen Bassläufen auf, für die wir MESSA-Jünger und Jüngerinnen die Band so überschwänglich lieben, auch der dem Blues und Jazz grundsätzlich sehr verbundene Gitarrist Alberto darf sich hier nach Belieben austoben und mit Hilfe des Saitenbretts wieder ins Blaue hinein improvisieren. Das noch am ehesten als Metalsong durchgehende 'Reveal' sticht durch seine leichten Country- und Americana-Einflüsse hervor, während das punkig angehauchte Speed-Riffing ein wenig in die musikalische Welt von SYSTEM OF A DOWN entführt. Doch ungeachtet all dieser thematischen Abstecher ins musikalische Reich von Gothic Rock und New Wave bleibt MESSA seiner musikalischen DNA treu und trotz allem tief im typischen "Scarlet Doom"-Sound verankert. Denn Bands und Künstler wie zum Beispiel die SISTERS OF MERCY oder VANGELIS haben zwar durchaus bleibende Spuren im Klangbild hinterlassen, der über die letzten zehn Jahre entwickelte und unverwechselbare düster-ätherische Signature-Sound bleibt jedoch stets erhalten. Der Platte letzte Nummer hört auf den Titel 'Thicker Blood', ist mit knapp neun Minuten das längste Stück des Albums und dürfte nicht nur Liebhabern von eben VANGELIS und vielleicht auch JEAN-MICHEL JARRE die Herzen öffnen, obwohl der Song zum Ende hin noch einmal gut Fahrt auf und furiose Wendungen nimmt und mit rasenden Black-Metal-Parts und wahnwitzigen Urschreien auftrumpfen kann, mit denen man in der Art und Weise hier nun nicht mehr wirklich rechnen konnte.
Es bleibt also zum Glück alles wie es ist im Hause MESSA und unterm Strich lässt sich auch hier guten Gewissens das behaupten, was wohl viele Bands gerne auf ihrer Visitenkarte verewigt hätten: Die eigene Komfortzone immer verlassen und dabei stets in neue kreative Dimensionen vorzudringen, ohne das bereits etablierte künstlerische und schöpferische Vermächtnis zu verraten und zu verleugnen. Noch gilt die Band trotz vier herausragender Alben als Geheimtipp. Zwei absolvierte Tourneen in Übersee in kurzen Abständen sowie der Wechsel zu Metal Blade Records lassen aber möglicherweise die Vermutung aufkommen, dass der Band hier schon bald der nächste gravierende Karriereschritt gelingen wird. Zu wünschen wäre es der sympathischen Truppe auf jeden Fall. Für alle, die von den Italienern bisher noch nichts gehört haben: Die aktuelle und im Vergleich zu den älteren Werken definitiv zugänglichere Platte eignet sich ganz hervorragend als Einstiegsalbum in den MESSAschen Kosmos. An die Klasse des genialen Vorgängers "Close" gereicht es dann aber doch nicht so ganz.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Lenze